Der Anti-Kreidl auf dem Prüfstand

Der Landkreis ist hochverschuldet, die Kreidl-Affäre noch längst nicht aufgearbeitet, überall herrscht eine Atmosphäre des Misstrauen. So ist es, wenn ein System zusammenbricht. Derjenige, der den Stall aufräumen darf, wird entweder als zu langsam oder zu radikal gescholten. Landrat Wolfganz Rzehak stehen schwere Zeiten bevor.

Ist nun der politische Klimawandel da? Wolfgang Rzehak schlägt neue zwischenmenschliche Töne an.
Ist nun der politische Klimawandel da? Wolfgang Rzehak schlägt zumindest neue Töne an.

Der Gmunder Wolfgang Rzehak – auch bekannt als „Beppo“ – ist Deutschlands erster grüner Landrat. Und das inzwischen seit 100 Tagen. Blühen die Blumen im Landkreis deswegen schöner? Sind die Kühe glücklicher? Oder weht der schwarze Hauch der Vergangenheit weiter durch das Oberland? Das 100-Tage-Sommer-Interview mit dem 46-Jährigen Grünen-Politiker.

Holzkirchner Stimme: Guten Tag, Herr Rzehak. Wie schaut’s aus mit Ihren Urlaubsplänen?

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Wolfgang Rzehak: Gut schaut’s aus. Am Samstag fliegen wir zwei Wochen nach Formentera – meine Frau, die Kinder und ich. Da freuen wir uns schon drauf!

Holzkirchner Stimme: Und als Landrat kann man ohne schlechtes Gewissen Koffer packen?

Wolfgang Rzehak: Ja, das kann man. Und vor allem, wenn man nur Landrat macht und sonst nichts. Ich habe mein Parteiamt aufgegeben, mein Kassierer-Amt beim TEV Miesbach ebenfalls. Arbeit ist es natürlich immer noch viel, aber es ist machbar und gut mit der Familie vereinbar, was mir ganz wichtig ist.

Holzkirchner Stimme: Als Sie ein paar Wochen nach Ihrem Amtsantritt schon einmal Urlaub gemacht haben, mussten Sie Kritik einstecken. Immerhin gibt es ja auch einiges aufzuarbeiten im Landkreis. Es werden immer weitere Details zur Causa Kreidl bekannt – man kann nur erahnen, wieviel da noch schlummert. Wie gehen Sie mit diesem “Damoklesschwert” um?

Wolfgang Rzehak: Damoklesschwert würde ich nicht sagen. Dadurch dass der Rechnungsprüfungsbericht an die Medien gespielt wurde, ist ja eigentlich alles bekannt, was da war. Wir haben deutliche Konsequenzen aus der Sache gezogen. Unser Verhaltenskodex ist ein eindeutiges Zeichen. Eigentlich sollte man meinen, dass es so etwas gar nicht braucht. Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass es das manchmal eben doch braucht. Aber es gibt Dinge, die macht man einfach nicht. Auf jeden Fall haben wir die richtigen Schlüsse daraus gezogen und Bescheidenheit einziehen lassen.

“Manchen reicht es offensichtlich nicht”

Holzkirchner Stimme: Bleiben wir trotzdem bei dem Thema. Das klingt fast so als käme da ganz sicher gar nichts mehr ans Licht. Kann man das als Außenstehender wirklich glauben? War das am Anfang nicht ein Erkenntnisschock für Sie?

Wolfgang Rzehak: Also ein Schock war es nicht. Dazu bin ich auch schon zu lange in der Kommunalpolitik. Das ganze letzte Jahr über kam so viel – das kann uns alles nicht mehr schocken. Was mich nur immer wieder wundert: Als Landrat verdient man ja wirklich nicht schlecht, aber manchen reicht es offensichtlich einfach nicht. Diese Tatsache war schon ein bisschen bestürzend.

Holzkirchner Stimme: Fakt ist aber auch: Der Rechnungsprüfungsbericht darf auf Weisung der Regierung von Oberbayern nicht veröffentlicht werden. Wie wird der Kreistag da weiter vorgehen?

