Restaurantwerbeblättchen gibts genug im Tal. Wir wollten aber einen Experten, einer, der auch vor Kritik nicht zurückschreckt – und haben einen einheimischen Feinschmecker gefunden. Er bleibt anonym, testet fortan für uns örtliche Restaurants und vergibt Seesterne.
Ein Tauchgang mit dem Seeteufel
Im Tegernseer Tal gibt es mehr als nur idyllische Landschaften, Berge und einen klaren See. Es ist eine Region, die auch kulinarisch einiges zu bieten hat – mitunter eine wahrhaftige Sinneserfahrung für Feinschmecker und Genießer. Als „Seeteufel“ tauche ich in die Welt der lokalen Gastronomie ein, bereit, für Sie, liebe Leserinnen und Leser, die Höhen und Tiefen der heimischen hiesigen Küche zu erkunden und darüber zu berichten. Begleiten Sie mich monatlich auf ein kulinarisches Abenteuer, während ich von einem Kochtopf zum nächsten reise, Ihnen meine ehrlichen Eindrücke und Empfehlungen präsentiere. Möge mein Gaumen mutig und meine Worte treffend sein. Gehen Sie mit mir auf eine Reise voller Geschmack, Genuss und vielleicht auch Überraschungen! Heute:
Haubentaucher – Ein Blick unter die Haube
Wir fangen oben an: Und zwar hier, in der Welt des Alois Neuschmid oder, wie ihn die meisten kennen, dem „Lois“. Der gebürtige Tiroler ist kein waschechter „Hiasiger“, inzwischen kann man ihn aber schon getrost als Einheimischen bezeichnen. Erst kürzlich wieder mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, gefällt mir neben der gebotenen Kulinarik die fantastische Lage mit direktem Seeblick, die unprätentiöse und entspannte Atmosphäre des kleinen, aber feinen Restaurants in der Rottacher Seestraße.
Aufgrund eines privaten Anlasses hatte ich bereits vor etlichen Wochen einen Tisch reserviert. Schon bei der Reservierung ist man sensibilisiert: Es wurde freundlich nachgefragt, ob gewisse Unverträglichkeiten oder Allergien bei meinem Gast und mir bestehen. Es gibt zwei Reservierungsoptionen für das Überraschungsmenü am Abend: um 18 Uhr und 20 Uhr. Für die Gäste der früheren Stunde ist es jedoch nicht erforderlich, wie man mir am Telefon versicherte, das Lokal bereits um 20 Uhr zu verlassen, damit die nächsten Gäste Platz finden. Die zwei „Schichten“ sind allein der räumlichen Enge in der Küche geschuldet, damit die verschiedenen Gänge entsprechend angerichtet und vorbereitet werden können.
Das Überraschungsmenü im Haubentaucher besteht in der Regel aus vier Gängen, wobei Lois aus fast jedem Gang zwei macht, bei der die Hauptkomponente Fisch oder Fleisch unterschiedlich zubereitet wird. Da es im Haubentaucher keine Speise- oder Menükarte gibt, bitte ich jetzt schon bei Lois und seinem Team um Nachsicht, falls ich die folgenden Gerichte falsch tituliert haben sollte.
18:00 Uhr: Eine Restaurantleiterin begrüßt uns mit einem freundlichen Lächeln, führt uns zu einem wunderbaren Zweiertisch an der großen Fensterfront, die den Blick über die Egerner Bucht freigibt. Das Ambiente der ehemaligen Bootshütte bietet einen lässigen Hauch von Boho-Style. Holztische kombiniert mit Vintage-Stücken und türkisfarbenen Akzenten bei Kissen und Sitzauflagen verleihen dem Ort eine lässige und entspannte Gemütlichkeit. Das Publikum im Restaurant könnte man als gemischt bezeichnen; neben den üblichen hochdeutsch sprechenden Neubürgern und etlichen Urlaubsgästen gesellten sich auch die ein oder anderen Einheimischen dazu unter die Gäste. So hatten wir auch gleich nicht mehr den akustischen Eindruck, mitten in Düsseldorf-Golzheim, Neuss oder Duisburg gelandet zu sein.
Das abendliche Glitzern auf dem Wasser, das atemberaubende Panorama entfachten dann selbst in uns „Aborigines“ den Zauber und die Magie des Moments. Als das Tageslicht fast verblasste, tauchte dann noch der tierische Namenspatron des Restaurants vor der Fensterfront auf und zog majestätisch seine Bahnen, bevor er wieder in den Tiefen des dunklen Sees verschwand. Für all diejenigen, die dazu gerne genauere Tierstudien betreiben möchten, findet sich auf dem Wein-Klimaschrank des Lokals ein ausgestopftes Exemplar eines Haubentauchers.
