“Ein gefährlicher Stoff”

Anfang Oktober mussten die Bauarbeiten an der Grundschule I abrupt eingestellt werden. Der Grund: Messungen zeigten giftige Schadstoffe an. Jetzt liegen die Ergebnisse vor und die Experten wissen: die Schule ist stärker belastet als bisher angenommen.

Durch Folien am Gebäude wollen die Experten verhindern, dass kontaminierter Staub in die Luft gelangt.
Durch Folien am Gebäude wollen die Experten verhindern, dass kontaminierter Staub in die Luft gelangt.

Schon vor Baubeginn hätten Experten routinemäßig stichpunktartige Proben am Gebäude der Holzkirchner Grundschule I entnommen, berichtet der zuständige Architekt Heinz Fischer den Anwesenden der heutigen Pressekonferenz. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich die Schadstoffbelastung noch nicht als “sehr auffällig” erwiesen. Erst beim eigentlichen Rückbau – bei den “zerstörerischen Maßnahmen” – Anfang Oktober, zeigte sich das wahre Ausmaß der Belastung, erklärt er: „Ergebnisse, die wir so nicht erwartet hatten.“

Die Architekten Heinz Fischer und Ludwig Steiger reagierten und verhängten einen sofortigen Baustopp im Bereich des Bestandsbaus. Ein Schadstoffexperte nahm sich der Sache an und vorübergehend wurden die kontaminierten Bereiche mit speziellen Netzfolien abgedeckt. Als Witterungsschutz und auch, damit eventuelle Gefährdungen durch entweichenden Staub vermieden werden konnten, weiß Fischer.

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Änderungen im Bauplan

Ursprünglich sollten vor Beginn des Neubaus die Sanierungsarbeiten am bereits bestehenden Gebäude in der Baumgartenstraße abgeschlossen werden. Aufgrund der gefundenen, hochgiftigen Stoffe im Bestandsgebäude, wird nun zuerst der Rohbau des neuen Gebäudes bis Ende Januar errichtet, erklärt Fischer das weitere Vorgehen. Bis Mitte Mai soll dann der Innen- und Fassadenausbau erfolgen, schätzt der Architekt grob.

Bis Ende April rechnet das Münchner Architektenduo damit, am Bestandsbau weiterarbeiten zu können. Bis dahin soll der belastete Bauschutt, vor allem die alte Betonfassade und der Estrich, sachgemäß entfernt und entsorgt sein. „So lautet der Plan“, kommentiert Schadstoffexperte Andre Hopper. Er weiß genau um die hochgiftigen, verbauten Stoffe in der Grundschule I: Asbest, KMS, PAK und PCB. Letzterer wäre eine „tückische Sache“ und bereitet dem Experten daher am meisten Sorge.

Holz- statt Betonfassade. Zukünftig soll die Grundschule I. so aussehen. Quelle: Architektenbüro Fischer & Steiger.
Holz- statt Betonfassade. Zukünftig soll die Grundschule I. so aussehen. Quelle: Architektenbüro Fischer & Steiger.

Bei PCB handelt es sich um einen dauerelastischen Weichmacher in der Fugenmaße, die Beton an Beton klebt. Mit der Zeit können sich die Stoffe sehr stark in den Beton einarbeiten, erklärt er. So müsste die Fläche an den Betonwänden im Bestandsgebäude jetzt Schicht für Schicht abgetragen werden. Je nachdem wie viel Material sich so anhäuft, können hohe Entsorgungskosten entstehen. “Ein gefährlicher Stoff”, meint Hopper weiter, schwerflüchtig und organisch haftet er sich an Staub und kann so in die Atemwege gelangen. Seit 1991 ist PCB verboten und zählt zum “dreckigen Dutzend” unter den chemisch-organischen Baustoffen.

Mit den restlichen Schadstoffen, wie Asbest im Bodenbelag und künstlichen Mineralfasern in der Trittschalldämmung, hatten die Holzkirchner Gemeindevertreter und die Architekten gerechnet. Eben typisch für einen deutschen Nachkriegsbau. Niemals hätte aber eine akute Gefährdung für die Schüler bestanden, da die Stoffe bisher verbaut waren. Das würden auch Messungen aus dem Jahr 2001 verdeutlichen.

Zeitplan kann eingehalten werden – Kostenplan eventuell nicht

In diesem Bewusstsein hatte man auch seitens der Gemeinde schon einen „zeitlichen und finanziellen Puffer“ zur Sanierung eingeplant, bestätigt Bürgermeister Olaf von Löwis (CSU) auf der Pressekonferenz. So bestätigt er, dass der geplante Termin, trotz der Verzögerung durch die Entsorgung des belasteten Materials, nicht gefährdet wäre: im Herbst 2016 dürfen die Grundschüler wieder in der Baumgartenstraße einziehen.

Laut von Löwis, könnte also alles „gutlaufen“. Einzig und allein könnten die Kosten für die Entsorgung der Gemeinde Holzkirchen Magenschmerzen bereiten. Hierfür findet derzeit eine Ausschreibung an Spezialfirmen statt. Das PCB soll mit Spezialgeräten, Schutzanzügen und Atemmasken entfernt werden. Ein Sperranstrich soll die behandelten Stellen versiegeln.

„Sachgerecht und ohne Gefährdung für Arbeiter und Anwohner“, soll das geschehen, versichert der Rathauschef. Auch die Architekten wollen mit 150-prozentiger Vorsicht vorgehen. Über die Mehrkosten durch die Entsorgung kann noch niemand genaueres sagen, doch Schadstoffexperte Andre Hopper stellt in Aussicht: „In schlimmen Fällen kann das in den sechsstelligen Bereich gehen.“

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