„Preissteigerungen erreichen Bauern kaum“

Milchprodukte sind in der vergangenen Zeit teurer geworden. Und auch die Bauern bekommen jetzt mehr Milchgeld. Das merkt auch Hans Leo von der Naturkäserei Tegernseer Land. Er kennt die Sicht als Vertriebler, denn er ist der Chef der „Kaserei“.

Dabei ist Leo kein „Technokrat“, sondern nah dran am Produkt. Neben seinem Job als Geschäftsführer führt er mit seiner Familie einen kleinen Milchviehbetrieb in Kreuth. Leo bedauert, dass die Preissteigerungen der Molkereiprodukte nur marginal bei den Bauern ankommen.

Der Preis der Milch hängt unter anderem auch von der gemolkenen Milchmenge ab.
Der Preis der Milch hängt unter anderem auch von der gemolkenen Milchmenge ab.

Molkereiprodukte sind preislich von einem Aufwärtstrend ergriffen worden. Davon kann man sich selbst überzeugen, wenn man die Preise im Laden regelmäßig verfolgt. Die jeweils aktuellen Stände notiert die Süddeutsche Butter- und Käse-Börse in Kempten. Am 26. Juni beispielsweise betrug der Kilopreis für geformte Markenbutter in 250-Gramm-Form 4,04 bis 4,14 Euro.

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Doch auch der Preisindex, den der Milchindustrie-Verband regelmäßig verfolgt, ist über Jahre hinweg ansteigend. Lag er bei den Verbraucherpreisen für Molkereiprodukte und Eier im Jahr 2000 noch bei 95,7, so ist er bis zum Jahr 2011 auf 110,7 angestiegen. Die Erzeugerpreise sind zwar ebenfalls gestiegen – bei Milch und Milchprodukten von 102,1 auf 118,1. Doch die Veränderung war lange nicht so stark wie bei den Verbraucherpreisen.

Milchpreis richtet sich nach dem Weltmarkt

„Die Preissteigerungen kommen bei den Bauern kaum an“, erklärt Hans Leo die Abläufe auf dem „herkömmlichen Milchmarkt“. Bevor es die Naturkäserei gab, lieferte Leo ebenfalls an andere Molkereien. Mit dem eigenen Betrieb, der als Genossenschaft organisiert ist, kamen die Alternativen.

Heute haben die Bauern aus dem Tegernseer Tal theoretisch die Wahl, wo sie ihre Milch hinliefern: 20 Bauern liefern an die Naturkäserei, die weiteren an die Andechser Molkerei Scheitz (65 aus dem Landkreis), an die Bio-Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau, die Molkerei Weihenstephan (17 aus dem Landkreis), die Bergader Privatkäserei Waging (399 aus dem Landkreis) oder den Molkereivertrieb Miesbach.

Die Milchpreise, die die Bauern für ihre „weiße Ware“ bekommen, wird bestimmt durch den Markt. Dabei haben Wetter, aber auch Produktionsausfälle, hervorgerufen durch Tierseuchen, wie auch der Dollar-Kurs Auswirkungen. Johann Krautenbacher, Leiter der Milchbeschaffung bei der Molkerei Bergader, erklärt:

„Der Preis, den die Bauern bekommen, richtet sich nach dem, was für das fertige Produkt erzielt werden kann, und danach, wie sich insgesamt Angebot und Nachfrage nach Milch und nach Milchprodukten entwickeln.“

Die vergangenen Jahre waren „weltmarktmäßig“ schwankend, aber insgesamt ansteigend. Preise für Milchprodukte zogen im Lauf von 2010 an. Bereits in der zweiten Hälfte von 2009 hatte die Erholung begonnen, nachdem es Ende 2008 zum Einbruch gekommen war.

Jede Molkerei beschäftigt eigene Milchfahrer ‒ hier der Wagen der Molkerei Bergader.

In der zweiten Jahreshälfte von 2011 kam der Preisanstieg wieder zum Stillstand, und die Preise gaben nach. Sie bewegten sich aber weiter deutlich über ihrem langjährigen Durchschnitt. Besonders stark ausgeprägt war der Preisanstieg 2010 bei Milchfett. Die Butterpreise am internationalen Markt erreichten zu Beginn 2011 eine historische Höchstmarke von über 5.000 US-Dollar pro Tonne.

