Der Wächter des Wehrs

Der Artikel zum Schuhmacherwehr am vergangenen Freitag hat Wellen geschlagen. Die Anlieger sind verärgert, fühlen sich nicht genug aufgeklärt. Florian Kohler, Geschäftsführer der Büttenpapierfabrik, wurde laut eigener Aussage am Wochenende mit Anrufen besorgter Bürger überschwemmt. Der eigentliche „Wächter“ des Wehrs, Thomas Bauer, versucht derweil zu erklären, warum der See vergangene Woche so langsam abfloss.

Etwa sieben große Zuflüsse hat der Tegernsee. Die Mangfall ist mit dem Schuhmacher-Wehr der einzige Abfluss des Sees. Das Wehr verfügt über drei verschiedene Wege, das Wasser aus dem See zu transportieren. Dazu gibt es eine 38 Meter lange Überfallbreite. Hier werden bei zunehmender Wasserhöhe zwölf kleine Holzbretter umgelegt, die dazu beitragen, dass das Wasser schneller darüber fließen kann.

Dieser zusätzliche Wasserabfluss durch das Umlegen der Bretter ermöglicht jedoch trotz der Breite nur eine sehr geringe Mehrmenge an Wasser aus der Mangfall zu transportieren. Des Weiteren gibt es zwei Turbinen, die das Wasser aus dem Fluss ziehen und Strom erzeugen. Auch hier ist noch nicht die maximale Abflussstärke erreicht. Das meiste Wasser fließt nämlich durch den sogenannten Freischuss ab, der bei Hochwasser geöffnet wird.

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Soweit die Theorie. In der Praxis sah das Ganze bei den starken Regenfällen in der vergangenen Woche etwas anders aus. Das Tegernseer Seefest musste komplett abgesagt werden, die Feuerwehr hatte zu tun, um vollgelaufene Keller auszupumpen und kleinere Schäden zu beheben. Die Angst bei den Seeanliegern stieg beim Gedanken an das verheerende Hochwasser im Juni 2013. Und es stellte sich vor allem am Freitag – einen Tag nach dem Ende der Regenfälle – die Frage, warum der See so langsam abfloss. Stege und Bootshütten standen deutlich länger unter Wasser als üblich.

Abflussmenge nicht beeinflussbar

Der erste Gedanke vieler Bootshüttenbetreiber war das Gmunder Schuhmacher-Wehr, der einzige Ablauf des Tegernsees. Eine Turbine sei ausgefallen, verschiedene Bretter wären nicht umgelegt und würden damit den Abfluss behindern, so die Vermutungen. Eine frühere Öffnung des Wehrs sei unumgänglich.

Auch Josef Grieblinger, Bootsverleiher in Bad Wiessee und Vorsitzender der Vereinigung der privaten Schifffahrtsunternehmer, sprach sich auf Anfrage der TS für eine frühere Öffnung des Wehrs aus. Den Schleusenwarten in Gmund machte Grieblinger aber keine Vorwürfe: „Die haben ihre Vorschriften“, sagt er. Außerdem sei beim Schumacher-Wehr derzeit die zweite Turbine defekt, weshalb der zweite Kanal nicht geöffnet werden könne.

Thomas Bauer und Florian Kohler klären das Unverständnis rund um das Schuhmacherwehr auf
Thomas Bauer und Florian Kohler nehmen Stellung zu den Vermutungen rund um das Schuhmacher-Wehr.

Bei anderen Seeanliegern kochten derweil die Emotionen hoch. Die Büttenpapierfabrik als Betreiber des Wehrs habe das Wasser bewusst aufgestaut, um mehr Strom produzieren zu können, lautet eine Vermutung, die auch am gestrigen Montag immer wieder geäußert wurde.

Doch der Geschäftsführer der Gmunder Büttenpapierfabrik will von den Gerüchten in der Bevölkerung nichts hören, sondern aufklären. „Wir können nicht beeinflussen, wie viel Wasser abfließt, sondern nur wie schnell es abließt“, betont Florian Kohler im Gespräch. Sein Unternehmen habe einen sogenannten Genehmigungsbescheid vom Wasserwirtschaftsamt erhalten, in dem genau festgehalten ist, wie man sich bei steigendem Pegel zu verhalten habe.

