Das Stoppschild im Kopf

Die Reithamer Kurve ist berüchtigt: Immer wieder kommen hier Menschen ums Leben. Menschliches Versagen oder gefährliche Straßenlage – was ist eigentlich der Grund dafür? Die Behörden sehen aktuell keine Dringlichkeit für Maßnahmen. Doch die schweren Unfälle gehen weiter.

In der Reithamer Kurve kommt es immer wieder zu schweren Unfällen - wie hier im April.
In der Reithamer Kurve kommt es immer wieder zu schweren Unfällen – wie hier im April.

Immer wieder kommt es in der Reithamer Kurve zu schweren Verkehrsunfällen. So starben dort vor fast genau zwei Jahren ein Motorrad- und ein Rollerfahrer bei einem verunglückten Überholmanöver. Erst im April kam es erneut zu einem schweren Unfall. Und wieder war ein Motorradfahrer beteiligt.

Wer von Holzkirchen Richtung Tegernsee fährt, der kennt die langgezogene und uneinsichtbare Kurve hinter der ARAL-Tankstelle. Warum häufen sich die Unfälle dort? Und welche Maßnahmen lassen sich dagegen ergreifen?

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Eine der Ursachen für die Unfallhäufung stellt das hohe Tempo der Fahrer dar. „Den meisten pressiert’s halt“, sagt der in Warngau arbeitende Fahrlehrer Horst Rösler, der die Stelle gut kennt. Viele kämen von der Autobahn, seien flott unterwegs und würden von der B318 zu ihrem Missfallen ausgebremst. Tempo 100 ist erlaubt – und wird auch gefahren.

Oft sind Fahrfehler der Grund

Vor allem aber sind Fahrfehler der Grund für die vielen Unfälle. So erläutert Ernst Größwang von der Holzkirchner Polizei: „Das ist eine Rechtskurve. Dort darf man nicht überholen.“ Viele unterschätzten außerdem den Kurvenradius und gerieten ins Schleudern, da die Kurve zu stark und die Geschwindigkeit zu hoch sei, so der Verkehrsexperte.

Rösler, der viele junge Fahrer beobachtet, betont:

Der Trend geht dazu, dass man sich am Steuer austobt.

Die Schüler für die Gefahr zu sensibilisieren sei hingegen schwer: “Viel Einfluss haben wir da nicht drauf”, sagt er. “Wir haben zwar schon sehr viel versucht, aber bei manchen geht das direkt vorbei.”

Einmal habe ein Schüler gesagt: “Ja, dann reiß ich mich in der Fahrprüfung halt eine halbe Stunde zusammen und danach kann ich fahren wie die Sau” – für den Fahrlehrer Ausdruck einer weitverbreiteten Gesinnung.

Besonders brisant werde der jugendliche Leichtsinn in Kombination mit Drogen: Auf dem Land werde viel, zum Beispiel Hasch, konsumiert. Wer sich zugedröhnt ans Steuer setze, gefährde sich und andere. „Man kann das regelrecht beobachten, dass der Abend- und Nachtverkehr völlig anders ist als der Verkehr am Tag“, erläutert Rösler.

Differenz zwischen Realität und Bürokratie

Rösler ist ein Mann aus der Praxis. Während er jeden Tag mit dem temporeichen Fahrverhalten seiner jungen Schüler – auch in der Kurve – konfrontiert wird, die dadurch sich und andere gefährden, beschwichtigt die für die Kurve zuständige Bürokratie die Brisanz. Polizei und Straßenbauamt Rosenheim bewerten die unfallträchtige Stelle nach Zahlen.

Laut Unfallauswertung ist die Reithamer Kurve unmittelbar kein Unfallshäufungspunkt,

erklärt Eva Weber, Abteilungsleiterin am Straßenbauamt Rosenheim. Zugrundegelegt würden gegenwärtig die Zahlen von 2009 bis 2011. “Wenn sich innerhalb von drei Jahren weniger als drei Unfälle mit schwerem Personenschaden ereignen, werden keine neuen Straßenbaumaßnahmen durchgeführt.”

Laut Straßenbauamt hätten außerdem die Aufstellung der Richtungstafeln sowie die Beschränkung der Geschwindigkeit die Unfallzahlen deutlich nach unten gedrückt. Ähnlich sieht dies die örtliche Polizei: “Für uns ist die Reithamer Kurve insgesamt kein Unfallschwerpunkt”, so Ernst Größwang. Erst wenn die neuen Zahlen etwas anderes zeigen, so wird gehandelt: “Dann setzen sich Polizei, die Verkehrsbehörde des Landratsamts und das Straßenbauamt zusammen”, erklärt Weber. Und das ist frühestens 2015.

Reithamer Kurve bleibt weiter im Fokus

Doch die Gefahr ist da, tagtäglich. Alleine seit 2012 kam es zu mindestens drei größeren Verkehrsunfällen mit zwei Toten, mehreren Verletzten und unzähligen gefährlichen Situationen. Was kann man also generell tun, um das Gefahrenpotential der Reithamer Kurve zu minimieren?

Für Rösler stellen verstärkte Verkehrskontrollen und Geschwindigkeitsbegrenzungen die einzig effektiven Maßnahmen dar. „Darauf reagieren die Leute.”

Stoppschilder sollen die Einfahrt auf die Bundesstraße sicherer machen.
Stoppschilder sollen die Einfahrt auf die Bundesstraße sicherer machen.

Warngaus Bürgermeister Klaus Thurnhuber weist darauf hin, dass das Straßenbauamt Rosenheim für konkrete Maßnahmen zuständig sei. Dieses wiederum sieht in der Kurve selbst – wie auch die Polizei – keinen Unfallschwerpunkt. Die Brisanz, so Weber, liege in den davor gelagerten Abbiegungen auf Höhe der ARAL-Tankstelle.

Langfristig plant das Straßenbauamt eine der Zufahrten schließen zu lassen. Eingeleitet wurde erstmal das Aufstellen von Stoppschildern unmittelbar an der Querung: Links geht es dort nach Reitham, rechts Richtung Piesenkam. Für Thurnhuber eine „Kleinstmaßnahme“, von der er sich dennoch eine Verbesserung der Situation erhofft:

Ein direktes Einfahren in das lange gerade Stück in Richtung Kurve wird somit unterbunden. Dadurch haben wir die Chance, zumindest das eine oder andere verhindern zu können.

Für die Situationen in der nachgelagerten Kurve dürfte das allerdings keine grundlegende Verbesserung mit sich bringen. Diese könnte es somit frühestens in zwei Jahren geben. Laut Straßenbauamt tritt die Kommission erst 2015 zusammen, um die aktuellen Statistiken auszuwerten. Der Unfallschwerpunkt, der laut Behörde eigentlich keiner ist, wird somit auch weiter schwere Unfälle produzieren.

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