„Ein Auto wie ein Herrenwitz“

Krimi-Autor und „Glückskolumnist“ Martin Calsow las in Rottach-Egern Auszüge aus seiner Kolumnen-Sammlung bei der Tegernseer Stimme und aus dem bereits von vielen Fans erwarteten nächsten Quercher-Krimi.

Martin Calsow bei der Lesung in der Wein-Blüte. / Foto: Ines Wagner

Quercher-Fans wissen: Wer zu einer Lesung von Martin Calsow kommt, erlebt den Autor zu einem Viertel lesend und zu drei Vierteln Geschichten erzählend, in bester Kabarett-Manier. Amüsiertes Gekicher ließ sich daher von den Gästen vernehmen, die auf Stühlen und bequemen Höckerchen im Geschäft „Wein-Blüte“ in der Rottacher Seestraße Platz genommen hatten. Draußen Schnee, innen heimelig. An einem ein Glas Pfälzer Muskateller oder dem „jüngsten Italiener, der ihnen heute Abend begegnen wird“, nippend, lauschten etwa fünfundzwanzig Gäste der Lesung in dem kleinen, feinen Rahmen, den das Inhaberpaar Helmuth und Birgitt Gempel bereitet hatte.

Vom Krimi zur Tegernseer Stimme

Es sollte eine „spaßige und lustige“ Lesung sein, so habe es sich seine Frau Insa von ihm gewünscht, verriet anfangs der Krimi-Autor. Und eingefleischte Fans wussten, was er damit meinte. Erstens trägt seine „Gattin“, wie er sie oft scherzhaft in der Öffentlichkeit nennt, deutliche Züge von Max Querchers Freundin Regina von Valepp – und hat somit in vielen Lebenslagen die Hosen an. Zweitens hat er, als er vor 13 Jahren quasi ad hoc seinen Posten als Programmchef bei Premiere niederlegte und mit dem Schreiben von Krimis begann, in den beiden „Lilith“-Romanen mit seiner Arbeitswelt in grausamsten Todesarten abgerechnet und zart besaiteten Lesern auch in den Quercher-Krimis einiges zugemutet. Und drittens, so er selbst: „Mit zunehmendem Alter nimmt das ab.“ Und das bekommt mittlerweile auch der Tegernseer Stimme gut. „Vielen Dank, dass Sie die Tegernseer Stimme machen“, hieß es dann auch aus den Gästereihen, und dass diese eine positive Entwicklung genommen habe.

Seit Anfang dieses Jahres ist Martin Calsow der Herausgeber der Tegernseer Stimme. Und seine Frau Insa, mit ebenfalls langjähriger Erfahrung auf hohem Posten beim Fernsehen, unterstützt ihn dabei. „Die Tegernseer Stimme war manchmal zu krawallig und manchmal zu nett“, so der Journalist. Jetzt gehen sie einen Mittelweg, der dem „Digitalblättchen“, wie er es an diesem Abend scherzhaft nannte, guttut. Nur gemeinsam mit Peter Posztos, dem Gründer und Geschäftsführer, dürfe er keinen Sonntagsdienst übernehmen, zwinkerte er in Richtung Nicole Posztos. Das ergäbe ein Nitroglyzeringemisch.

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„Mein Topos ist, was ich kenne“

Sein Spaß an Kolumnen, Glossen und Satiren ist unübersehbar, wohl weil er darin beides verbinden kann: den Romanschriftsteller und Krimiautor mit dem Journalismus. Seine Neugier und feine Spürnase für brisante Themen und menschliche Schwächen, gepaart mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, seine Hochachtung vor aufrechten Menschen und die Verachtung von Dummheit und Gier aber auch das „Wurstige“ – hier kann er die Einheimischen wie Zuageroaste auf die Schippe oder aufs Korn nehmen: im Spiel mit der Sprache. Sich selbst auf den Arm nehmen, das kann er auch: „Mein Topos ist, was ich kenne – der Mann mittleren Alters. Der kämpft gegen die eigene Vergänglichkeit, die besonders deutlich wird, wenn er Sport macht.“