Wolfgang Rzehak: Wir werden von einem Rechtsanwalt prüfen lassen, was wir zurückfordern können. Und bei den Posten, die möglich sind, wird es auch Rückforderungen geben. Diesen Vorschlag werden wir dem Kreistag machen und ich bin mir ziemlich sicher, dass dem alle zustimmen werden.

Holzkirchner Stimme: Bei der ganzen Affäre war immer wieder vom „System Miesbach“ die Rede, das eben nicht nur von einer einzelnen Person abhängt. Lässt sich ein solches System wirklich so schnell ändern?

Wolfgang Rzehak: Sagen wir mal so: Es gibt gewisse Dinge, die haben sich über Jahrzehnte so festgefahren. Aber was viele verkennen: Fast die Hälfte des Kreistags ist neu besetzt, wir haben einen neuen Landrat und einen neuen Vizelandrat. Viele dieser Strukturen können also gar nicht mehr da sein, denn vieles ist einfach neu. Sicher war das in unserem Landkreis eine Ausnahmesituation, aber alleine stehen wir damit auch nicht da. Immerhin haben die Bürger jetzt entschieden: Zur politischen Hygiene gehört auch, dass eine bestimmte Politik abgestraft werden kann.

Mit dem Vollgas geben hat er es nicht so, dennoch will der neue Landrat die wichtigen Themen anpacken.
Mit dem Vollgas geben hat er es nicht so, dennoch will der neue Landrat die wichtigen Themen anpacken.

Holzkirchner Stimme: Sind Sie nicht insgeheim auch froh über den Skandal? Ohne ihn wären sie immerhin heute nicht hier.

Wolfgang Rzehak: Also froh ist das falsche Wort. Niemand kann über solche Skandale froh sein. Schließlich war das auch keine schöne Zeit für den Landkreis. Andererseits muss man doch sagen: Ohne diese Konstellation hätte es keinen grünen Landrat gegeben. Aber es war nicht nur diese Konstellation, sondern es gab auch andere Gründe dafür, dass ich es geworden bin. Zum Beispiel, dass ich davor schon 18 Jahre lang Kreisrat war, dass die Leute wissen, dass ich moderat und wertkonservativ bin und mit meiner beruflichen Ausbildung dem auch gewachsen bin.

Holzkirchner Stimme: Und eigentlich ist das doch auch eine ganz gute Ausgangsposition. Sie können es ja nur besser machen …

Wolfgang Rzehak: Das weiß ich nicht. Aber bestimmte Dinge wie Statussymbole sind mir einfach nicht besonders wichtig. Deswegen war es mir wichtig, dass ich einen umweltfreundlichen Dienstwagen bekomme. Außerdem finde ich, dass ich genug Geld bekomme. Es war auch nicht alles falsch vor meiner Zeit. Dennoch will ich viele Dinge ändern, aber das kann man auch nicht übers Knie brechen. Es gibt jedenfalls keine grüne Revolution im Landkreis Miesbach.

Die neue Bescheidenheit

Holzkirchner Stimme: Was wollen Sie denn konkret anders machen?

Wolfgang Rzehak: Was ich schon eingeführt habe: Ich versuche die Verwaltung einzubinden und mache nichts anderes als Landrat. Ich nehme mir Zeit, alle Mitarbeiter kennenzulernen und einzubinden. Ich versuche die Dinge kooperativ zu lösen und nicht von oben nach unten. Klar ist: Ober sticht Unter, aber ich höre mir zumindest andere Meinungen an. Die Zeiten, wo ein Politiker meint, alles zu wissen, sind vorbei. Man muss auch mal Fehler zugeben können und nicht nur nach dem Motto ‘Augen zu und durch’ handeln.

Holzkirchner Stimme: Das heißt: Mit Ihnen kommt eine neue Bescheidenheit?