Das bekommen die Bauern im Tal

Aktuell bekommen die Milcherzeuger im Tegernseer Tal für das zweite Quartal pro Kilogramm Milch mit 4,2 Prozent Fett von der Bergader Molkerei einen Bruttomilchpreis von 41,68 Cent pro Liter. Vergangenes Jahr galt: Im bayerischen Durchschnitt wurde für konventionelle Kuhmilch 33,40 Cent ausbezahlt. Wie hoch der jeweilige Preis bei wem ist, darin üben sich manche Molkereien in Verschwiegenheit.

Die Molkerei Weihenstephan beispielsweise schreibt unserer Redaktion auf Nachfrage: „Die Milchpreise sind Vertragsbestandteile, die wir prinzipiell vertraulich behandeln. Allerdings können wir sagen, dass wir vertraglich garantiert einen Auszahlungspreis über dem Durchschnitt der Region bezahlen.“

Andere verarbeitende Betriebe gehen ganz offen mit den Preise um: das meiste Geld bekommen Bauern zurzeit bei der Andechser Molkerei Scheitz ‒ 49,30 Cent brutto für Bio-Milch ‒ oder bei der Naturkäserei Tegernseer Land. Dort werde laut Hans Leo 51,52 Cent brutto pro Liter Heumilch bezahlt.

Vertrieb über den Handel oder direkt

Häufig sind Vertrieb und Preisgestaltung das Zünglein an der Waage. Wenn Produkte nämlich teurer werden, muss der Verbraucher noch genauer überlegen, wie viel er sich davon leisten kann und will. Mancher Preisanstieg muss deshalb mit einem Rückgang bei der Nachfrage „bezahlt werden“, was wiederum zu einem Überangebot in den Regalen führt.

Bei den Molkereien der Region ist der Vertrieb überall unterschiedlich geregelt. Bei der Andechser Natur Bio-Produkte läuft dieser über den Großhandel in die einzelnen Naturkostfachmärkte, oder man findet die Produkte im gut sortierten Lebensmitteleinzelhandel. Johann Krautenbacher ist zufrieden mit dem Vertrieb seiner Bergader-Produkte.

„Im Markengeschäft sind Zuwächse zu verzeichnen, besonders die Marke Bergader Bergbauern mit der Milch aus dem Landkreis Miesbach hat sich sehr gut entwickelt. Dazu ist es allerdings notwendig, dass viel Geld in die Werbung, vor allem auch in Fernsehwerbung, gesteckt wird.“

Dagegen ist der Molkereivertrieb Miesbach keine Molkerei im eigentlichen Sinne, sondern ein Lebensmittelgroßhandel, der bereits fertig produzierte Waren an seine Kunden ‒ Kantinen, Großhändler, Altenheime, Schulen, italienische und deutsche Gastronomie ‒ ausliefert.

“Qualität hat ihren Preis”

Naturkäserei-Chef und Bauer Hans Leo kennt die Sicht des Vertriebs und des Erzeugers.
Naturkäserei-Chef und Bauer Hans Leo kennt die Sicht des Vertriebs und des Erzeugers.

Auch in der Naturkäserei hängt der Preis vom Markt ab. Meist zweimal im Jahr stehen Preisverhandlungen mit den Kaserei-Kunden an. Hier läuft der Vertrieb direkt – über den eigenen Laden oder Märkte in Miesbach, Holzkirchen und in den Riem-Arcaden.

„Wir versuchen, unseren Milchpreis stabil zu halten. Speziell hier hängt es davon ab, wie viele unserer Produkte wir direkt an die Endverbraucher verkauft bekommen“, betont Leo. Gleichzeitig setzt er sich für „seine“ 20 Bauern ein und kann so einen Verkaufspreis von 2,20 Euro pro Liter naturbelassener Heu-Vollmilch im Kaserei-Laden voll vertreten.

Gute Qualität, so Leo, habe nun mal seinen Preis. Dass die Preissteigerungen nicht voll bei den Bauern ankommen, bedauert er. Meist wird der „Schwund“ – vonseiten der Molkereien ‒ mit gestiegenen Rohstoff- und Energiepreisen begründet.

„Doch die gestiegenen Preise hat der Bauer auch“, setzt Leo entgegen. Er selbst habe deshalb gerade die Pferdehaltung aufgegeben. Wenn man Stroh und Heu dazukaufen müsse, werde das auf Dauer einfach zu teuer.

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