Die jungen Mützenmacher von Bad Wiessee

Als Lehrerin Gudrun Graßl das Buch „Die Mützenmacher“ in die Hände fällt, steht für sie fest: „Das könnte den Schülern auch gefallen.“ Die Schulleitung der Wiesseer Realschule ist schnell überzeugt. Handarbeit als beliebtes Hobby ist ja bekanntlich zurück. Und der Trend geht auch an den Schulen nicht vorbei.

Seit September treffen sich die Mädchen aus den 7. bis 9. Klassen zum Häkeln. Doch auch ein Junge ist dabei. „Weil ich muss,“ scherzt Ingvar. Dabei sieht er recht interessiert aus. „Eigentlich wollte mein Freund auch mit, aber der drückt sich immer,“ fügt er hinzu.

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Jetzt ist Ingvar halt „Hahn im Korb“ unter den zehn Mädchen – Jenny, Lara, Verena und die anderen. Gemeinsam lassen sie die Häkelnadeln klackern und die Maschen wachsen. Jeden Montag Nachmittag eineinhalb Stunden geht das Wahlfach in der Wiesseer Schule. Die Häkelbegeisterten sitzen um mehrere Schultische herum. Im Hintergrund läuft das Hörspiel „Mary Poppins“. Vor jedem liegt ein Wollknäuel auf dem Tisch, ein paar Getränkeflaschen stehen daneben.

Auf dem Tisch Wolle in unterschiedlichsten Farben und handgeschriebene Zettel. An die Wand ist per Beamer die Anleitung geworfen. „Ome – mit coolen Streifen“ kann man dort lesen.

Handarbeiten galt eine Zeit lang als unmodern

„Ome“, das ist ein japanischer Name. Nach diesen sind die Modelle des Labels „myboshi“ benannt. Angefangen hatte alles im Jahr 2009. Damals machten sich Thomas Jaenisch und Felix Rohland auf, um in einem japanischen Bergdorf Skizufahren. Abends vertrieben sie sich ihre Zeit mit Handarbeiten.

Zurück nach Deutschland kamen die Beiden mit einer zündenden Idee: „myboshi“ – übersetzt heißt das „Meine Mütze“ – und der Intention „viele Köpfe glücklich zu machen. Sie entwickelten die Idee weiter und perfektionierten sie. Heute beschäftigen sie ein Dutzend „Häkel-Omis“ und verkaufen ihre Mützen in alle Welt.

Bei den Häkeldamen war die Freude anfangs nicht sehr groß, als sich die beiden Macher entschieden, ihr Wissen um die handgehäkelten Produkte in einem Buch – später noch in einem zweiten – preiszugeben. Befürchtete man doch, dass dies einen Umsatzeinbruch einbringen könnte. Doch dies scheint nicht so zu sein – im Gegenteil: die Anleitungen lösten einen neuen Handarbeitsboom aus.

Fest in weiblicher Hand

Während Mitte der 80er Jahre Jahre Frauen, die nicht handarbeiteten, geradezu belächelt wurden, war Häkeln, Stricken und Nähen im vergangenen Jahrzehnt fast von der Bildfläche verschwunden. Früher, da seien es Mutter oder Großmutter gewesen, die ihren Töchtern oder Enkelinnen das Stricken beigebracht haben. Woran liegt es, dass das Handarbeiten so aus der Mode gekommen war? „Es galt als unmodern,“ lautet die Erklärung von Experten.

Heute genießt es dagegen wieder einen wahren Siegeszug. Warum die Nadeln aber auch heute noch fest in weiblicher Hand sind, ist fast unerklärlich. Vielleicht können Ingvar und die Macher von „myboshi“ ja eine Kehrtwende einläuten.

Mode, die es nicht zu kaufen gibt

Etwas Individuelles zu schaffen, etwas das in genau dieser Form nur man selbst hat. Den Wunsch nach eigener Mode zu befriedigen, die es nicht von der Stange zu kaufen gibt. Darum scheint es den Schülern zu gehen. Außerdem stärkt es die Gemeinschaft und hat auch fast etwas Meditatives, schaut man sich die glücklichen Gesichter der Jugendlichen in der Runde an: zwei Hände, die immer im gleichen Rhythmus den Wollfaden über die Nadel schwingen und Masche für Masche aus einem Knäuel Mützen, Handytaschen, Schals oder Stulpen entstehen lassen.

„Ome“, „Beppy“, „Hiseko“, „Hachiman“, „Ketai“ oder „Osaka“ heißen die Modelle in den Büchern. Sie gelten als Anregung und werden von den Häkelbegeisterten persönlich ausgestaltet. Die Jugendlichen kaufen die Wolle, die ihnen gefällt. Hauptsache sie ist weich und hat die richtige Dicke.

Dann entspricht sie „boshi-Qualität“. Schon kann es losgehen. In ein bis drei Stunden soll ein Modell fertig sein, wenn man sich ins Zeug legt. Lehrerin Gudrun Grassl gibt Hilfestellung beim Häkeln. Auf dass möglichst viele Modelle fertig werden. Denn die Schüler häkeln nicht nur für sich selbst, sondern möchten die „bohis“ auch auf dem Schul-Weihnachtsmarkt verkaufen.

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