Der Rottacher ist einer von über hundert in Bayern. Auch zwei Frauen sind darunter. Die Rede ist von sogenannten Progradern oder Prokuratoren. Auch genannt: Hochzeitslader. Alexander Lindenbauer ist es bereits seit zwanzig Jahren. Seine „Berufskleidung“ verrät es schon: Ein Hochzeitslader ist quasi der Zeremonienmeister einer traditionellen Hochzeit.
So fing alles an
Dazu passt der grünsamtene Hut, der dunkle Trachtenanzug mit der Weste und der typische Zeremonienstab mit den kirchlichen Farben daran. Auf den Haselnussstecken mit Hirschkrickerl ist der 46-Jährige besonders stolz. Denn er hat ihn von seinem Großvater bekommen. Mit dem Stab, mit lauter Stimme, eisernen Nerven und vor allem guter Laune führt Lindenbauer durch „den schönsten Tag im Leben“.
Das Brautpaar ist legendär und der Höhepunkt.
So betont Lindenbauer. An diesem Tag gehe es nicht um ihn, sondern vor allem um das Paar und dessen Gäste. Da könnten schon mal 600 zusammenkommen, meint er. So wie bei der Doppelhochzeit, die er einmal in Poing begleitet hat. Die Größe sei aber nicht entscheidend. Gut sei es, wenn die richtigen Leut’ zusammenfänden und er selbst es schaffe, den Leuten das Lustige zu vermitteln. Den „Job“ des Hochzeitsladers mache er rein aus Spaß an der Freude, lacht er.
Eigentlich fing alles ganz harmlos an vor zwanzig Jahren: Der Rottacher – genannt Alex – war mit einem Freund auf der Piste. Da kam es zu einer Wette. Hans Matsche – der Freund – wettete mit Alex, dass dieser sich nicht trauen würde, seinen Hochzeitslader zu machen. Dieser hatte laut eigener Aussage inzwischen sechs Halbe getrunken – und hielt dagegen. Wochen später löste er sein Versprechen ein und war Hochzeitslader bei Hans Matsches Hochzeit. „Über 160 Gäste kamen in den Feichtner Hof, das war schon ein bissl aufregend“, erinnert er sich.
Hochzeitslader – gestern und heute
Damals war er 26. Jetzt – zwanzig Jahre und zig Hochzeiten später – macht Alex seine Tätigkeit immer noch genauso gern. Er wird gern „gebucht“. Nicht nur aus dem Tegernseer Tal fragen die Brautpaare an, sondern auch aus dem Chiemgau, bis hinauf nach Hag, Wasserburg – ja bayernweit schätzt man seine gute Unterhaltung. „Wenn heute einer anruft, dann für 2016“, berichtet er.
Eine gewisse Wartezeit müsse man einplanen, wenn man bei Lindenbauer seinen Hochzeitstermin ankündige und ihn als Hochzeitslader dazubitte, rät der Experte. Es könne aber auch sein, dass man eine „Lücke“ in Lindenbauers Terminkalender treffe. „Das ist dann einfach Glück.“
Die Tätigkeit des Hochzeitsladers hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Früher war er noch lange vor der eigentlichen Hochzeit unterwegs, um die Gäste persönlich einzuladen. Dabei war es nebenbei ein Leichtes für ihn, den einen oder anderen Heiratswilligen mit einem passenden Gegenpart zusammenzubringen. Diese Tätigkeit des „Schmusers“ führt der Hochzeitslader von heute nicht mehr aus. Heute agiert er vor allem als Zeremonienmeister für den Hochzeitstag selbst.
Etwa vierzehn Tage vor dem Hochzeitstag trifft er das Paar zur Vorbesprechung, berät aber im Vorfeld bei der Wirtshauswahl oder organisiert auf Wunsch Musiker, die Melodien und Gstanzl. Mit dem Wirt geht er den Tagesablauf durch und instruiert andere Hauptpersonen, etwa die „Ehrmutter“ – die Taufpatin der Braut. Hauptsächlich aber dichtet er. Die Gstanzl, die der Hochzeitslader beim sogenannten „Abdanken“ auf die wichtigsten Gäste vorträgt, gehören zu den Highlights des Tages.