Unsere kulinarische Reise begann mit einem Aperitif – einem Cava Rosé, der unsere Geschmacksknospen auf das Kommende einstimmte. Es kam der ‘Gruß aus der Küche’, eine kleine Praline aus Ziegenfrischkäse mit einer Haube aus würzigem Käse. Ein Gaumenkitzler, der Lust auf mehr machte. Der erste Gang war ein mariniertes, leicht abgeflammtes Zanderfilet, auf einem Eiszapfen (weißer Rettich), auf dem unterschiedlich gepickelte Radieschen drapiert waren. Begleitet von einer köstlichen Sauce aus Molke und Dill-Öl, die der Chef persönlich auf den Tellern angoss. Was für ein gelungener Start und Fest für die Sinne. Auf die angebotene Weinbegleitung haben wir verzichtet und uns stattdessen eine Flasche Weißwein – einen ‘Federspiel’ aus der Wachau – gegönnt, der uns mit einer fruchtbetonten Note und erfrischenden Säure durch den Abend begleitete. Beim zweiten Teil des ersten Gangs gab es ein perfekt gebratenes Stück Zander, platziert auf Beluga-Linsen und Spitzkohl. Ein Morchel-Schäumchen vollendete das Geschmackserlebnis. Die Aromen entfalteten sich auf der Zunge, und für einen Moment vergaßen wir die Welt um uns herum. Weiter ging es mit einer Symphonie der Aromen und Texturen: ein fluffiger Spinat-Eier-Stich mit pochierten Wachteleiern, Spinatblättern und knusprigen Pommes Soufflé. Die Sherry-Morchelsauce verband die Elemente zu einem harmonischen Ganzen.
Dann kam der Luxus: Rote Beete mit Kartoffel-Krapfen, begleitet von einer Beurre blanc und einem Sauerrahm Espuma. Der Küchenchef setzte einen großen Löffel Kaviar auf das Gericht – ein dekadentes Detail, das den Feinschmecker in uns jubeln ließ. Der Hauptgang war wieder ein Duett: Zarter Lammrücken mit Miso-Hollandaise, dazu dreierlei von der Aubergine – geräuchert, gratiniert und gepickelt. Die naturbelassene Jus rundete das Geschmackserlebnis ab. Doch das Highlight war die perfekt gegarte Lammschulter mit Kräuter-Jus und Pommes de terre – ein klassisches Gericht, das uns mit seinem Purismus und absoluter Produktqualität verzauberte.
Der Service war bis dahin stets aufmerksam und freundlich, erst als es 20 Uhr wurde, und somit die zweite Reservierungsoption eintraf, flaute die Aufmerksamkeit der Servicekräfte etwas ab. Der Laden war jetzt schließlich voll besetzt. Für den Abschluss des vierten Gangs durften wir wählen, ob wir lieber ein Dessert oder eine Auswahl an Käse wünschten. Wir entschieden uns für die süße Variante: Ein Topfenschmarrn mit Minz-Sorbet und mariniertem Rhabarber, eine köstliche Kombination, die mit ihrer erfrischenden Säure eine perfekte Balance zum süßen Topfenschmarrn abgab. Und dann noch das Rhabarber-Sorbet auf Baumkuchen mit abgehangenem Topfen, Baiser und einem Rhabarber-Sud – ein perfekter Abschluss für ein großartiges Menü und einen wunderbaren Abend.
Fazit:
Die gebotene Kulinarik im Haubentaucher mit Küchenchef Alois Neuschmid war zweifellos ein Highlight für alle Sinne. Das saisonal sorgfältig zusammengestellte Menü, die kunstvoll präsentierten Gerichte und die herzliche, entspannte Atmosphäre des Restaurants machen es zu einem unvergesslichen gastronomischen Ziel im Tegernseer Tal. Jeder Gang bot eine perfekt abgeschmeckte und zubereitete Variante.
Seesterne-Urteil:
Essen: Viereinhalb Sterne
Ambiente: Vier Sterne
Service: Vier Sterne
Empfehlung:
Für echte Feinschmecker und Gourmets, die bereit sind, für ein unvergessliches kulinarisches Erlebnis etwas tiefer in die Tasche zu greifen, ist der Haubentaucher im Tegernseer Tal definitiv eine Empfehlung. Hier erwartet Sie eine Reise durch die kulinarische Vielfalt unserer bayerischen Heimat, die in bester Erinnerung bleiben wird.
Hinweis der Redaktion: Das Urteil unseres Seeteufels wird unabhängig und ohne Zuwendungen der Restaurants gefällt.
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