Zum dritten Mal saß er jetzt in der Jury des “Cup of Excellence” – einem internationalen Kaffee-Award. Diesmal führte ihn die Reise nach El Salvador.
Mario Liebold sitzt in “seinem” Café Felix in Rottach-Egern. Ganz in blau ist er gekommen: dunkelblaue Jeans, dunkelblauer Kapuzenpulli und blaue Turnschuhe. Er sitzt nach vorne gebeugt, die Ellbogen hat er auf dem Holztisch abgestützt. Er fängt an zu erzählen, zu gestikulieren – wenn es um Kaffee geht, beginnen seine Augen zu leuchten. Viele der Gäste, die kommen und gehen, grüßen ihn, rufen etwas zu, winken. Die meisten kennen ihn inzwischen persönlich.
Einige haben ihn scheinbar vermisst. Denn erst seit Kurzem ist er wieder da. Elf Tage war Liebold in El Salvador in Südamerika unterwegs. Dort fand heuer der “Cup of Excellence” statt. Dabei handelt es sich, so Liebold, um den “angesehensten Kaffee-Award der Welt”. Nach nationalen Vorauswahlen kürt eine internationale, 18-köpfige Jury den besten Kaffee des jeweiligen Landes. Und Mario Liebold ist zum dritten Mal für Deutschland mit dabei. Die Auswahlkriterien für den Kaffee sind dabei besonders streng: Aus über 400 Sorten und ihren Erzeugern schafften es diesmal 36 in die engste Wahl.
1.300 Mal wird jeder Kaffee geschlürft
“Die Reise war grandios. Es ist eine große Ehre für mich, dabei gewesen zu sein”, schwärmt der Wiesseer. Insgesamt dauert es eine Woche, bis die Jury einen Sieger gekürt hat. Eine Zeit, die neben viel Erfahrung und Spaß auch sehr anstrengend ist. Schließlich sollen alle Teilnehmer gleiche Chancen bekommen – eine große Verantwortung für die Kaffeetester. “Hinter jeder Tasse steht ein Farmer, der ein Jahr lang sein Bestes gegeben hat. Da dürfen die Juroren nicht müde sein”, erklärt der Kaffee-Enthusiast.
Das Prozedere sieht wie folgt aus: Die Tester bekommen in jeder Runde vier Tassen des gleichen Kaffees aufgetischt. Erst riechen sie trocken daran, dann wird der Kaffee aufgegossen, nochmal gerochen und endlich geschlürft. So ein Durchgang dauert eine Stunde. Viel Arbeit für die Juroren: Insgesamt haben Liebold und seine Kollegen in der Woche an jedem Kaffee 1.300 Mal geschlürft, wie er jetzt vorrechnet.
Dabei hat der ganze Rummel auch einen tieferen Sinn. Die teilnehmenden Farmer und ihre Kaffees werden bewertet. Wer mehr als 85 von 100 Punkten hat, ist zur anschließenden Versteigerung zugelassen. Um die besten Kaffees steigt ein gewaltiger Hype – die Farmer können für häufig kleine Mengen sehr hohe Preise erzielen. “Die Farmer profitieren enorm davon. Diese Leute haben ausgesorgt, ganz einfach weil sie dann so einen Namen haben und allgemein bekannt ist, dass sie für die allerbeste Qualität stehen.” Und die Käufer können sicher sein, die besten Kaffees der Welt zu bekommen.
Am Ende haben Liebold und seine Kollegen auch einen Sieger gefunden: Raúl, ein junger Mann mit seiner kleinen Finca “La Rosa”. Er hatte den besten Kaffee des Landes. Dahinter steckt eine “sehr emotionale Geschichte”, wie Liebold erzählt: “Der Mann hat einen Flyer für seine Farm drucken lassen. Darauf stand geschrieben, dass er sich als Ziel gesetzt hat, irgendwann mal einen Cup of Excellence zu gewinnen. Letztes Jahr ist sein Vater gestorben, der die Farm geführt hat. Er hat sie dann übernommen und gleich in diesem Jahr den Cup of Excellence gewonnen. Den Flyer haben wir aber erst danach gesehen. Das war einfach Gänsehaut.” Raúls Kaffee der Sorte Pacamara war auch Liebolds Favorit.
Geschichten wie diese machen für den Kaffeeröster den Reiz solcher Reisen aus. “Für mich ist so reizvoll, die Möglichkeit zu haben, die besten Kaffees eines Landes mit bewerten zu dürfen. Das ist eine absolute Ehre.” Dazu kommt der sehr intensive und enge Austausch zwischen den Teilnehmern. Schließlich geben sich dort die renommiertesten Kaffeekenner der Welt die Ehre – Menschen, die Liebold als Vorbilder und Botschafter seiner Branche ansieht. Immerhin hängen viele von ihnen – als Foto verewigt – an den Wänden im Café Felix. “Wenn du dann mit diesen Leuten zusammensitzt, dich austauschst über Farmen, Zubereitungsarten, Konzepte – das ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen. Das ist einfach die geballte Kaffee-Kompetenz.”
