Die Lizenz zum Radfahren

Der sogenannte Radlführerschein hat im Stundenplan der Grundschule einen festen Platz. In den ersten beiden Schuljahren werden die Kinder schrittweise ans Radfahren herangeführt.

In der 3. und 4. Klasse findet dann die theoretische und praktische Prüfung statt. Am Freitagfrüh traf sich Verkehrserzieher Wolfgang Strobl mit 29 Kindern auf dem Verkehrsübungsplatz am Rottacher Birkenmoos. Und dort wurde schnell klar: Richtiges Radfahren ist schwerer, als man denkt.

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Tobi, Josef, Philipp und 25 weitere Grundschüler der 4b sind mit Feuereifer dabei. „Bloß der Lenz ist nicht da“, weiß einer der Schüler. Obwohl es die letzte Stunde nur geregnet hat, sind die Mädchen und Jungen motiviert. Lediglich Sieben Grad zeigt das Thermometer an diesem Aprilfreitag, doch die Kinder sind heiß aufs Fahren.

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Über dreißig kleine gelbe Fahrräder mit roten Punkten stehen bereit. Der Teer spiegelt mattschwarz durch den Regenschleier hindurch. Auf der Fläche stehen Kegel, Verkehrszeichen und andere Symbole.

Theoretisch – praktisch – Realverkehr

„Erst haben wir diese Leiberl gekriegt, dann sind wir eingeteilt worden: die mit der ungeraden Zahl nach rechts, die mit der geraden nach links“, erzählt mir ein blondes Mädchen. Ganz kalte Hände hat sie schon, sagt sie, „aber das macht nichts“. Heute geht es darum, zu zeigen, was man alles schon kann: „Handzeichen machen, umschauen, auf die Hindernisse achten.“

Lehrerin Monika Bayerlein steht mit einer Kollegin am Rand und sieht zu, wie Verkehrsexperte Strobl die Kinder im Radfahren „erzieht“. Fünf Treffen sind insgesamt angesetzt: drei Übungsstunden, ein Prüfungstermin sowie das praktische Training im sogenannten Realverkehr. Der theoretische Teil in der Schule liegt bereits hinter den Kindern. Der praktische wird von Polizeibeamten betreut. Den Abschluss bildet jeweils die theoretische und praktische Lernkontrolle, die sogenannte Radfahrprüfung.

„Das lernt man nicht von heute auf morgen“

Schon Vierjährige fahren Rad. Begeistert zeigen sie Mama oder Papa, was sie schon können. Doch ein Ausflug in Begleitung Erwachsener oder das Fahren auf ruhigen Nebenstraßen ist etwas anderes, als alleine im Straßenverkehr unterwegs zu sein. Deshalb ist die Vorbereitung für den „Realverkehr“ so wichtig.

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„Ich wette jetzt mit euch. Ich sag, mindestens zwölf Kinder fahren falsch bei einer Übung, die eigentlich babyleicht ist.“ Die Kinder glauben Strobl nicht. Ein paar schwingen sich sofort in die Sättel, noch nichts ahnend, was sie überhaupt machen sollen.

„Also, ihr dürft den ganzen Platz befahren, aber nur geradeaus und rechts abbiegen.“ Schon geht es los, immer im Oval um den Polizeiwagen herum, zwischen den aufgebauten Symbolen hindurch.

Erst mit acht Jahren kann man „richtig Radfahren“

Verkehrserziehung bildet ein Kernstück in der Grundschule. Zu Beginn geht es um motorische Förderung. Kinder können zwar in der Regel vor dem Schuleintritt „Rad fahren“, sind aber kaum in der Lage, ihr Fahrzeug zu beherrschen, wenn mehrere Anforderungen gleichzeitig auf sie zukommen.

Erst mit etwa acht Jahren entwickeln Kinder die Fähigkeit zum „richtigen“ Radfahren. Vorher können sie beispielsweise beim Radeln nur in Fahrtrichtung blicken. Zu erkennen, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt, sich nicht ablenken zu lassen oder länger auf eine Sache zu konzentrieren, das fällt Kindern schwer. Die Sicht ähnelt der durch Scheuklappen – was Erwachsene am Rande des Sichtfeldes irgendwie noch wahrnehmen, sehen Kinder nicht.

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Deshalb erkennen sie Gefahren oft erst sehr spät. Was Kinder nicht sehen, existiert für sie auch nicht. Ihre Erfahrungen als Fußgänger können sie – bis zu einem bestimmten Alter – nicht aufs Radfahren übertragen. Nur nach und nach erwerben Kinder die fürs Radfahren notwendigen Kompetenzen.

Die Entwicklung vollzieht sich mehr sprunghaft als kontinuierlich. Einen ersten Sprung machen Jungen und Mädchen mit acht Jahren. Doch erst mit neun oder zehn Jahren kann ein Kind eine Situation so weit beurteilen, dass es durch sein Verhalten eine Gefahr bereits im Vorfeld erkennt.

Also aufgepasst: Sieht man ein junges Mädchen oder einen kleinen Jungen auf dem Fahrrad im Straßenverkehr, dann bitte erhöhte Vorsicht. Es könnte sein, dass sie oder er gerade erst ihren/seinen Führerschein gemacht hat.

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