Die Retter von der Wasserwacht

Eine Frau. Ein Mann. Ein Kind. Alle drei befinden sich in einem Boot auf dem See. Da entscheidet sich die Mutter zu schwimmen und springt ins kalte Nass. Zwanzig Minuten später rückt die Wasserwacht an. Die Frau hätte es allein nicht mehr hinein ins Boot geschafft.

„Wir schauen mit ganz anderen Augen auf den See,“ behauptet Franz Weiß, Vorsitzender der Ortsgruppe Tegernsee-Rottach-Egern. Er hatte die Familie zufällig beobachtet, nicht mehr aus den Augen gelassen und erkannt, dass sie in Kürze in Not geraten würden.

Vom Wasser aus wieder in ein Boot zu kommen, sei fast unmöglich, weiß der Vorstand. Auch das „Hinterherschleifen“ der Frau hinter dem Boot ans Ufer sei ein sehr anstrengendes Unterfangen.

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Rettungsarbeit ist aufwendig und teuer

Heute ist ein eher ruhiger Tag. 15 Grad zeigt das Thermometer im Wasser. Der Blick aus dem Wachraum der Vereinshütte ist gigantisch. Weit schweifen kann er – muss er aber auch, damit man gut beobachten kann. Ein leichter Wind lässt die Wellen brechen am Holzsteg, auf dem ein paar Jugendliche zusammensitzen.

„Das Holz ist gespendet,“ erzählt Weiß. Die Rettungsarbeit ist aufwendig – und teuer. 1.200 Euro kostet allein der Sprit für das Rettungsboot. 500 Euro die Ausstattung für einen Taucher. Nur 350 Euro werden gefördert. Den Rest trägt die Ortsgruppe. Auch die Jugendarbeit und die Ausbildung der Retter will finanziert werden.

Rund 200 Ausbildungsstunden müssen aufgebracht werden, bis jemand eingesetzt werden kann. 25 Ehrenamtliche sind beschäftigt. Und alle brauchen sie Rettungskleidung. „Früher rückte man in Badehose aus,“ erinnert sich der Vorstand. Diese Zeiten sind längst vorbei. „Einen Großteil unserer Kleidung finanzieren wir privat,“ berichtet er weiter. Denn das Geld ist knapp – auch bei der Wasserwacht.

Stände auf dem Seefest oder Parkplatzdienste bei den Wallbergern sollen ein kleines Zubrot bringen. Auch für Filmeinsätze wurde die Vereinshütte schon angemietet. Außerdem gibt es ein paar Förderer. Einen Großteil ihrer Zeit verbringen die Mitglieder inzwischen zur Mittelbeschaffung. „Ein paar Sponsoren mehr wären nicht schlecht,“ lacht der Vorstand.

Ein bisschen knabbert man offenbar auch noch an der Finanzierung der Rettungsstation, die 1998 angefangen wurde zu planen und im Jahr 2001 eingeweiht wurde. Zehn Jahre lang war man ohne eigene Hütte gewesen. Acht Jahre hatte man auf die Genehmigung gewartet. Hauptsächlich wohl, weil einige Anrainer einen unverbauten Blick auf den See genießen hatten wollen.

Dabei war der Bau der Hütte hauptsächlich in Eigenleistung gestemmt worden. 8.000 Arbeitsstunden schulterten die Mitglieder zusammen. Dafür steht jetzt alles professionell da: ein Wachraum, ein San-Raum, die Tauchkammer sowie Sozial- und Versorgungsräume stehen zur Verfügung. Stolz präsentiert sie der Vorstand.

Von Wasserrettern zu First Respondern

Seit 1976 ist Franz Weiß bei der Anfang der Sechziger Jahre gegründeten Ortsgruppe, und das aus Überzeugung. Kollege Jan Zangenfeind seit 1982. Mit Herzblut stellen die Wasserwachtler sich in den Dienst der Rettung. Doch die Arbeit im Wasser ist nur eine von vielen Aufgaben: Fahrradunfälle, Fußgängerstürze, Kinder mit Platzwunden, Personen mit Insektenallergien, Hotelgäste mit Kreislaufkollaps – verunfallen Menschen an den 200 bis 300 Meter Uferrand des Tegernsees, so sind die Wasserwachtler als Ersthelfer zuständig.

Neben der Wiesseer und Gmunder Wasserwacht und der Tegernseer DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) betrifft die Rottacher Ortsgruppe der gesamt südliche Teil des Sees. Die Einsätze ordnet die Integrierte Leitstelle Rosenheim zu. Sie schickt die Helfer an ihren Einsatzort.

Und dass dies die Rottacher Wasserwacht betrifft, ist an Wochenenden sehr wahrscheinlich, denn meist ist das Tal dann voll von Menschen und wie leergefegt von potentiellen Rettern, weil andere dann irgendwo in den beiden Landkreisen Miesbach und Rosenheim unterwegs sind.

Keine Angst vor “Arbeitslosigkeit”

Fast 13.000 Einsätze pro Quartal koordiniert die Leitstelle. Rundum die Uhr ist hier doppelt besetzt, um schnelle Hilfe zu garantieren. Wie viele Einsätze davon auf die Rottacher entfallen, lässt sich nicht genau sagen. „Zwischen zehn und hundert,“ schätzt Weiß, „tendenziell eher mehr, wegen der ungesünderen Lebensweise, die wir heute haben.“

Stress und Hektik führten beispielsweise dazu, dass mehr Kreislaufprobleme auftreten. Die Wasserwacht kümmert sich um die Erstversorgung, dann werden die Opfer übergeben an die eintreffenden Retter.

„Heuer war ein aufregendes Jahr,“ bestätigt Zangenfeind, der soeben seinen Wachdienst antritt. Die älteren Herrschaften, die beim Hotel Überfahrt mit ihrem Auto in den See fuhren, die junge Frau, die beim Hotel Eybhof mit ihrem Fahrzeug aus dem Wasser gezogen wurde, dazu Verletzte mit Armfrakturen, Kopfwunden oder Schäden durch zu viel Sonneneinstrahlung und Hitze.

„Manchmal kommt man gar nicht zum Durchschnaufen,“ sagt Zangenfeind. Warum sie das trotzdem machen? „Ein kleines bisschen Wahnsinn muss schon dabei sein,“ lacht Zangenfeind. „Das was wir dem See geben, das gibt er uns zurück,“ ergänzt Weiß. Und zeigt dabei auf einen goldenen Lichtreflex der gerade übers Wasser huscht.

1.900 Wachstunden im Jahr 2011, bisher 1.700 im laufenden Jahr, so die Bilanz. Und bis zum Jahreswechsel sind es noch ein paar Monate hin. Normalerweise wird es nach der traditionellen Nikolausregatta ruhiger. Doch wer weiß – wenn der See zufriert, könnte es wieder gefährlicher werden, denn dann beginnt die Eiswache der Wasserwachtler, die potentielle Unvorsichtige davor bewahren soll, im nicht freigegebenen Eis einzubrechen.

Von links: Jan Zangenfeind und Franz Weiß in der Hütte der Rottacher Wasserwacht

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