Wolfgang Rzehak: Wenn man sich ansieht, was ich bis jetzt an Zeichen gesetzt habe, kann man das schon als Bescheidenheit bezeichnen. Ich muss auch nicht immer im Mittelpunkt stehen. Politiker tun immer gerne so, als könnten sie alle Probleme lösen. Dabei haben sie nur die Fäden in der Hand. Aber ich muss einem Wirtschaftler nicht die Wirtschaft erklären. Das operative Geschäft sollten die Fachleute übernehmen.

Holzkirchner Stimme: Ihr neuer Dienstwagen ist ein Erdgas-A3 von Audi. Haben Sie trotzdem Lust auf Gas geben – als Autofahrer und als Landrat?

Wolfgang Rzehak: Also privat gebe ich nicht sonderlich gerne Gas – da fährt meine Frau schneller als ich. Da bin ich wohl ein bisschen langweilig. (lacht) Und auch politisch: Gas geben ist schwierig. Man sollte den Motor nie ausreizen. Wenn ich alle überhole, brauche ich mich nicht wundern, wenn ich irgendwann allein dastehe. Bei jeder Entscheidung muss man die Leute mitnehmen. Ich will andere Leute überzeugen. Man kann seine Ziele auch in kleinen Schritten und mit Ruhe erreichen.

Holzkirchner Stimme: So wie Angela Merkel zum Beispiel …

Wolfgang Rzehak: (lacht) Nein, also mit Angela Merkel möchte ich mich jetzt eigentlich nicht vergleichen. Ich rede von Vorbereiten, nicht Aussitzen.

Zwischenmenschlicher Klimawandel statt grüner Revolution

Holzkirchner Stimme: Aber gibt es kein Thema, bei dem Sie sagen: Das muss ich unbedingt mit Vollgas angehen?

Wolfgang Rzehak: Da gibt es mehrere Themen, die mir wichtig sind. Zum Beispiel der Schuldenabbau, aber da kann man nicht mit Vollgas rangehen. Das ist ein langfristiges Thema. Die Energiewende ist auch so ein Thema. Aber was ich schnell angegangen bin, war dieses neue Klima im Landkreis zu schaffen – gemeinsam konstruktiv an die Dinge heranzugehen. Das ist sozusagen mein Klimawandel.

Holzkirchner Stimme: Da sind wir auch schon beim Thema. Wie grün wird denn der Landkreis sein, wenn Sie mit ihm fertig sind?

Wolfgang Rzehak: Ich glaube wir haben bereits einen sehr grünen Landkreis und umweltbewusste Bürger. Auch solche, die schwarz wählen. Das sind Menschen, die die Natur und ihre Heimat erhalten wollen. Das hat nichts mit Parteibuch zu tun. Sondern das ist allgemeiner Konsens im Landkreis.

Holzkirchner Stimme: Bleiben wir bei blühenden Landschaften: Überall wird zugebaut. Ob in Holzkirchen oder am Tegernsee – viele fürchten den Beton-Boom. Wie lässt sich der Spagat zwischen organischem Wachstum und Erhaltung der Natur meistern?

Wolfgang Rzehak: Das ist sehr schwierig. Wir sind als Landkreis sehr attraktiv – sowohl für die Wirtschaft als auch für Urlauber und Einheimische. Ich glaube, wir alle müssen uns Gedanken machen: Wie können wir gesundes Wachstum verwirklichen? Ich brauche nicht jede Firma hier. Der fünfte Aldi ist kein Zugewinn. Aber eine Hightech-Firma in Holzkirchen ist schon etwas, das der Landkreis braucht. Jedes einzelne Projekt hat eine Daseinsberechtigung. Aber in der Gesamtheit wird es langsam zu viel.

Lieber Kretschmann als Merkel - Wolfgang Rzehak hat durchaus bundespolitische Vorbilder.
Lieber Kretschmann als Merkel – Wolfgang Rzehak hat bundespolitische Vorbilder.

