Die Russen kommen – Herzlich Willkommen

Die Berichterstattung über einen russischen Neubürger im Tal – 18 Milliarden Euro schwer, Verbindungen zu Putin – hat Wellen geschlagen. Auch der in Wiessee wohnende Schriftsteller Martin Calsow (“Lilith Verheißung“) hat sich seine Gedanken dazu gemacht. In einem Gastkommentar geht Calsow auf die Chancen des Zuzugs von reichen Einwohnern ein – gerne auch mit Zweitwohnsitz in einer der fünf Talgemeinden.

Eine Sichtweise, die sich zumindest abhebt vom gängigen Wehklagen und den Diskussionen über das unausweichliche Ende des Tals.

Kommentar von Martin Calsow:
Vor kurzem schwappte die Meldung durchs Tal und sorgte für Unruhe. Ein reicher Russe soll sich in Rottach ein großes Haus gekauft und umgebaut haben. Es folgte in Foren und Gesprächen der übliche Mix aus Neid und Zuzugsfurcht. Miet- und Grundstückspreise würden steigen, es bliebe nichts mehr übrig für den Rest.

Ja, das Neue ist manch’ Einheimischem nicht geheuer. Man mag es gern übersichtlich. Da stört schon einmal der Russe, der Arab oder der Kines. Sind ja alles komische Figuren. Verstehen wenig Spaß, harte Knochen allesamt. Hat ja schon der Großvater erzählt.

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Der Russe an sich sorgt in uns seit jeher für ein gewisses Unbehagen

Nur: Stimmt halt nicht. Für zu viele Gruppen im Tal ist der Zuzug von wohlhabenden Menschen, sei es aus Preußen oder dem übrigen Ausland äußerst attraktiv, wenn nicht gar lukrativ. Da wären die Handwerker, die für Wochen bei solchen Umbauprojekten beschäftigt sind. Die Einzelhändler, die sich über eine neue Klientel freuen. Und Geschäftsgründer, die der kaufkräftigen Kundschaft neue Felder anbieten können. Und natürlich der Tourismus, der sich nicht mehr nur über konsumferne Tagestouristen aus München ärgern muss.

Das alles bedeutet eine höhere kommunale Einnahme für die Orte, was wiederum auch den Einheimischen zum Vorteil gereicht. Zuzug ist in einer mobilen, globalisierten Welt völlig normal, ja notwendig. Sie ist das Mittel gegen Überalterung, Eigenbrötlerei und hinterwäldlerischer Sorge um das Brauchtum. Wohin so etwas führen kann, sieht jeder, der an der Ruine Gut Kaltenbrunn vorbeifährt.

Wandel steuern

Statt hilflos dem zarten Trend der Zuwanderung zuzuschauen, und sich im Klein-Klein zu ergehen, sollte die Kommunalpolitik pro aktiv reagieren, auf die Neubürger zugehen, den Zustrom fördern und steuern. Internationalität braucht aber Bedingungen. Da muss neben Deutsch noch für manchen eine dritte Fremdsprache vielleicht her. Da könnte eine Schule, die unter Schülermangel leidet, ja auch international aufgestellt sein. Da könnten sich Kirchen für andere Religionen anbieten. Die Reha-Medizin macht es in einigen Orten ja schon heimlich, still und leise vor.

Der Hinweis auf das Treiben in österreichischen Skigebieten wie Ischgl oder Kitzbühel, wo Tausende von Russen angeblich den Untergang des Abendlandes verursachen, ist unnütz. Statt darauf zu verweisen, sollte man mit den dortigen Gemeindevertretern sprechen und lernen und für das Tal einen angemessene Strategie entwickeln. Die Immobilienpreise steigen? Klar. Aber wer legt den Preis denn fest? Wer profitiert? Meist Einheimische, deren Kinder hier nicht mehr wohnen wollen oder können.

Und noch eins: Es wurde bereits viel über die zweifelhafte oder unbekannte Herkunft des Reichtums der Neubürger gesprochen. Mir ist es erst einmal egal, wie der Wohlstand erworben ist. Das ist Privatsache. Wo bleibt denn da auch die oft zitierte bayerische Gelassenheit, die Libertas Bavariae? Sagen wir: Herzlich Willkommen oder besser: dabro pashalawat!

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