Was der Staatsanwalt in Sitzungssaal 2 gestern vorzutragen hatte, klang wie aus einem Thriller. Ein 19-jähriger Waakirchner hatte sich über das „Darknet“ Drogen besorgt. „Dark Web“ oder „DarkNet-Markt“ ist die Bezeichnung für den Teil des Internets, der über sogenannte “Peer-to-Peer-Verbindungen” besteht und auch nicht über die normalen Suchmaschinen zu finden ist.
Das dient der Datensicherheit. Eine Überwachung ist kaum möglich. Daher ist es auch eine beliebte Plattform für die Abwicklung halb-legaler und illegaler Transaktionen. Der Zugang ist nicht so einfach wie bei den gängigen Online-Händlern, aber die hier angebotenen Waren bringen auch gern mal ein paar Jahre Knast ein.
Die Drogen wollte sich der Angeklagte in eine Tölzer Klinik liefern lassen, in der er wegen eines psychosomatischen Leidens in Behandlung war. Er zahlte mit „Bitcoins“, einer digitalen Geldeinheit, die Bestandteil eines weltweit verwendbaren Zahlungssystems ist. Allerdings wurde die Bestellung nie zugestellt.
Verdacht auf Geldwäsche
Aber die Bitcoins fielen der Sparkasse auf. Sie verständigte daraufhin das Landeskriminalamt wegen Verdachts der Geldwäsche. Wie eine Beamtin des LKA in der gestrigen Verhandlung erklärte, gab es rund 30 Aktionen, bei denen Bitcoins im Wert von 15.000 Euro gekauft wurden. Die häufigen Überweisungen stellten den Anfangsverdacht her, der weitere polizeiliche Ermittlungen nach sich zog.
So wurde auch das Zimmer des Jugendlichen, der noch bei seinen Eltern wohnt, durchsucht. Hier wurden fünf Plastiktütchen mit Marihuana-Rückständen, 15 weitere leere Tütchen sowie Amphetamine entdeckt. Der Verdacht auf Drogenhandel lag nahe und wurde gestern ebenso verhandelt.
Harter Ton trifft auf weichen Kern
In der Darstellung des Beschuldigten sahen die Sachverhalte weniger spektakulär aus. Er habe sich zu dem Zeitpunkt wegen erheblicher Schmerzen in Behandlung befunden. Der damals 19-Jährige befand sich zuvor in einer Ausbildung zum Schreiner. Der Umgangston in dem Betrieb sei aber so hart gewesen, dass er ihm buchstäblich „auf den Magen geschlagen“ sei. „So wie der Chef hat noch nie vorher jemand mit mir gesprochen“, erklärte der junge Mann:
Zuhause war man auch streng, aber nicht in dem Umgangston.
Er habe die Ausbildung trotzdem nicht abbrechen wollen, sondern durchstehen. In dem Zeitraum habe er dann aber mit dem Konsum von Marihuana und Haschisch angefangen. Die Schmerzen seien jedoch immer schlimmer geworden. So habe er bis zu vier Joints am Tag gebraucht, um das Leiden zu ertragen.
Wozu waren die Tütchen?
Handel habe er aber nie treiben wollen. Die Bestellung sei zum eigenen Konsum gewesen. Die Tüten in seinem Zimmer seien von eigenen Käufen gewesen. Der Staatsanwalt hatte seine Zweifel an der Darstellung:
Mit der Menge wären Sie ja ein Jahr lang ausgekommen.
Er gab zu Bedenken, dass die Wirkung des Rauschmittels über den Zeitraum nachgelassen hätte und glaubte entsprechend eher an den Weiterverkauf. Auch dass die Tütchen vom eigenen Konsum stammten, glaubte er nicht. „Das ist ja so, als ob ich mein Snickers-Papier ein Jahr aufheben würde“, meinte der Vertreter der Anklage.
Ein als Zeuge geladener Polizeibeamter, der bei der Hausdurchsuchung dabei war, erklärte allerdings, dass außer den Amphetaminen und den Tütchen nichts gefunden worden sei, was auf einen Handel hindeutet. Normalerweise wären zumindest eine Waage, ein Gerät zum Aufteilen der Drogen oder mehr Drogen zu erwarten gewesen. Doch nichts von alledem hätte man in dem Zimmer vorgefunden.
Spekulation mit digitaler Währung
Den Bitcoin-Handel habe der Waakirchner als Währungsspekulation betrieben. Bitcoins werden im Internet wie eine reguläre Währung gehandelt. Vor Gericht wurde erwähnt, dass sich der Wert dieses Zahlungsmittel im Vergleich zum Euro zwischenzeitlich verachtfacht habe.
Die Zeugin des LKA konnte in der Vernehmung den Verdacht auf Geldwäsche nicht erhärten, und so blieb dieser Punkt unberücksichtigt. Letztendlich lief es auf die Frage „Handel oder Eigenkonsum“ hinaus. Der Staatsanwalt meinte, dass die nicht unerhebliche Bestellmenge sowie die Plastiktütchen den Verdacht auf Handel ausreichend untermauerten. Der Verteidiger konnte darin allerdings keinerlei eindeutigen Hinweis auf einen Verkauf erkennen.
Amtsgerichtsdirektor Schmid erklärte nach kurzer Beratungspause mit den zwei Schöffenrichtern, dass zwar Indizien vorlägen:
Die Tütchen können ein Zeichen für den Handel sein, aber das ist sehr, sehr dünn und reicht nicht als Nachweis.
Für die Bestellung der doch recht großen Menge an Marihuana wurde der Jugendliche aber zu einer Woche Dauerarrest und vier Drogenscreenings verurteilt. Nach Erwachsenem-Strafrecht hätte er mit einem Jahr rechnen müssen.
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