Wrummm, wrumm! Wer kennt das nicht: Die Sonne scheint, die Vöglein singen, der Nachbar mäht – und vorbei ist es mit der Entspannung. Mag das Schnitzel auf dem Tisch auch noch so lecker sein, der Appetit kann einem durchaus vergehen, wenn einem vom Grundstück nebenan bis zu 70 Dezibel entgegenkommen. Schwierig wird es, dagegen etwas zu unternehmen. In Holzkirchen gibt es keine gesetzlich geregelte Mittagsruhe.
Zwar gibt es eine bundesweit geltende Lärmschutzverordnung, in der Geräte und Maschinen verzeichnet sind, die in bewohnten Gebieten nur zu bestimmten Zeiten benutzt werden dürfen, dennoch müssen sich die Einwohner an die von der Gemeinde erlassenen Satzungen halten.
Sprich: Laut Geräte- und Maschinen-Lärmschutzverordnung dürfen Rasenmäher werktags zwischen 7 Uhr morgens und 20 Uhr abends zum Einsatz kommen, so lange es keine einschränkende Regelung von Seiten der Gemeinde gibt – wie im Falle von Holzkirchen.
Eine Regelung ist nicht ganz einfach
Im Rathaus kennt man die – fast ist man versucht zu sagen ‚leidige’ – Thematik. Geschäftsführer Robert Haunschild erläutert, dass die Sache nicht ganz so einfach sei, denn der Bedarf sei sehr subjektiv. „Natürlich könnte man die Ruhezeiten innerörtlich festsetzen, doch die Frage ist immer: Wie will ich was regeln?“
Jeder habe andere Bedürfnisse, so Haunschild. Ob von 12 bis 14 oder doch von 13 bis 15 Uhr, Recht machen könne man es nie jedem. Eine verbindliche Regelung könne sogar schwierig sein:
Ein Pochen auf’s Recht ist auch problematisch.
Nachbarn könnten sich auf die Vorschrift berufen und gegebenenfalls sogar die Polizei alarmieren. „Ich weiß nicht, ob das wirklich glücklich wäre“, so das Fazit Haunschilds, der sich für den zwischenmenschlichen Dialog und den gesunden Menschenverstand ausspricht – immerhin wisse man, dass man mittags Ruhe geben sollte.
Doch ist es so einfach? Gerade im Hinblick auf eine auch in Holzkirchen nicht selten auffindbare und für Vorstädte so typische „Maschendrahtzaun-Mentalität“ (wir erinnern uns an Stefan Raab)? Ein kleines Fleckchen eigene Wiese kann immerhin heroische Gefühle auslösen: Wenn schon nicht König von Frankreich, so kann man zumindest Herr des Gartens sein. Und mähen, auch wenn die Nachbarn gerade Schnitzel essen.
Lärm ist ein Stressfaktor
Doch Spaß beiseite: Das Thema ist ernst. Wie ernst, erklärt der in Valley praktizierende Arzt Wolfgang Huber: „Lärm ist ein ganz ausgeprägter Stressfaktor.“ Huber spricht vom sogenannten „Sägezahn-Effekt“: Gerade wenn man sich in eine Entspannungssituation begeben möchte und diese durch Lärm unterbrochen wird, zehre dies an den Nerven, jegliche Ruhe sei dahin:
Der Sägezahneffekt kostet viel Lebensenergie.
Gerade in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft, die oftmals unter Dauerstress stehe, sei das Einhalten von Ruhezeiten wichtig. Huber erinnert sich an die Rituale von früher, die er vermisst: Eine Mittagspause von zwölf bis halb drei habe genauso seinen Sinn gehabt wie die Abendruhe ab sieben. „Früher gab es auch am Samstag das Drei-Uhr-Läuten“, erzählt Huber. „Diese alten Regeln waren sinnvoll.“
Heute gibt es in Holzkirchen nicht einmal neue Regeln für mittägliche Ruhezeiten. Dabei kann der Lärm gesundheitliche Auswirkungen haben. „Bei Stress kippt das Immunsystem“, so Huber. Infekte könnten so schwerer abgewehrt werden, auch langfristig könne es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Allergien oder Neurodermitis kommen. „Stressbedingte Krankheiten nehmen immer mehr zu“, weiß der Arzt.
Huber versteht, dass die Toleranz rasenmähenden Nachbarn gegenüber schwerfallen kann: „Oft wartet man und hofft, dass sie aufhören. Aber dann ist die Entspannung schon weg. Da wird einem so mancher Sommertag versaut.“
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