Holzkirchner Stimme: Bei dem Thema formiert sich zunehmend auch der Widerstand unter den Bürgern. Zum Beispiel bei der Orthopädischen Klinik in Tegernsee oder bei der Umgehungsstraße in Großhartpenning. Wie nehmen Sie diese Proteste wahr?

Wolfgang Rzehak: Bei der Umgehungsstraße etwa waren die Vertreter der Bürgerinitiative bei mir im Büro. Wir haben uns über die Thematik ausgetauscht. Aber aus meiner Erfahrung in der Kommunalpolitik weiß ich: Umgehungsstraßen sind keine echte Lösung, sondern ein Placebo, das den Bürgern vor der Wahl vorgesetzt wird. In Wahrheit sind sie aber weder durchsetzbar noch sinnvoll. Ich glaube aber, dass Holzkirchen mit Bürgermeister von Löwis auf dem richtigen Weg ist. Auch hier gilt: kleine Schritte machen. Und bei der Orthopädischen Klinik in Tegernsee habe ich nicht so viel mitzureden, aber auch da würde ich sagen: überdimensioniert. Auch aus Sicht des Tourismus kann das Zubetonieren der Landschaft keine Lösung sein.

Holzkirchner Stimme: An der Stelle würden wir gerne auf das große „grüne“ Thema zu sprechen kommen – nämlich die Energiewende. Das Wort schwebt wie ein abstraktes Monstrum durch die Gemeinden. Wirklich vorstellen kann man sich darunter nur wenig. Ganz konkret: Was muss wann wie und wo getan werden?

Wolfgang Rzehak: Das ist kurz gesagt nicht möglich, das so konkret zu formulieren. Sonst würden wir uns nicht alle darüber streiten. Wir haben das Problem, dass wir alle wissen, dass die Energiewende kommen und funktionieren muss. Aber jeder hat eine andere Vorstellung davon. Ich kann nicht gegen Windräder sein, gleichzeitig gegen Photovoltaikanlagen und gegen Wasserkraft. Das wird nicht funktionieren. Zum Glück gibt es langsam ein Umdenken – zum Beispiel in Tegernsee, wo der neue Bürgermeister die Solaranlagensatzung geändert hat. Aber natürlich wird die Energiewende nicht so schnell gehen und wir können als Landkreis nicht komplett autark sein.

“Ich kann nicht alle Hoffnungen erfüllen”

Holzkirchner Stimme: Haben Sie als Grüner bei diesem Thema nicht eine gewisse Bringschuld? Fast möchte man meinen, bei einem grünen Landrat sollten die Kühe bessere Milch geben und die Blumen schöner blühen.

Wolfgang Rzehak: Ich glaube, da muss man auch ein bisschen relativieren. Die Hoffnungen, die manche haben, kann ich gar nicht erfüllen. Ich bin Landrat und kein Parteipolitiker. Für mich zählt zuerst das Wohl des Landkreises und dann meine eigene politische Meinung. Das ist oft das gleiche, aber eben nicht immer. Jeder weiß, welchen Hintergrund er hat, aber dieses Parteigeplänkel gibt es bei uns nicht. Am Ende bin ich auch nur einer von 61 im Kreistag. Wir müssen von daher alles gemeinsam machen.

Holzkirchner Stimme: Man muss also manchmal auch gegen seine innere Überzeugung handeln?

Wolfgang Rzehak: Im staatlichen Bereich des Öfteren, ja. Mir ist zum Beispiel das staatliche Asylrecht zu hart. Wir haben hier im Landkreis zwar einen gewissen Spielraum, das humaner zu gestalten. Aber das hat Grenzen.

Holzkirchner Stimme: Asylbewerber sind im Landkreis ohnehin ein kritisches Thema. In Holzkirchen gibt es jetzt wieder Verzögerungen. Ist es so schwer, dass man da ganz konkret hilft?