Und dann, ganz wie angekündigt – es sollte ja spaßig und lustig werden – las Martin Calsow die Kolumne „Langlaufen – die Rache der wirklich Alten“, die letzten Winter bei der Tegernseer Stimme erschien. Darin ziehen auf der Loipe an dem Mann und Langlaufanfänger mittleren Alters die Talbewohner nachsichtig lächelnd vorüber: „die rüstige Hundertjährige mit blauen Haaren und Stockeinsatz nach Lehrbuch“ und der „buckelige Mann, der schon Luis Trenker die Skier gewachst hat“. Mühelos tun sie das. Statt „schiere Angst“ vor der Abfahrt mit der „tückischen Kurve“ auf der Loipe Richtung Glashütte zu haben: „Da wird das Langlaufen, speziell der Sturz, zur Metapher des Lebens.“

Schlecht weg kommen in seinen Romanen wie Kolumnen oft die Geldigen, die „rausprotzen“. Ein Beispiel ist die Kolumne (oder doch Satire?) „Ein Auto wie ein Herrenwitz“, in der es um die G-Klasse geht. „G-Klasse: G wie Geld, Gier und Gelände (…) und windschnittig wie ein Haufen Steine.“ Auch hier gelten Martin Calsows Seitenhiebe dem Topos des mittelalten Mannes („50 ist das neue 30“). Die Sätze klingen genüsslich-amüsiert und erinnern an Max Quercher, Romanheld und Alter Ego des Autors, etwa: „Munter lässt der Fahrer zu Jagdhornmusik den Kies auf Wanderer weihwassergleich spritzen, um wenig später das heiße Gefährt vor der Jagdhütte zu parken.“

Quercher und Katzelmacher

Die Arbeit bei der Tegernseer Stimme ließe ihm wenig Zeit zum Romanschreiben. Aber natürlich waren an diesem Abend alle neugierig, wie es weitergeht mit Max Quercher, Regina von Valepp und dem Dackel Otto. Letzterer soll – hier wird ein bisschen gespoilert – „mit der Sissi des Tegernseer Hochadels“ für Nachwuchs sorgen. Die Leserinnen und Leser werden wieder viele bekannte Orte und Personen im neuen Quercher entdecken, dessen genaues Erscheinungsdatum noch nicht verraten wird. Nur so viel: Es geht um Immobilien und beginnt mit der 92-jährigen Zenzi Schaflitzl, die zeitlebens auf einem alten Hof mit viel Land und Wald sitzt, von dem kein Fitzelchen verkauft werden durfte, und die nun zu sterben beschließt. Wir dürfen gespannt sein.

Unter dem Erscheinungstermin während des Lockdowns habe sein Roman „Kill Katzelmacher“ gelitten. Ein sehr persönliches Buch, in dem er das Schweigen der Vätergeneration nach dem Zweiten Weltkrieg bearbeitet. Regionaler Erzählstrang mit Brisanz: Die „Rattenlinie nach Syrien“ – der Fluchtweg vieler Nazi-Verbrecher über Kreuth und den Achenpass in ein neues Leben als unbescholtene Bürger.

Martin Calsow hat sich mehrmals beruflich neu orientiert und ist dabei konsequent dem Schreiben treu geblieben. Ob der „Glückskolumnist“ immer alle glücklich macht? Oh, nein! Aber unbequem sein gehört bei ihm dazu, manchmal auch Drohanrufe. Ob ihm das nichts ausmache? Nö. Dann betrachtet er den Tegernseer Tal als Ort, in dem seit 2000 Jahren Veränderung passiert, und das, was wir erleben, nur ein Wimpernschlag ist. „Der Gedanke entspannt mich, das ist wie ‚die Hunde bellen und die Karawane zieht weiter‘“, sagt er. „Bei sachlicher Kritik bei meiner Arbeit mit der Tegernseer Stimme bin ich bereit, Fehler einzugestehen. Aber in der Beschreibung von Personen und Sachverhalten für meine Romane hör ich auf meinen Bauch und stehe dazu.“

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Online-Magazin KulturVision am 3.12.2023 | Ein Beitrag von Ines Wagner.

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