„Wir fühlen uns – salopp gesagt – verarscht“, sagt Christian Naß von der IG Metall in Rosenheim. Der Zweite Bevollmächtigte der Gewerkschaft ist an diesem Donnerstag nach Holzkirchen gekommen, um mit den Mitarbeitern der Josef Weiss Plastic GmbH für eine Lohnerhöhung zu demonstrieren.
Anwesend sind rund 70 Prozent der Belegschaft, also knapp 40 Personen, wie Naß berichtet. Eine Stunde lang machen sie mit Trillerpfeifen, großen Transparenten und Spruchbannern auf ihr Anliegen aufmerksam. Um 11 Uhr ist der „Spuk“ dann vorbei. Christian Naß beendet die Demo mit den Worten:
Ihr habt den geilsten Warnstreik in Holzkirchen gemacht! Wir haben ein tolles Signal gesetzt und hoffen, dass jetzt die Verhandlungen weitergehen können. Aber wenn nicht, dann werden wir wiederkommen!
Die Anwesenden jubeln. Grund für den Ausstand sind gescheiterte Tarifverhandlungen. Erst im Januar hatten Mitarbeiter der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) mit ihrem Streik fast ein ganzes Verkehrsnetz zum Stillstand gebracht. Doch bei Josef Weiss Plastic sind die Voraussetzungen anders.
Das Unternehmen stellt aus Plexiglas Spezialscheiben für Hubschrauber, Segelflugzeuge, Motorräder oder Rennfahrzeuge her. In aufwändigen Verfahren werden Fenster gefertigt, die möglichst minimal die Sicht verzerren – unverzichtbar am Steuer solcher Flug- und Fahrzeuge. Sogar transparente Gebäudeteile und Möbel gehören zum Repertoire. Seit 2011 ist die Firma Teil des Schweizer Konzerns „Glas Trösch“. Zu den Kunden zählt unter anderem der Hubschrauberhersteller Airbus Helicopters (ehemals Eurocopter).
Gewerkschaft fordert fünf Prozent mehr Geld
Doch das Unternehmen wird von „wirtschaftlichen Problemen“ geplagt, die Zahlen der Trösch Gruppe sind offenbar im Minus. So argumentierte zumindest die Geschäftsführung bei einem ersten Treffen Mitte Januar 2016, erinnert sich Naß. Dabei ging es um die Neuverhandlung des Haustarifvertrags, der seit 2013 galt und zum 31. Dezember 2015 ausgelaufen wäre – hätte die Gewerkschaft ihn nicht zum 18. November 2015 schon gekündigt.
Die IG Metall fordert nun zusammen mit der großen Mehrheit der Mitarbeiter von Josef Weiss Plastic eine Lohnerhöhung von 150 Euro pro Monat, was durchschnittlich rund fünf Prozent mehr wären als zuvor. Zudem sollen die 60 Beschäftigten eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten.
Forderungen stoßen auf Entsetzen
Dem Arbeitgeber ist das viel zu viel. Wie Christian Naß berichtet, habe das Unternehmen entsetzt reagiert, nach dem Motto: „Das bricht uns das Gnack.“ Als Gegenvorschlag unterbreitete die Geschäftsführung ein Angebot über eine Erhöhung von 40 Euro ab Juli 2016 und eine weitere Anpassung um 40 Euro im Folgejahr. Den Arbeitnehmern und der Gewerkschaft ist das jedoch wiederum viel zu wenig.
Auch bei einer zweiten Verhandlungsrunde Mitte Februar konnten keine Fortschritte erzielt werden. Zwar wurde das Angebot seitens Josef Weiss Plastic auf 45 Euro erhöht, enthielt jedoch keine Einmalzahlungen. Geschäftsführer Thilo Rühle war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Aktuell arbeiten die Beschäftigten rund 38 Stunden pro Woche. Der Arbeitgeber bot an, daraus 40 zu machen und durch mehr Stunden eine höhere Bezahlung zu erreichen – ohne Erfolg. Christian Naß will dem Unternehmen, das erst 2015 von München nach Föching gezogen ist, durch den Streik jedoch nicht schaden:
Es wird oft so getan, als wolle die IG Metall mit übertriebenen Forderungen absichtlich Betriebe ruinieren. Das stimmt natürlich nicht, das ist das letzte, was wir wollen. Wir sind kompromissbereit. Aber wir sind nicht bereit, uns vorführen zu lassen.
Die Firmenseite werfe der Gewerkschaft hingegen vor, die Verhandlungen abgebrochen und die Situation eskaliert zu haben, so Naß. Das 1949 gegründete Traditionsunternehmen soll in Kürze ein Schreiben erhalten, in dem um erneute Verhandlungen gebeten wird. Schlägt dies fehl, könnte es wieder Streiks geben. Und beim nächsten Mal, so Naß, werde der Ausstand sicher nicht nur eine Stunde dauern.
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