Wolfgang Rzehak: Es ist sehr schwer, ja. Wir sind ein Landkreis, wo man als Normalbürger schon kaum eine bezahlbare Wohnung findet. Wie wollen Sie dann in kürzester Zeit Wohnraum für Asylbewerber schaffen? Die Welt spielt verrückt und wir wissen gar nicht, was da an Flüchtlingen noch auf uns zukommt. Es kann uns passieren, dass uns die Regierung von Oberbayern an einem Freitagnachmittag Flüchtlinge vor die Haustür stellt, weil die auch nicht wissen, wohin mit ihnen. Dann müssen wir übers Wochenende für die einen Platz finden.

Holzkirchner Stimme: Besonders im Tegernseer Tal ist das ein Problem. Nur sieben Prozent der Asylbewerber kommen dort unter. Man hört immer wieder, dass man im Landratsamt darüber nicht so glücklich ist.

Wolfgang Rzehak: Wir müssen schauen, wo man bezahlbare Unterkünfte findet. Derzeit kann sich ein Vermieter aussuchen, wen er aufnimmt. Das ist das Problem. Aber klar ist auch: Jede Gemeinde muss einen Beitrag leisten und es kann nicht sein, dass nur wenige Gemeinden im Landkreis diese Last schultern.

“Die Tourismusfusion ist vorerst gestorben”

Holzkirchner Stimme: Lassen Sie uns doch noch über den Tourismus sprechen, nach wie vor ein großes Thema im Landkreis. Die lange geplante Fusion ist bekanntlich geplatzt. Hand auf’s Herz: Wird das überhaupt noch was?

Wolfgang Rzehak: Es ist richtig: Die Fusion von ATS und TTT ist auf absehbare Zeit gestorben. Das muss man so sehen. Jetzt geht’s darum: Wie kommt man aus dieser Sackgasse raus? Die Weichen dazu sind in den diesen Tagen gestellt worden.

Holzkirchner Stimme: War das Scheitern nicht von Anfang an absehbar – die Schlierseer hatten Ihre Kritik ja deutlich geäußert. War man hier zu arrogant? Hat man einfach gedacht, die stimmen schon zu?

Wolfgang Rzehak: Seit ich Landrat bin, habe ich sehr viele Gespräche geführt und immer mehr mitbekommen, dass es eben nicht nur die Schlierseer waren, die nicht begeistert waren. Schliersee wird nur gerne als Sündenbock hingestellt. Das Problem ist, dass man versucht hat, von oben nach unten was draufzustülpen. Das kann nie ganz funktionieren. Man muss die Leute mitnehmen. Eine Fusion von oben kann nicht klappen.

Der Landrat sieht viele Bauvorhaben kritisch - weiß aber auch, dass manche Projekte wichtig für den Standort und die Wirtschaft sind.
Der Landrat sieht viele Bauvorhaben kritisch – weiß aber auch, dass manche Projekte wichtig für den Standort und die Wirtschaft sind.

Holzkirchner Stimme: Die Übernachtungszahlen geben nicht unbedingt Anlass zum Jubeln. Sie selber wohnen am Tegernsee. Wie würden Sie persönlich einem Touristen die Voralpenregion schmackhaft machen?

Wolfgang Rzehak: (lacht) Das Paradies auf Erden – zumindest wenn die Sonne scheint. Nein, ganz im Ernst: Ich glaube unser größter Vorteil ist, dass es bei uns authentisch ist. Es ist echt. Ich sage immer: Die Holländer fahren nach Tirol und suchen dort das, was sie in Kreuth oder Bayrischzell finden würden. Das müssen wir besser vermitteln.

Holzkirchner Stimme: Überall ist von Premium-Region die Rede, das Krönchen im Logo ist, nun ja, kein Ausdruck von Bescheidenheit. Kann man dieses Image ‚reich&schön’ als Einheimischer wollen und wirkt es tatsächlich nach außen hin sympathisch?

