Rottach-Egern wehrt sich gegen Vogel-Plage
Den Gänsen gehts an die Eier

Sie kommen von weit her, besetzen öffentliche Plätze und hinterlassen Dreck. Es ist nicht von Tagestouristen die Rede, sondern von Gänsen. Die wurden in den letzten Jahren zur Plage. Abschießen? Rottach-Egern kommt mit einer besseren Idee.

Zahlreiche Gänse tummeln sich am Badestrand. Foto: Martin Calsow.

Ob die Popperwiese in Rottach-Egern, die Flächen in Seeglas oder an den Gestaden Bad Wiessees – die Gänse sind eine Plage. Sie tummeln sich überall dort, wo Platz und Grünfutter zu finden ist. Die Zahl der Wildgänse wie die Kanada-, Nil- und Graugans nehmen bei uns zu, und kaum verschwinden sie, ist es kaum mehr möglich einen Liegeplatz zu finden, der nicht bereits von den Tieren oder vielmehr ihren Hinterlassenschaften belegt ist. Bedenklich ist vor allem der Kot der Tiere, durch den Krankheitserreger verbreitet werden können. 

“Warum schießt man die Gänse nicht einfach ab?” Das fragten in unseren Kommentar-Spalten immer wieder genervte Leser. Das ist nicht so einfach, wie am vergangenen Dienstag in der Gemeinderatssitzung von Rottach-Egern erklärt wurde.

Eindämmung Gans-Plage

Dort stellte Bürgermeister Christian Köck ein neues Verfahren zur Eindämmung der Gans-Plage vor. Zuerst erteilte er dem Abschuss, euphemistisch auch “Entnahme” genannt, eine Absage. “Das ist in solchen Gebieten brandgefährlich”, erklärte er. In touristischen Gebieten, wie an Badeseen oder gar in Schwimmbädern, sind Abschüsse kompliziert. Offizielle Badestellen im Tal liegen zumeist in befriedeten Gebieten. Hier dürfte zudem nur mit Ausnahmegenehmigung gejagt werden dürfen. An Gewässern muss zudem auf bleihaltige Munition verzichtet werden. Der NABU erinnert zudem daran, dass die Gänse durch Schrotpartikel nur verletzt werden, später qualvoll verenden. Zudem werden Familienverbände auseinandergerissen, und Jungvögel verlieren den für sie überlebenswichtigen Anschluss an ihre Eltern. Was tun?

Anzeige

Nun ist das penetrante Federvieh aber noch nicht einmal als schützenswerte Spezies eingetragen. Jährlich fallen 127.000 Wildgänse durch Jägershand vom Himmel. Tendenz steigend. Und der Bund Naturschutz findet, dass Einwanderer wie die Nil- und Kanadagans (sogenannte “Neozoen”) vielmehr die Zusammensetzung bereits vorhandener Arten beeinträchtigen. Insbesondere die Nilgans zeichne sich durch ein aggressives Brutverhalten aus. Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) unterstützt daher eingreifende Maßnahmen.

Gelegebehandlung

Also gehts den Viechern an die Eier. “Mitarbeiter der Gemeinde werden derzeit von der Unteren Naturschutz-Behörde des Landkreises geschult. Wir werden eine sogenannte Gelegebehandlung durchführen lassen”, erklärte Köck in der Sitzung. Wie sieht das dann konkret aus? Theoretisch könnte man das komplette Gelege zerstören, so den Nachwuchs nachhaltig reduzieren. Aber das erlaubt das Tierschutzgesetz nicht. Das verlangt, dass die Eier der Gänse nur bis zur Hälfte des Brutvorgangs manipuliert werden dürfen. Im Schnitt brüten Gänse insgesamt 28 bis 30 Tage. Je früher eingegriffen wird, desto weniger Stress und Schmerz bedeutet das für die Gänse. Einige Eier werden angepiekst und verunreinigt. Und warum nicht einfach entnehmen? Das Brut- und Aufzuchtverhalten der Tiere soll nicht beeinträchtigt werden.

Es wird sicher einige Zeit dauern, bis sich Gustav Gans und seine Gesellen nicht mehr auf unseren Wiesen in dieser Zahl tummeln. Aber warum hat sich die Zahl der Gänse so in die Höhe geschraubt? Der Naturschutzverein NABU erklärt das so: “Die heutige Situation ist auch eine Folge landwirtschaftlicher Veränderungen. Viele traditionelle Weideflächen der Gänse sind in den letzten Jahren zu Äckern umgebrochen worden – die Konflikte damit hausgemacht … Langfristige Beobachtungen der Gänseforscher zeigen, dass Bless-, Saat- und Ringelgänse in ihren arktischen Brutgebieten keineswegs zugenommen, sondern lediglich einen Teil ihrer Zugwege verlagert haben.” Interessant: Die Graugans war in Westdeutschland und den Niederlanden spätestens seit dem 19. Jahrhundert weitgehend ausgestorben. Sie wurde zwischen den 60er- und 80er-Jahren vor allem von Jägern gezielt als Brutvogel wieder angesiedelt. Nun wird sie als Schädling wahrgenommen. Dort, wo Menschen im Sommer baden und ihr Handtuch ausbreiten wollen, hat sich Genosse Gans schon entleert. Es ist der klassische Mensch/Tier-Konflikt in einem gemeinsam genutzten Lebensraum.

Otter, Feinde der Fischzüchter. Bitte abknallen? Foto: Martin Calsow.

Mal sind es Kormorane, die scheinbar den gesamten Fischbestand des Sees verschlingen, mal sind es Otter oder Waschbären. Wenn man Viecher nicht essen oder an der Leine führen kann, sind sie schnell für uns ein Ärgernis. Also werden wir im nächsten Jahr Menschen im Tal sehen, die auf allen Vieren Gänseeier suchen. Damit wir auch morgen noch kotfrei baden dürfen.  

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein Lokalpolitik

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner