“Brenner” aus Leidenschaft

Wer das liest, sollte schon über 18 Jahre sein, denn für Minderjährige ist dieses Thema tabu, und sollte es auch noch so verlockend sein. Die Rede ist vom Schnaps, jener hochprozentigen Flüssigkeit, die einem schnell die Sinne vernebelt.

Für die Einen ist bereits der Anblick der Spirituose verführerisch. Glasklar und schillernd fließt sie ins Glas. Der Geschmack: fruchtig rinnt er über die Zunge, entfaltet dort seinen ganzen Geschmack und bahnt sich dann leicht brennend seinen Weg die Kehle hinunter.

Kleinbrennereien haben schon lange Tradition

„Ein Schnaps ist eine gewisse Menge Branntwein, die man auf einmal schnappen kann,“ so steht es in Grimms Wörterbuch. Dabei war der Schnaps schon in früheren Zeiten nicht nur Mittel zum Zweck. Den Gemäßigten galt er als Lebensquell, als Leckerei oder auch als Medizin. Für den Gmunder Andreas Liedschreiber haben alle drei Einsatzzwecke ihre Rechtfertigung.

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Das Geschäft bei der Schnapsbrennerei läuft gut. So gut, dass Liedschreiber geneigt ist, sein 300-Liter-Brennrecht zu erweitern. Der Landwirt auf dem Hof an der Gmunder Schafstatt ist Schnapsbrenner aus Leidenschaft. Und die Erweiterung eine der anstehenden Aufgaben. Denn übt ein anderer Hof sein Recht nicht aus, kann man dieses zu seinem eigenen dazu erwerben. Doch das Brennen steht, nicht nur bei uns im Tal, hoch im Kurs. Kaum einer gibt sein Recht einfach so auf.

Die Liedschreibers beispielsweise führen ihre Brennerei in vierter oder fünfter Generation aus. Ganz genau kann man das nicht mehr sagen, da keine Aufzeichnungen existieren. Während das nahe Österreich unbestritten die führende Nation der Destillateure ist, haben auch kleine Brennereien in Süddeutschland eine lange Tradition.

Der Hof der Liedschreibers in Gmund

Seit 1870 existieren offizielle Brennrechte – für 50 beziehungsweise 300 Liter pro Jahr. An das Recht gekoppelt sind bestimmte Bedingungen. Beispielsweise, dass man die Tätigkeit auch tatsächlich ausübt, also mindestens einmal alle zehn Jahre Schnaps brennt. Dass man pro Liter gebranntem Alkohol 10,22 Euro Steuern abführen muss. Oder dass eine bestimmte Anzahl an eigenen Obstbäumen vorhanden ist.

Davon haben die Liedschreibers so einige. Insgesamt 150 Obstbäume stehen um den Hof auf den Wiesen. Alte Hochstamm-Bäume und neu angelegte sogenannte „Spindelbäume“, die – ähnlich wie in einem Weinberg – an Holzstämmen befestigt, am Hang eingepflanzt wurden.

Nicht nur Früchte werden veredelt

Aprikosen, Sauerkirschen, Mirabellen, Äpfel und Zwetschgen erntet die Bauersfamilie im Sommer in Handarbeit. Auch die größeren drei der insgesamt vier Kinder helfen mit. Mit den Aprikosen geht es los, dann kommen Sauerkirschen und die anderen eigenen Früchte in die Erntekörbe. Trotzdem müssen weitere Früchte zugekauft werden, um die nötige Menge an Obst zu erreichen. „Ich kenne alle Lieferanten persönlich,“ erzählt Liedschreiber, denn er hat einen hohen Anspruch an das fertige Produkt. So finden beispielsweise Williamsbirnen vom Bodensee den Weg nach Gmund.

Aber nicht nur Obst wird zu Schnaps veredelt, sondern auch weitere Zutaten. Gerade bei der Herstellung ihrer Liköre experimentiert Anna-Maria Liedschreiber, die Frau von Andreas gerne.

