Ortsfremden kommt Holzkirchen manchmal vor wie eine Staatsstraße mit Randbebauung. Zu den Stoßzeiten morgens und abends wälzt sich eine Blechlawine durch die Marktgemeinde und raubt den Holzkirchnern damit jeden Tag ein Stück Lebensqualität. Die Anzahl der Einwohner wächst stetig und mit ihr auch das Verkehrsaufkommen.
Ganz klar für die Verwaltung: ein „Integriertes Mobilitäts- und Ortsentwicklungskonzept“ muss her. Dieses unverständliche Wort-Monstrum sollen in einem zweitägigen Arbeitsmarathon zufällig ausgewählte Holzkirchner mit Leben füllen. So saßen auf Einladung von Bürgermeister Olaf von Löwis und des Gemeinderates heute früh 25 Holzkirchner im großen Sitzungssaal des Rathauses, um in Arbeitsgruppen die Verkehrsplanung für Holzkirchen mit zu gestalten.
Für die nächsten 20 Jahre …
Zwei Tage dauert der Workshop und könnte, so die Hoffnung einiger, Holzkirchens Entwicklung für die nächsten 20 Jahre prägen. Olaf von Löwis erklärte gleich zu Beginng, dass heuer mit dem Bürgergutachten auf eine Tradition aufgebaut werde, die bereits in den vergangenen Jahren in erheblichem Maße zur Entwicklung der Gemeinde beigetragen habe.
Man habe sich zur Vorbereitung des Bürgergutachtens Experten ins Boot geholt, die statistische Untersuchungen Vorort erstellt und daraus Empfehlungen erarbeitet hätten. Diese gelte es nun zu diskutieren, um daraus abzuleiten, was die Gemeinde zukünftig umsetzen kann. Man wolle nicht mehr reagieren, sondern die Entwicklung der Gemeinde aktiv gestalten, so von Löwis an die Bürger gewandt:
Sie sind unser Kreativ-Büro.
Die Verantwortung für Kinder und Kindeskinder sei groß. Und so dürfe man auch vor unbequemen Entscheidungen nicht zurückschrecken. Dabei ist das Bürgergutachten kein stumpfes Schwert, wie Karl Herbst von der Bauamtsverwaltung erklärte.
Bereits im Zeitraum 2005-2006 hatte es eine Stadtplanungsinitiative mit einem Bürgergutachten gegeben. Daraus hervorgegangen sei ein 140 Seiten starkes Handbuch mit acht Handlungsfeldern. Seit elf Jahren sei man dabei die Punkte kontinuierlich abzuarbeiten. Herbst führte den anwesenden Holzkirchnern exemplarisch vor Augen, welche Projekte auf das vorherige Bürgergutachten zurückzuführen seien.
Was bedeutet „Integriertes Mobilitäts- und Ortsentwicklungskonzept“?
In den kommenden zwei Tagen beschäftigen sich die Arbeitsgruppen damit gemeinsam Ideen zu entwickeln, um die Lebensqualität in Holzkirchen zu erhöhen. Dabei sehen sich die Bürgerinnen und Bürger nicht nur den Verkehrsfluss an und wo was gebaut wird.
Ein wichtiger Teil eines Ortsentwicklungskonzeptes beinhaltet auch den Raum dazwischen, die Leerflächen, Plätze, Parks und Begegnungsstätten wie Cafés und Spielplätze. Mit diesem Thema hatte sich Manuela Skorka, Stadtplanerin, beschäftigt. Um ihre Präsentation mit etwas positivem zu beginnen, erklärte sie, dass die Ruheräume im Ortsgebiet gut verteilt sind.
Aber die Grünflächen sind zu wenig, zu klein und haben keine Verbindung.
Skorka hat eine Vision von etwas, das sie „grüne Perlenschnüre“ nennt: Über breite Wege verknüpfte Grünanlagen, die vom Ortskern in das Holzkirchner Umland führen. Dafür seien drei Maßnahmen nötig: das Aufwerten der bisherigen Grünflächen durch themenbezogene Spielplätze wie zum Beispiel eine Ritterburg, das Aufstellen von Sportgeräten, einen Klanggarten oder auch öffentliche Grillplätze. Danach müssten die bestehenden Flächen um weitere ergänzt und zu guter Letzt mit gut sichtbarer Führung durch breite Wege oder besondere Beleuchtung verknüpft werden.
Viele Autos in Holzkirchen
Dr. Ralf Kaulen hat sich mit seinem Team im vergangenen Jahr den Verkehrsfluss in Holzkirchen genauer angesehen. Eine Feststellung ist für ihn besonders deutlich:
Holzkirchen ist ein KFZ-dominierter Raum.
Das würde auf den Straßen mit den Blechlawinen am ehesten deutlich. Aber auch die Freiflächen seien durch die Autos belegt. “1 A”-Lagen seien zu asphaltiert und als Parkplatz durch Autos belegt. Die Verkehrswege seien für Autos optimiert: Für die gebe es Linksabbieger-Spuren, für Fußgänger lange Wartezeiten an den Ampeln.
Fahrradfahrer würden auf die zum Teil ohnehin engen Fußwege ausweichen, weil sie es auf den Straßen mit der Angst zu tun bekämen. Zwei Drittel aller Wege würden laut Umfrage mit dem Auto zurückgelegt. Kaulen sieht daher in Holzkirchen drei Hauptziele:
Die Holzkirchner müssten sich entscheiden: Wollen sie einen Lebensraum oder einen Verkehrsraum gestalten. Auch hier sei Nachhaltigkeit von Nöten. Viele Ziele ließen sich erst in zehn bis 20 Jahren realisieren. Aufgrund des demografischen Wandels seien dann aber die Verkehrswege auch für ältere Bürger und ihre Bedürfnisse anzupassen.
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