Heimat im Bierglas

Erst schnappte sich im vergangenen Jahr Augustiner die Schwaigeralm, jetzt pachtet sich Michael Käfer auf Gut Kaltenbrunn ein – samt Hacker-Pschorr. Doch dem ist nicht genug: die Gerüchteküche brodelt um einen Verkauf des Tegernseer Lieberhofs.

Dass das Anwesen für 16,5 Millionen zum Verkauf steht, ist bekannt. Dass die Traditionswirtschaft in den Fokus einer Münchner Brauerei gerückt sein soll, ist dagegen neu und noch unbestätigt. In das Muster würde es passen. Der Verteilungskampf um das Bier im Tal hat gerade erst begonnen. Für einige geht damit auch ein Stück Heimat verloren.

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Ein Kommentar von Rose-Marie Beyer:
Heimat heißt Geborgenheit. Heimat gibt Auskunft über Traditionen, Kultur und Glauben. Heimat ist Identität. „Wir sind Tegernsee“ – das ist mehr als im Winter auf den Wallberg zum Schlittenfahren. Mehr als im Sommer im „echten“ Dirndl aufs Waldfest. Mehr als die Addition der Erlebnisse an Orten der Kindheit.

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Es beinhaltet zum Beispiel auch, was bei den ersten Weggeh-Versuchen auf den Biertischen stand: ein Tegernseer Helles. Nun ist es natürlich so, dass sich die Liebe zur Heimat nicht allein durch Biergenuss definiert. Doch andersherum könnte man den Genuss des heimischen Bieres durchaus als eine Form von Heimatliebe verstehen.

Die großen Treffpunkte

Dabei ist Heimat im allgemeinen Sprachgebrauch zunächst auf den Ort bezogen, in den der Mensch hineingeboren wird. Die meisten Tegernseer sind hier groß geworden. Die Eltern haben sie im Kinderwagen über die Wege den See entlanggeschoben.

In den ersten Schuljahren begnügt man sich mit der Entdeckung der fünf Gemeinden rund um den See. Für die Welt reicht es noch nicht. Die hört für manche auch heute noch kurz hinter der Kreuzstraße auf. Dort, wo mittlerweile die Abfüllanlage der Brauerei steht. Nach München rein – da fährt man höchstens mal zum Einkaufen oder aufs Oktoberfest. Denn eigentlich hat man hier ja alles, was man zum Leben braucht – bis auf die Arbeit, aber das ist eine andere Geschichte.

Nach und nach im Laufe der Jahre werden gewisse Orte wichtiger. Die großen Treffpunkte, darunter das Bräustüberl. Schnell wissen wir, welche der Bedienungen uns leiden können und uns halbliterweise Leichtes an den Tisch bringen. Schon früh wird uns klar: wir haben ja gar nicht gewusst, dass unsere kleine Welt am Tegernsee so großartig sein kann.

Bier von außerhalb

Doch auf den Rausch folgt meistens der Kater. Dort, wo einst eine alte Villa stand, steht heute ein Vierspänner. Dort, wo wir einst mit Freunden ein Waldfest feierten, sitzen jetzt Zehntausende und geben Facebook-Partys. Dort, wo einst ein Traditionsgasthaus war, wird da morgen ein „Genusstempel“ oder ein „Almdorf“ stehen?

Die Heimat im Ausverkauf, so ist das Gefühl, das sich manchmal einstellt, wenn man sich an die Orte zurückerinnert. Und wir spüren, was wir einem Menschen erzählen werden, der uns die Frage danach stellt, warum wir uns so aufregen, wenn es hier vielleicht bald mehr Bier von außerhalb gibt als aus unserem eigenen Brauhaus: Für uns ist das Heimat, die sich nicht immer, aber manchmal eben auch im Bierglas widerspiegelt.

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