Das Streben nach Perfektion
Nach dem Cup of Excellence war Liebold dann noch bei “seinen” Farmern in der Gegend zu Besuch. Im Januar will er wieder zu den Farmern reisen und beim Höhepunkt der Ernte dabei sein. Dann, wenn der Kaffee am besten ist. Überhaupt ist Liebold immer auf der Jagd nach den besten Kaffees der Welt. Deshalb kauft er manchmal auch bei den an den Award angeschlossenen Auktionen ein – allerdings nicht allein, wie Liebold erklärt:
Wir sind dafür zu klein. Wir wachsen zwar stetig, aber ich will bekanntlich kein “Großer” werden. Wenn ich dort also ein Lot von mehreren Tonnen ersteigere, dann habe ich hier diese Menge von ein und demselben Kaffee liegen. Das ist sehr viel und diese Kaffees sind natürlich auch teuer. Deswegen teilen wir uns manchmal ein Lot mit mehreren Kollegen.
So teilt er sich aktuell etwa mit Kollegen aus Hamburg eine Lieferung aus Äthiopien und Honduras. Die Container sind auf einem Schiff unterwegs nach Deutschland, nächste oder übernächste Woche sollte sie da sein. “So hat jeder was davon und kann sich seine Vielfalt erhalten”, erklärt Liebold.
Doch bei allem Streben nach optimaler Qualität darf für Liebold das Thema Nachhaltigkeit nie zu kurz kommen. Das gilt vor allem beim Einkauf: Wirklich fairer Handel, von dem die Farmer tatsächlich leben können, ist für Liebold nur möglich, wenn kein Label, kein großes Unternehmen dahinter steckt, sondern nur in direktem und persönlichem Kontakt – von Mensch zu Mensch. “Wir wollen kein ‘fair trade’, wir wollen fair gehandelten Kaffee, und da gibt es einen zentralen Unterschied. Es geht darum, wie die Farmer bezahlt und behandelt werden.”
Und der Lieblingskaffee?
Inzwischen steht eine große, dampfende Tasse Kaffee vor Liebold. Da drängt sich die Frage auf: Hat ein Kaffeeröster eigentlich einen Lieblingskaffee? Die Antwort kommt schnell: Ja, aber es ist immer wieder ein neuer. Momentan ist es jedenfalls der “Ruanda Kinunu”, doch mit jeder neuen Lieferung könnte sich das ganz schnell ändern.
Schaut man sich im Café Felix in Weissach um und lauscht Liebolds Worten, ist es kein Wunder, dass er zur Zeit rundum zufrieden ist: Der Laden brummt und so, wie Liebold sein Handwerk perfektioniert, lernen auch seine Gäste und Kunden die Qualität zu schätzen und verstehen, dass Kaffee nicht gleich Kaffee ist.
Das allerschönste für mich ist, dass ich die absolute Nähe zum Kunden habe. Und sie verstehen, dass es von jedem Kaffee nur eine begrenzte Menge gibt. Umso mehr freuen sie sich, wenn eine Sorte, die ihnen besonders geschmeckt hat, wiederkommt. So wie jetzt der Container aus Honduras.
In der nahen Zukunft will Liebold auch neue Konzepte unterstützen. Leuten, die die Kaffeeleidenschaft teilen, will er auf ihrem Weg helfen. So wie einem Münchner Zahnarzt, der einen Barista-Kurs bei Liebold geschenkt bekommen hat. Die zwei verstanden sich auf Anhieb und so führte eines zum anderen. Direkt am Sendlinger-Tor-Platz öffnet ein eigenes Café – und es verwendet den Kaffee von Mario Liebold. “Damit kann er jetzt professionell Geld verdienen.”
Will kein “Großer” werden
Mittlerweile ist auch eine Anfrage eines großen Hotels aus dem Tal gekommen. Die Betreiber wollen Liebolds Kaffee. “Ich habe mich nie um die Hotellerie bemüht”, sagt der Kaffeeröster. Der Grund ist einfach: Hotels wollen ihren Gästen immer den gleichen, guten Kaffee servieren – sie brauchen Konstanz. “Für mich ist aber klar: Wenn es morgen einen besseren Kaffee gibt, dann gibt es den von vorher eben nicht mehr.” Besagtes Hotel weiß um seine Philosophie, eine Entscheidung steht noch aus.
So langsam, aber sicher kann Liebold nicht mehr still sitzen. Auch wenn die Tasse vor ihm noch nicht leer ist: Der Ehrgeiz hat ihn gerade wieder gepackt. Am Ende des Gesprächs nimmt er noch einen Schluck von seinem Kaffee und sagt: “Ich geh’ jetzt rösten.”
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