Wolfgang Rzehak: Ich habe dieses Logo nicht kreiert. Im Nachhinein ist es immer schwierig, so etwas zu beurteilen. Das müssen auch die Fachleute entscheiden. Unterm Strich zählt aber: Wir brauchen unsere Premium-Hotels. Aber genauso brauchen wir, dass die normale Familie aus Gelsenkirchen sagt: Ui, da möchte ich Urlaub auf dem Bauernhof machen. Wir haben im Landkreis 25 Prozent Biobauern – das ist der höchste Anteil in ganz Deutschland. Das sollten wir als Alleinstellungsmerkmal besser nutzen.

Holzkirchner Stimme: Jetzt haben Sie gerade von Zielgruppen gesprochen. Wir machen Tourismus vor allem für ältere Menschen. Dabei schreien immer alle danach, dass wir junge Leute anlocken wollen. Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Wolfgang Rzehak: Dass unser Landkreis bisher mehr auf ältere Leute fixiert war, stimmt. Aber da ändert sich gerade einiges. Zumindest bei den 30- bis 40-Jährigen, die als Kinder schon mal mit der Familie hier waren, kommen inzwischen gerne wieder hierher. Den Halligalli-Tourismus von 20-Jährigen wollen wir hier auch einfach nicht.

Angekommen im “schönsten Job”

Holzkirchner Stimme: Lassen Sie uns nochmal kurz über Sie persönlich sprechen. Sie haben jetzt 100 Tage hinter sich, aber noch fast sechs Jahre vor sich. Schaut man sich da schon mal nach politischen Vorbildern um, die das ganz gut machen? Vielleicht sogar auf Bundesebene? Ihren Parteikollegen und Ministerpräsidenten von Baden- Württemberg, Winfried Kretschmann, haben Sie schon öfter genannt …

Wolfgang Rzehak: Ja, Winfried Kretschmann ist für mich tatsächlich ein Vorbild. Er schafft es, in einem Land wie Baden-Württemberg mit seiner Art die Leute mitzunehmen und nicht vor den Kopf zu stoßen. Er ist kein Ideologe und weiß, dass gewisse Prozesse reifen müssen. Und auch Sepp Daxenberger, der immer gesagt hat: Geht dahin, wo die Leute sind! Ich gehe zum Beispiel sehr gerne zur 125-Jahr-Feier der Feuerwehr. Das ist für mich kein Pflichttermin, sondern das macht richtig Spaß. Wenn man das nicht kann, ist man als Landrat nicht geeignet.

Holzkirchner Stimme: Hat sich denn viel geändert im Leben?

Wolfgang Rzehak: Natürlich, es ist vor allem ein langer Tag. Aber es ist auch schön, die meiste Zeit hier im Landkreis zu sein. Ich muss jetzt nicht mehr jeden Tag nach München fahren und sehe meine Familie dadurch auch in der Früh vor der Arbeit und habe genug Zeit für ein gemeinsames Frühstück. Und ich stehe auch dazu, jetzt zwei Wochen mit der Familie in den Urlaub zu fahren. Wenn man das nicht kann, hat man erstens die falschen Stellvertreter – und ich habe die richtigen. Und zweitens gilt: Keiner ist unersetzlich, auch nicht der Landrat.

Holzkirchner Stimme: Letzte Frage: Sind Sie nicht doch stolz, es zum ersten grünen Landrat Deutschlands geschafft zu haben?

Wolfgang Rzehak: Es gibt ja das Sprichwort: Dummheit und Stolz sind aus demselben Holz. Aber natürlich ist es eine Ehre und etwas Besonderes. Manchmal, wenn ich zurück in mein Büro komme und an der Tür das Schild „Landrat Wolfgang Rzehak“ lese, dann ist das immer noch ein ungewohntes Gefühl. Aber es macht mir wirklich Spaß. Ich habe nach wie vor keine Ambitionen nach Berlin zu gehen. Wenn ich wieder gewählt werde, mache ich gerne nochmal sechs Jahre. Ich sehe das nicht als Anfang einer Karriere, sondern es wäre der Höhepunkt meiner Karriere, wenn ich Landrat bleiben könnte. Denn das ist der schönste Job, den man vergeben kann.

Holzkirchner Stimme: Herr Rzhehak, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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