„Der schönste Tag im Leben“ – dank Hochzeitslader
Der Tagesablauf einer Bauernhochzeit ist Lindenbauer mehr als geläufig. Wenn sein Tag beginnt, beim Treffen von „Kranzlpaar“ und Pfarrer an der Kirche, hat das Brautpaar meist schon ein paar Stunden hinter sich. Traditionell beginnt eine Trachten- oder Bauernhochzeit im frühen Morgengrauen. Gute Freunde wecken den Bräutigam, der seine letzte Nacht vor der Hochzeit im Elternhaus verbracht hat, mit Böllerschüssen. Dann gibt es traditionell ein Weißwurstfrühstück.
Unterdessen wird die Braut frisiert und angekleidet. Nachdem man die „Morgensuppe“ eingenommen hat, geht es gegen 9:30 Uhr zur Kirche. Dort wartet das „Kranzlpaar“ – sozusagen die Assistenten des Hochzeitsladers – der Pfarrer, die „Ehrmutter“ sowie der Hochzeitslader selbst auf Brautpaar und Gäste. Nach der kirchlichen Trauung und dem Gräbergang geht es im gemeinsamen Festzug zum Wirtshaus.
Mit Musik zieht man in den Saal – immer organisatorisch unterstützt durch Lindenbauer. Er moderiert auch den ersten Tanz an, den sogenannten „Hungertanz“. Wenn alle wieder sitzen, folgen Tischgebet, Mittagessen und die Vorstellung des Kranzlpaars. Auch das Anschneiden der Hochzeitstorte und ein Gruppenfoto sind fester Bestandteil der Abfolge. „Ich bin immer dabei und schaue, dass alles passt“, so Lindenbauer. Nach Kaffee und Kuchen schließlich folgt das Highlight des Tages, das sogenannte „Abdanken“.
Das „Abdanken“ – Höhepunkt einer jeden Hochzeit
„Ich mache es immer am Nachmittag“, sagt er. Wenn die Braut noch nicht entführt und alle noch nüchtern sind. Die Gstanzl dafür dichtet er alle selbst. Im Vorgespräch mit dem Brautpaar hat er Anekdoten zu den wichtigsten Gästen gesammelt.
Mit spitzer Feder bringt er die lustigen Gegebenheiten auf’s Papier. Bei der Hochzeit wird er die Seiten aus seinem hölzernen Buch vorlesen. Da ist zum Beispiel die Geschichte der Ehrmutter, die an Leonhardi statt Schnaps aus Versehen Spülwasser anbietet. Oder das Missgeschick der Bräutigammutter, die im nicht befestigten Carport parkt und damit runterfällt.
Recht häufig sind es auch Jägergeschichten oder Saufgeschichten oder Geschichten von jungen Mädchen, die sich im Miedergewand im Klo eingesperrt haben, die er dann zu schmunzelnden, kleinen Geschichten zusammenschnürt. Mit solchen lustigen Gegebenheiten gelingt es gut, die Gäste zu derblecken, aber ohne sie peinlich dastehen zu lassen. „Gemeinheiten haben an so einem Tag nichts zu suchen“, so Lindenbauer.
Ich mach’ aus nix viel, aber so, dass alle lachen können, nicht nur ein paar.
Lindenbauer sagt es überzeugend. „Gezielt abdanken“ nennt er es. Und das kommt gut an bei den Hochzeiten. Zehn hat er im Tegernseer Tal bereits begleitet. Weil er einfach gern mit Leuten umgehe und das Organisieren ihm liege, sagt der Rottacher, der eigentlich einmal Bäcker gelernt hat und hauptberuflich Bierfahrer beim Tegernseer Brauhaus ist.
„Ich schätze das Brauchtum“, so beschreibt er seinen Antrieb. Die Gäste danken es ihm nach dem „Abdanken“ mit echten Lachern und ehrlichem Applaus. Dann werden sie sich bei Wein und Musik amüsieren. Die Braut wird entführt werden. Das Abendessen wird schmecken. Dem Brautpaar werden beim „Schenken“ die Umschläge mit Geldscheinen zugesteckt. Schließlich wiegt man sich bei den „Ehrtänzen“ im Takt. Das Brautpaar, die Eltern, die Ehrmutter mit dem Hochzeitslader, dann Tauf- und Firmpaten, Großeltern, Geschwister, Onkel und Tanten, Cousinen und Cousins.
„Die letzte Stunde gehört der Musi“, beschreibt Lindenbauer den Ausklang eines langen, aber meist erfüllenden Tages. Eines Tages, der unter der Regie des Hochzeitsladers gelaufen ist. Und der gegen Mitternacht zu Ende geht, wenn das Brautpaar nach Hause geht.
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