Kaffee wird verwendet, Tegernseer Dunkelbier oder auch Milch. „Unser Heumilch-Likör ist der Renner,“ berichtet sie. Die Heumilch kommt von der Naturkäserei, wird in Gmund veredelt und als Likör wieder ausgeliefert – in ausgewählte Läden und in die Gastronomie am See, aber auch nach München.

Genuss statt saufen

„Schnapsbrenner”, das darf man zu Liedschreiber eigentlich gar nicht sagen. Denn „Schnapsbrenner”, das war früher ein Bauer, der aus den schlechteren Früchten seines Hofes etwas Hochprozentiges kochte und dann der Familie und den Nachbarn vorsetzte. Mitunter mit dem Effekt der Erblindung. Ein Schnapsbrenner galt als „Fuselfabrikant“.

Liedschreiber ist auch offiziell dagegen ein „Edelbranderzeuger”. Und mit der Qualität kam auch das Bewusstsein. Das Bewusstsein, dass ein Schnapsbrenner hochwertig Hochprozentiges brennen sollte. Genuss, statt saufen. Ein guter Fruchtbrand schmeckt vor allem nach der Frucht, die er transportiert. Und nicht nach Alkohol, Methanol, Metall, Holz oder anderen Kontaktmitteln. Um das zu vermeiden, muss der Brenner vor allem sauber brennen.

Und das ist nicht so einfach, wie es klingt. Nachdem die Früchte handverlesen und gewaschen sind, kommen sie in den Gärbehälter, der per Erdöl erhitzt wird. Außen aus Edelstahl, innen aus Kupfer ist dieser beschaffen. Maximal 120 Kilogramm Früchte kommen hinein. Dazu kommt Reinzuchthefe, die bewirkt, dass die Früchte zu gären anfangen. Weil Alkohol einen geringeren Siedepunkt hat als Wasser, verfliegt er schon bei knapp 80 Grad Celsius. Dabei nimmt der Dampf das Aroma der Früchte mit.

Im zweiten Schritt wird das Destillat abgekühlt und tropft als glasklare Flüssigkeit aus dem Brennkessel. Nun ist es Aufgabe des Brennmeisters, Vor-, Mittel- und Nachlauf sauber zu trennen. Denn der Vor- und Nachlauf enthält giftige Stoffe. Nur der Mittellauf kommt in den Tank, wird für den Schnaps verwendet.

Je älter, desto besser

Weil der frisch gebrannte Alkohol zum Trinken viel zu scharf wäre, wird er bis zu drei Jahre in alten Steinfässern abgelagert, um milder zu werden. Dann stellt man den hochprozentigen Alkohol (bis zu 96 Prozent) durch Beimischen von Trinkwasser auf die richtige Trinkstärke ein. Die Kontrollen sind streng. Steht auf einer Flasche „40 Prozent“ drauf, so muss auch 40 Prozent drin sein.

Für die Herstellung des Likörs werden die gewünschten Zutaten angesetzt, abgepresst, filtriert und eventuell mit einem identischen Brand verfeinert (Kirschlikör beispielsweise mit einem Kirschbrand). Auch hier muss die Stärke natürlich stimmen. Wo „20 Prozent“ draufsteht, muss auch 20 Prozent drin sein. Die Abweichung duldet maximal 0,3 Differenz, erzählt der Hausherr.

Er ist der erste, der das Produkt probieren darf. Natürlich sensorisch: mit Zunge und Nase. Er nimmt das Glas an die Nase und schnuppert einen ganzen Fächer Aromen. Ist der Test bestanden, wird die Flüssigkeit in Flaschen abgefüllt und etikettiert. Diese haben unterschiedlichste Größen: von 4 cl bis zur Halbliterflasche wird das Elixier im Tal und darüberhinaus verkauft.

Dem interessierten Besucher bietet der Schafstatthof übrigens auch ein „Schaubrennen“ mit Führung und Verkostung an. Hier kann man aus der Nähe erleben, wie der Brenner sein Handwerk praktiziert.

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