Der Traum von Tom’s Café

Sie haben gut lachen, die Mitarbeiter von Toms Café. Denn für die Schüler mit geistiger Behinderung bietet das Inklusions-Projekt einen guten Start in eine bessere Zukunft. Seit 2010 engagiert sich die Grafikerin Ute Henking ehrenamtlich dafür. Doch ihr größter Wunsch ist noch nicht in Erfüllung gegangen.

Inmitten des Teams von Toms Cafe steht Gründerin mit ihrem Sohn
Inmitten des Teams von Toms Café steht Initiatorin Ute Henking mit ihrem Sohn Niko

Niko bedient bedächtig die Kaffeemaschine, Ludwig beobachtet mit großen Augen das Waffeleisen, Naomi balanciert ein Tablett mit Kaffee, Tee, O-Saft und Brötchen durch das quirlige Gewusel hinter dem Tresen. Rund zwanzig Menschen sitzen in dem lichtdurchfluteten Raum der ehemaligen Thomas-Kirche. Soweit scheint alles wie ein ganz normales Café, in dem Frühstück serviert wird.

Doch Toms Café in der Holzkirchner Haidstraße ist etwas Besonderes. Von den acht bis zehn Personen, die sich hinter der Theke drängeln, sind die Hälfte Praktikanten der Anton-Weilmaier-Schule in Hausham. Ungewöhnlich ist, dass es sich bei ihnen um geistig-behinderte Schüler handelt.

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Niko, Ludwig, Lisa, Naomi und die anderen kommen zum Praktikumstag einmal wöchentlich mittwochs in Toms Café. Manche sind schüchtern und arbeiten im Hintergrund, in der Kaffeeküche. Andere sind mutiger und erfahrener. Sie bereiten die Getränke oder die Waffeln vor. Die 16- jährige Naomi, die vorher schon ein paarmal eingesprungen ist, bewegt sich sicher mit ihren Tabletts durch die Tische und schäkert ein wenig mit den Gästen: „Ich bediene die Gäste gerne und mag es, mit ihnen zu reden.“

Berührungsängste abbauen

Begegnungen und Kommunikation zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen zu fördern, ist die Grundidee von Toms Café. Natürlich sollen die Schüler lernen, wie wichtig Disziplin oder Hygienevorschriften sind. Im Zentrum aber steht das Konzept „Ängste abbauen“. Und zwar auf beiden Seiten: bei den geistig behinderten Mitarbeitern und bei den Gästen.

„Viele unserer Mitarbeiter trauen sich anfangs gar nicht an die Tische“, erläutert Ute Henking. Sie ist Initiatorin von Toms Café und Mutter des 18-jährigen Niko mit Down-Syndrom. Mit viel Geschick und Geduld führen sie und die anderen ehrenamtlichen Helfer die jungen Menschen an ihre Aufgaben heran und bauen sie langsam auf. „Viele gewinnen durch die Begegnungen mit den Gästen erstaunlich schnell an Selbstvertrauen“, freut sich Henking. Wichtig sei, dass die Mitarbeiter sich in einer realen Lebenssituation beweisen könnten.

Umgekehrt sollen auch die Gäste lernen, ihre Berührungsängste abzubauen. Behinderung bedeute ja nicht, dass man ständig traurig ist, so die ehrenamtliche Projektleiterin. Sie möchte, dass die Gäste lernen, mit den behinderten Schülern ganz normal umzugehen. Und sie hat gute Erfahrungen damit gemacht. „Wenn Tobi gelächelt hat, dann ist einem einfach das Herz aufgegangen“, erzählt sie von einem ehemaligen Mitarbeiter.

Traum von einem „richtigen“ Café

Durch ihren Einsatz hat Ute Henking schon einiges in Holzkirchen bewegt. So hat sich das Forum Inklusion gebildet. Hier engagieren sich Therapeuten, Eltern und auch Politiker wie Elisabeth Dasch (SPD), die zweite Bürgermeisterin. „Unser Traum ist ein richtiges Café, in dem die Behinderten angestellt sind“, schwärmt Henking. So etwas gäbe es bereits. Das Team hat bereits die Fühler ausgestreckt und erste Kontakte mit der Gemeinde angebahnt.

Doch der Weg, die geistig behinderten Schüler in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, ist noch lang und steinig. Verantwortungsvolle Aufgaben wie Kassieren könne nicht jeder übernehmen. Jedoch merkten die Betroffenen schnell, dass sie durch die Arbeit im Café eine Chance haben, im „normalen“ Leben Fuß zu fassen, so Nicos Mutter. Viele genössen die Anerkennung und wüchsen regelrecht über sich selbst hinaus.

Am Morgen war noch nicht viel los. Doch das Cafe ist in der Regel gut besucht
Am Morgen war noch nicht viel los. Doch das Café ist in der Regel gut besucht

Ohne Unterstützung von freiwilligen Helfern funktioniert so ein Projekt nicht. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter haben zum Teil selbst Erfahrungen mit behinderten Familienmitgliedern. Andere möchten sich sozial engagieren oder Kontakte knüpfen. „Auch die Ehrenamtlichen müssen lernen, nämlich dass wir alle an einem Strang ziehen müssen“, berichtet die Hauswirtschaftslehrerin Klara Wude, „zum Beispiel wenn es mal langsamer geht“.

Langsamer – dafür mit einem Lachen

Deshalb sind die Preise geringer. Für manche Gäste ist das ein Grund zu kommen. Es ist aber auch das angenehme Ambiente, die schöne farbliche Gestaltung der Tische und „dass alles mit Herzblut gemacht ist“, so Sandra Lehmann, die mit ihren Yoga-Schülerinnen regelmäßig nach dem Kurs zum Frühstücken kommt. In das barrierefreie Café kommen auch „normale“ Gäste, Senioren der Regens-Wagner-Stiftung oder Anton Grafwallner, der Behindertenbeauftragte des Landkreises.

„Ich arbeite gerne mit behinderten Menschen, weil ich ihr Lachen mag“, antwortet Naomi auf die Frage, warum sie hier arbeitet. Die 16-jährige hat „nur“ eine Lernschwäche und möchte Kinderpflegerin werden.

Sie hat gut lachen. Bleibt zu hoffen, dass Bürger und Gemeinde ihr Herz weiterhin für die Inklusion öffnen und dazu beitragen, den Traumfaden von Toms Café weiter zu spinnen.

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