David gegen Goliath

Das Holzkirchner Geschäftesterben erreichte mit der Aufgabe der Buchhandlung Hummelberger seinen unrühmlichen Höhepunkt. In einem Plakat machten die Betreiber ihrem Unmut über den Onlinehandel und die Konkurrenz durch Einkaufszentren Luft. Wir haben bei langjährig hier ansässigen Unternehmen nachgefragt, was die Konkurrenz aus dem Internet für sie bedeutet.

Lokale Unternehmen, wie die Holzkirchner "kids schuhwelt" bieten ihren Kunden persönliche Beratung und individuellen Service an.
Lokale Unternehmen, wie die Holzkirchner “kids schuhwelt” bieten ihren Kunden persönliche Beratung und individuellen Service an.

Cornelia Engl ist mit der Holzkirchner Bücherecke Mitglied der Initiative „Buy Local“, die es sich als Ziel gesetzt hat, ein Bündnis von lokalen Händlern und Handwerkern zu schaffen, um so die regionale Angebotsvielfalt zu fördern. Der Mehrwert des lokalen Buchkaufs liegt dabei auf der Hand. Das achtköpfige Team kennt die Kunden und ihre Lesepräferenzen seit vielen Jahren. So ist es keine Seltenheit, wenn Kunden darum bitten, ihnen etwas passendes auszusuchen und sich anschließend freuen, weil der Geschmack genau getroffen wurde. Das Internet sieht Engl – auch durch die Preisbindung im Buchhandel – nur bedingt als echte Konkurrenz:

Bei uns zählt der persönliche Kontakt, durch die Preisbindung kommen Kunden sogar oft mit Amazon-Ausdrucken, um bei uns zu kaufen. Kinder stellen Geschenkkörbe für ihre Geburtstage auf und wenn jemand nicht vorbeikommen kann, bringen wir ihm die Bücher sogar nach Hause.

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Hiervon profitieren vor allem auch die Senioren der Gemeinde. Abgerundet wird das lokale Einkaufserlebnis durch Veranstaltungen vor Ort, im November beteiligt sich die Bücherecke an der Buy local-Initiative „Bei uns ist was los“, unter anderem mit einer Eltern-Kind-Lesung „Papa macht Abendbrot“ zu der phantasievoll garnierte Brote zu den vorgelesenen Geschichten gereicht werden.

Im Bereich des Schuhhandels führen Online-Händler einen so ruinösen Preiskampf, dass die Umsatzzahlen zwar stetig steigen, aber selbst die Großen der Branche – wie Zalando im dritten Quartal 2015 – zeitweise zweistellige Millionenverluste schreiben. Mit diesen Markt-Giganten konkurriert das Holzkirchner Unternehmen “kids schuhwelt” unter Leitung von Gabriele Haitzer. Auf die Frage, ob denn der Preisdruck aus dem Internet ihr Geschäft belaste, muss die Unternehmerin auflachen:

Wir haben Fälle, in denen sich Kundinnen ausgiebig beraten lassen, nach intensiven Anproben dann den optimalen Schuh für ihr Kind finden und sich hastig mit den Worten „da muss ich meinen Mann fragen“ verabschieden. Die stellen sich eher freiwillig als unmündig dar bevor sie zugeben, dass sie im Internet die Schuhe kaufen.

Das Kaufverhalten hat sich in den letzten 16 Jahren in ihren Augen sehr verändert. Die Kunden sind gut informiert, kennen Preise, Farben und Auswahl sehr genau und erwarten eine sofort verfügbare große Auswahl. Dem muss sich der lokale Einzelhandel stellen. Entsprechend besucht Haitzer mehrmals jährlich Messen, um die Modelle der übernächsten Saison auszuwählen. Für sie zählen dabei vor allem gute Qualität, Billigschuhe führt sie aufgrund der hohen Reklamationsquoten nicht. „Da schaffen wir eher durch reduzierte Modelle einen preislich attraktives Angebot“, betont Haitzer.

Im Vergleich gegen die Internet-Konkurrenz punktet die Betreiberin durch guten Service: Die fünf Angestellten sind sehr kinderlieb, die Kinderfüße werden vermessen und auch das zehnte Paar noch mit Engelsgeduld zur Anprobe gebracht. Reklamationsfälle können oft schnell und unbürokratisch über den ebenfalls ortsansässigen Schuster Herbst abgewickelt werden. „Die Kinder brauchen ja ihre Schuhe. Wenn wir die jedesmal erst einschicken, müssen die Familien die Reparaturzeit langwierig überbrücken. Das ist nicht verbraucherfreundlich”, so Haitzer.

Mit der Kundschaft in Holzkirchen sei sie zufrieden, viele nette und unkomplizierte Familien kommen zu ihr. Dennoch sei der Umsatz in den letzten Jahren leicht rückgängig, im günstigen Preissegment sei die Konkurrenz der Deichmann-Filiale im HEP deutlich spürbar. Stabil sei das Kerngeschäft mit den hochwertigen Markenschuhen, deren Käufer die kundenfreundliche Beratung und die große Auswahl von zirka 12.000 Paar Schuhen zu schätzen wüßten, erklärt Haitzer.

Wie profitiert der Ort von lokalen Unternehmen?

Die inhabergeführten Unternehmen im Ort bereichern den Ortskern und richten ihr Angebot auf die Bedürfnisse ihrer Kunden aus. Viele nehmen auch durch ihr Engagement soziale Verantwortung wahr: die Bücherecke beispielsweise arbeitet eng mit Schulen und Kindergärten zusammen. Die dritten bis fünften Klassen erhalten jährlich zum Welttag des Buches das Buch „Ich schenk Dir eine Geschichte“, dessen Kosten die Buchhandlung teilweise übernimmt. Neben den insgesamt elf Arbeitsplätzen zahlen die Unternehmerinnen kommunale Steuern – eine willkommene Abwechslung zu den Steuervermeidungstricks international tätiger Konzerne, über die seit Jahren berichtet wird.

Bei der Seemüller-Apotheke im Atrium gab’s zum Wiesnstart sogar frische Brezn, überreicht von lächelnden Angestellten im Dirndl, für jeden Kunden – von diesem Flair sind die Versandapotheken doch weit entfernt. Dass der Einkauf bei Internet-Großhändlern nicht zwangsweise zeit- und ressourcensparender ist, zeigt der Vergleich Amazon versus Holzkirchner Bücherecke: Amazon liefert in zirka zwei bis drei Werktagen ab Bestellung, bei der Holzkirchner Bücherecke erhält der Kunde jedes lieferbare Buch innerhalb von 24 Stunden, die Bestellung ist auch telefonisch oder rund um die Uhr über die Homepage möglich. Ein freundliches Gespräch und die Fachkompetenz der Mitarbeiterinnen gibt es gratis dazu.

Für einen Einkaufsbummel durch lokale Läden braucht man Zeit – keine Frage. Doch dieser Bummel birgt auch Gewinn: Genuss, lokale Vielfalt und ein bisschen mehr Menschlichkeit.

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