Schleierfahnder dürfen grundsätzlich Personen und Autos an Bahnhöfen, Flughäfen und vor allem an Grenzen kontrollieren – und das ohne einen konkreten Verdacht zu äußern. Abgesehen haben es die verdeckten Ermittler aber eigentlich nur auf Drogenschmuggler und gestohlene Fahrzeuge – und alles, was sonst illegal über die Grenzen kommt.
Doch wie die TS exklusiv erfahren hat, können die Schleierfahnder, ähnlich wie die Fahnder der Bundespolizei, diesen Aufgaben seit geraumer Zeit nicht mehr nachgehen. „Die Einsatzkräfte haben kaum noch Zeit für ihren eigentlichen Zuständigkeitsbereich“, erklärt auch Sprecher Stefan Sonntag vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd auf Nachfrage. Der Grund: die Schleierfahnder sind durch die tägliche Bewältigung der Flüchtlingsmassen überlastet.
Unsere Beamten sind seit Frühjahr vor allem durch Flüchtlingseinsätze ‚gebunden‘. Im Juni sind die Zahlen explodiert – im August sind sie dann ins Unermessliche gestiegen.
Die akute Schleuser- und Migrationskriminalität hält sämtliche Beamten in Schach. Pensionierte Polizisten müssen ihren Dienst wieder aufnehmen. Dazu kommt noch, dass alle Einsatzkräfte an „Brennpunkten“, wie Rosenheim, Traunstein und Piding „gebündelt“ werden müssen. Auch von der Fahndungsstelle in Kreuth wurden Beamte abgezogen, weiß der Sprecher.
Durch diesen Beamtenengpass haben Drogenschmuggler derzeit leichtes Spiel. Die Routen, die aufgrund der völligen Überlastung der polizeilichen Kapazitäten nicht mehr kontrolliert werden, werden von ihnen genutzt. Diese Vorgehensweise der Kriminellen „darf vermutet“ werden, gibt Sonntag zu.
Nach Drogen wird laut dem Polizeisprecher nur noch „nebenbei“ gefahndet. Insider bei der Zivilpolizei schätzen deshalb, dass es dieses Jahr insgesamt rund 75 Prozent weniger durch die Polizei nachgewiesene Drogendelikte geben wird als im Vorjahr – nicht weil weniger geschmuggelt wird, sondern weil durch Schleierfahnder weniger kontrolliert wird.
Ausnahmezustand
Mit einer aktuellen Zahl der durch Schleierfahndung festgestellten Rauschgiftdelikte in den vergangenen Sommermonaten kann Sonntag nicht aufwarten. Durch die Blume gesagt, gibt es einfach keine. Nur bei einer großangelegten Schleuserkontrolle hätte man vor kurzem in einem Auto junger Burschen ein paar Gramm Marihuana sicherstellen können, meint Sonntag.
Dass der ein oder andere Schleusertransport sich auch auf den Achenpass verirre und so den Weg über Kreuth nach Deutschland finde, ist der Polizei klar. Aber im derzeitigen „Ausnahmezustand“ sieht man das ganze pragmatisch: besser gehen hier im Tal den Fahndern am Tag nur zehn Flüchtlinge durch die Lappen, als im Bereich Berchtesgadener Land bis Passau rund 1400.
„Wo die Masse ankommt, bündeln wir eben unsere Kräfte“, schließt Sonntag. Bis sich die Flüchtlingssituation entspannt, nutzen wohl auch Drogenschmuggler weiterhin die Gunst der Stunde.
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