Im Landkreis Miesbach wird die Frage „Wohin mit den neuen Flüchtlingen?“ immer drängender. Dabei zeigt der Alltag der Bundespolizisten, die auch für die Straßen rund um den Landkreis zuständig sind, dass der Strom nicht abreißen wird. Eine Redakteurin der Holzkirchner Stimme hat zwei Flüchtlingsfahnder exklusiv einen Tag lang begleitet.
Brennpunkt: deutsch-österreichische Grenze
4:55 Uhr. Schichtbeginn. Die Bundespolizisten Christian und Veronika legen ihre Sicherheitswesten und Waffen an. Von der Rosenheimer Wache aus geht es im zivilen Fahrzeug auf die Autobahn. Genau da, wo die Brenner-Route der A93 am Inntaldreieck auf die A8 führt, positionieren sie sich auf einem Seitenstreifen. Und halten Ausschau. Nach Schleusern, wie sie sie nennen. Die Schmuggler nehmen Flüchtlinge für viel Geld über die deutsch-österreichische Grenze mit.
Geduld ist jetzt gefragt. Es ist noch dunkel und die Lichter der entgegenkommenden Fahrzeuge blenden. Doch die Beamten haben ein geschultes Auge. So dauert es nicht lange, bis das erste Fahrzeug in ihr „Raster“ fällt. Kurz nickt Veronika ihrem Kollegen zu. Christian beschleunigt den Dienstwagen und nimmt die Verfolgung auf. Beim Überholen des Fahrzeugs bestätigt sich der Verdacht.
Ein alter Kleintransporter mit italienischem Kennzeichen. Vollbesetzt mit sechs jungen Männern. „So langsam wie sie fahren, sind sie wohl schon länger unterwegs“, kombiniert Christian. In der Heckscheibe leuchtet „Polizei – Bitte folgen“ auf. Man nimmt die nächste Ausfahrt. Veronika winkt den Kleintransporter mit der Kelle in einen Parkplatz. Dabei erklärt sie die nächsten Schritte:
Christian baut jetzt mit unserem Auto einen Kontrollschatten auf. Während er dann den italienischen Wagen absichert, werde ich per Funk die Pässe der Insassen überprüfen. Wenn wir erfahren, dass beispielsweise Vorstrafen bekannt sind, werden wir den Wagen näher untersuchen.
Doch beim Absichern ist Vorsicht gefragt. Man wisse nie, so Christian, was die Insassen dabei haben. Waffen, Drogen oder illegale Mitfahrer. Die Beamten müssen mit allem rechnen und beobachten daher jede Regung der Männer. Doch Veronika gibt Entwarnung. Die Pässe sind nicht gefälscht. Vorstrafen sind keine bekannt. Die Männer dürfen weiterfahren. So auch vier weitere Fahrzeuge mit balkanischen Kennzeichen.
Flüchtlingsfahndung auf Schienen
Heute scheint es allgemein ruhig zu sein. Eine Ausnahme. Denn „Großaufgriffe häufen sich in letzter Zeit“, berichtet Polizeihauptkommissar Rainer Scharf. Es gibt Tage, an denen man, während gerade Schleuser und Flüchtlinge festgenommen werden, im Augenwinkel beobachten kann, dass noch drei potentielle Schleuserfahrzeuge vorbeifahren, wissen die Fahnder.
Mit den vereinzelten Kontrollen auf der Autobahn kratzt die Bundespolizei lediglich an der Oberfläche. Als weitaus effektiver zeigen sich die Kontrollen der internationalen Zugverbindungen, die über Rosenheim laufen. Erst kürzlich konnten Beamte der Bundespolizei am Rosenheimer Bahnhof über hundert Flüchtlinge aus einem Zug ziehen.
So geht es am Nachmittag für Veronika und Christian mit dem Meridian nach Kufstein. Dort warten sie auf die Ankunft des ICE aus Verona, der in Richtung München fahren soll. Der Zug hat Verspätung. Die Kollegen aus Österreich haben vermutlich schon „aussortiert“. Trotzdem kontrollieren die Flüchtlingsfahnder noch einige Pässe verdächtiger Fahrgäste. Und so geht den Beamten ein blinder Passagier ins Netz. Auf der Toilette hatte er sich versteckt.
Der 16-jährige Jabril ist abgemagert und schwach. Der junge Somalier versteht kaum ein Wort Englisch und weiß dennoch, was passiert. „Germany?“, fragt er die Beamten und scheint erleichtert, als sie ihm bestätigen, dass er jetzt in Deutschland sei. Ein Ticket hat er zwar, aber gültig ist es nicht. Viel Geld wird er einem Schleuser in Italien dafür bezahlt haben. Diese sind organisiert. Ihr Netzwerk erstreckt sich über ganz Europa, weiß Polizeihauptkommissar Rainer Scharf. Und sie ziehen Profit aus dem Leid anderer Menschen.
Jabril ist alleine unterwegs, doch schon im nächsten Zug aus Italien können die Beamten der Rosenheimer Bundespolizei dreizehn Flüchtlinge samt Schleuser festnehmen. Den Flüchtlingen gewährt man Schutz. Dem Schleuser blüht eine hohe Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft, erklärt Scharf.
Die Zahl der Flüchtlinge steigt
Bis zu 40 Schleuser nimmt die Bundespolizei Rosenheim monatlich fest – Tendenz steigend. Und mit ihnen kommen umso mehr Flüchtlinge nach Bayern. Von Januar bis Oktober dieses Jahres vermerkten die Grenzpolizisten rund 7.300 unerlaubt eingereiste Personen. Davon im August, September und Oktober jeweils 1.100. Und ein Ende ist derzeit nicht abzusehen. Im Jahr 2013 waren es insgesamt knapp 4.000 registrierte Flüchtlinge.
Die 8.000er Marke knacke man dieses Jahr noch locker, da sind sich die beiden Beamten einig. Ein Zeichen für Deutschland und auch die einzelnen Gemeinden, sich weiterhin auf die zukünftigen Asylbewerber vorzubereiten. Denn fest steht: Sie werden kommen. In Zügen, in Kofferräumen von Autos oder eingepfercht in Kleintransportern.
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