Der Herzschmerz-Wahlkampf

Die süße Heimat besingen eigentlich nur Schlagerstars. „Bei uns zu Hause in den Bergen, da ist es wunderschön“, trällert zum Beispiel Hansi Hinterseer. Schaut man sich allerdings die Partei-Slogans der Kommunalwahl an, klingt das nicht viel anders.

Ob die „Heimat im Herzen“ oder die „Region im Sinn“ – auf all den Flyern und Plakaten triefte es vor Liebe zu diesem Bayern. Doch der Wahlkampf ist vorbei. Und es wird Zeit, dass dieser Kitsch aufhört.

Die Liebe zur schönen Heimat war im Wahlkampf allgegenwärtig
Die Liebe zur schönen Heimat war im Wahlkampf allgegenwärtig.

Natürlich, die Region um den Landkreis Miesbach ist wunderschön. So schön, dass ihr der Tourismus-Verband in seinem Logo sogar ein Krönchen aufgesetzt hat. Dass dieses so aussieht, als sei es einer pompöösen Kollektion von Harald Glööckler entsprungen, macht ja nichts. Und überhaupt, wer braucht in dieser privilegierten Gegend schon Understatement?

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Tatsächlich scheint hier, in diesem ganz besonders bayerischen Teil des Freistaates, das Wasser der Bergseen in der Sonne schöner zu funkeln, scheinen die Vöglein lieblicher zu zwitschern und die Sterne am Himmel leuchtender zu strahlen. Es ist so einfach, sich dieser Illusion hinzugeben. Man muss sich dafür nur die Nase zuhalten. Damit man die Ausdünstungen des politischen Sumpfes, der links und rechts neben diesen idyllischen Schneisen munter vor sich hin blubbert, nicht riecht.

Gerade die Kommunalpolitiker aber haben dem „Mythos Heimat“ während des Wahlkampfes fleißig, ja geradezu ehrfurchtsvoll gehuldigt. Denn was konnte man nicht alles auf den Flyern und Plakaten lesen: Die einen hatten „Rottach-Egern im Herzen und die Zukunft im Blick“ (CSU), die anderen dafür „Bayern im Herzen und die Region im Sinn“ (FWG). Klingt verblüffend ähnlich? Ist auch so.

Die Heimat wird verkitscht

Man musste schon hinter den sieben Bergen suchen, um etwas Abwechslung zu finden. „Wir können Holzkirchen“, hieß es auf den Prospekten der Olaf-von-Löwis-Kampagne. Das klang schon flotter, aber – zugegeben – auch nicht nach richtigem Deutsch.

Gewiss, es hätte auch noch schlimmer kommen können. Wenn zur Revitalisierung des Erbes von Kaiserin Sisi & König Ludwig unter einem Wahlplakat Jakob Kreidls zum Beispiel „Unser scheena Kini“ gestanden hätte. Aber trotzdem: In diesem Wahlkampf wurde die Heimat derart geherzt und gebusselt, dass sie einem leid tun konnte. Ja, diese unschuldige Heimat, die sich nicht wehren kann, wurde verkitscht und für politische Zwecke vereinnahmt. Es wird höchste Zeit für einen Befreiungsschlag.

Denn kein anderes Wort trifft den Kern dieses Herzschmerz-Wahlkampfs besser. Kitsch, das ist die Ausblendung alles Hässlichen zugunsten einer unreflektierten Hingabe an das vermeintliche Idyll. Und dass im Landkreis Miesbach nicht alles Gold ist, was in der bayerischen Biergarten-Sonne glänzt, sollte in den letzten Monaten, die von politischen Turbulenzen geprägt waren, eigentlich deutlich geworden sein.

Was vermisste man in all den Kampagnen? Ein bisschen Coolness. Und allem voran Selbstironie. Denn an dieser Stelle sollte eines klargestellt werden: Bei uns zu Hause in den Bergen, da ist es zweifellos wunderschön. Doch weniger wegen so mancher Gestalten der Kommunalpolitik. Sondern vielmehr ihnen allen zum Trotz.

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