Überfallbreite nicht ausschlaggebend für Abfluss

Thomas Bauer, ein Mitarbeiter der Papierfabrik, ist der Mann, der für das gesamte Wehr zuständig ist und bei Hochwassergefahr alles Nötige in die Wege leitet. Schon am Mittwoch vergangener Woche, so Bauer, habe er den Freischuss geöffnet, obwohl man noch rund 20 Prozent unter der ersten Warnstufe gelegen habe.

Am Donnerstag früh wurden dann die Bretter der Überfallbreite umgeklappt. Drei der zwölf Bretter waren aber defekt und konnten somit nicht bedient werden. Erst am Samstag, als die Mangfall weniger reißend war, konnte Bauer auf das Wehr steigen und die Bretter per Hand nach unten klappen. Auf der Pegelmessung im Schmerold, weit hinter der Büttenapierfabrik, sei jedoch zu sehen gewesen, dass das Umklappen keinerlei Auswirkungen auf den Pegelstand des Sees hatte. Ganz im Gegenteil, der See stieg weiter an, sagt Bauer.

Hier kann man sehen, dass nach dem Umklappen der Bretter, der See weiterhin gestiegen ist
Hier kann man sehen, dass nach dem Umklappen der Bretter der Wasserabfluss zugenommen hat, Seepegel dennoch weiterhin angestiegen ist.

Die Hinweise von Anliegern, dass eine der beiden Turbinen defekt sei, konnte Kohler hingegen bestätigen. „Beim Hochwasser 2013 ist diese Turbine kaputtgegangen.“ Aktuell sei die Büttenpapierfabrik dabei, sie instandzusetzen. In rund zehn Tagen solle sie wieder in Betrieb gehen.

Doch auch eine funktionierende zweite Turbine würde keinen allzu großen Unterschied machen, betont Kohler. Auch die Vorwürfe, die Büttenpapierfabrik halte das Wasser zurück, um die Turbinen effektiver zu betreiben, weist der Unternehmer zurück.

Bei Hochwasser produzieren wir viel weniger Strom, weil weniger Gefälle vorhanden ist.

Für die Fabrik bedeutet der Ausfall der Turbine trotzdem einen großen Verlust. Rund 30 Prozent des benötigten Stroms produziert eine der Turbinen im Durchschnitt. Und auch sonst sieht Kohler keinerlei Anlass, absichtlich Wasser aufzustauen. „Wir haben hier den größten Schaden und investieren große Summen in den Hochwasserschutz.“

Zudem erklärt Thomas Bauer, sozusagen die ausführende Kraft des Rosenheimer Wasserwirtschaftsamts, dass außerdem sein Privathaus direkt an der Mangfall stehe. Er habe im Falle einer Aufstauung den größten Schaden. Darüberhinaus erklärt er:

Wir sind nicht das Wehr vom Tegernsee. Wenn das Wasser bei uns ankommt, ist es schon rausgeflossen.

Wenn es ein Wehr direkt am See gäbe, könnte man den Pegel wahrscheinlich besser beeinflussen, so Bauer. Aber das sei die Angelegenheit des Wasserwirtschaftsamts. Abschließend erklärt Kohler: „Ein neues Wehr wollen wir eigentlich nicht, weil wir es so idyllischer finden. Aber sollte ein neues Wehr kommen, weil es wassertechnisch besser ist, werden wir natürlich nichts dagegen machen.“

Ob das neue Wehr tatsächlich helfen könnte, den Pegel des Sees besser zu steuern, ist allerdings umstritten. Bauer vermutet, dass das der Fall wäre. Und auch das Wasserwirtschaftsamt betont immer wieder, dass ein neues Wehr vor allem den Anliegern helfen würde. Manche sehen das anders und haben vor fast genau einem Jahr eine Initiative gegründet, um das neue Wehr zu verhindern.

Karl-Heinz Barth vom Prasserbad in Rottach-Egern würde sich jedenfalls wünschen, dass etwas anders läuft. Sein Bootssteg sei durch das Hochwasser erneut schief und krum. „Jetzt muss ich warten, bis das Wasser ganz abgeflossen ist, um den Steg zu reparieren.“ Wie lange das am Ende dauern wird, darauf hat derzeit nur das Wetter Einfluss, denn das Wehr ist derzeit komplett geöffnet.

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