Ein Haus fürs ganze Leben

„Die Senioren lieben das Tegernseer Tal“, behauptet Hildegard Wagner, Betreiberin des Wiesseer Hotels Concordia.

„Hotel und Ferienwohnungen mit Herz für drei Generationen“ – diesen Grundsatz schreiben sich die Macher auf die Fahnen. Und das kommt an bei den Gästen. Der Bordstein am Gehweg. Die Treppenstufen, die ins Haus führen. Die hohe Türschwelle vom Zimmer in den Garten beziehungsweise auf den Balkon hinaus. Kleine Schritte für die meisten, manchmal unüberwindbare Hindernisse für ältere, behinderte oder auch Menschen mit zeitweiser Mobilitätseinschränkung – sei es durch Krücken, einen Rollator, einen Rollstuhl oder auch einen Kinderwagen.

Hildegard Wagner und “ihre” Innen-Architektin Susanne Goll

Schon vor etlichen Jahren habe man im Concordia begonnen, bei Umbaumaßnahmen die Grundsätze der Inklusion anzuwenden. Ein Projekt, das zum Nachahmen anregt. Denn erst eine weitgehend hindernis- und gefährdungsfreie bauliche Umwelt garantiert das Verbleiben in der gewohnten Umgebung.

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Eine Million “Behinderte” alleine in Bayern

In Bayern gibt es laut dem Gmunder Behindertenbeauftragten Anton Grafwallner fast eine Million Menschen mit Behinderungen, wovon rund die Hälfte über 65 Jahre alt ist. Auch wenn man nicht gleich als „behindert“ gilt, wenn man älter ist, nehmen in vielen Fällen Sehkraft oder Beweglichkeit ab, was die Anforderungen an das tägliche Umfeld verändern. Im Tegernseer Tal beträgt der Altersdurchschnitt derzeit 52 Jahre. Tendenz steigend. Alle fünf Jahre steigt der Durchschnitt um circa drei Jahre. Was bedeutet das für so wichtige Bereiche wie Wohnen und Leben? Wird sich die Wohnlandschaft wandeln? Wie sollte sie sich den demografischen Veränderungen anpassen?

„In jedem Fall wird es immer wichtiger, hindernisfreier zu bauen“, ist sich Innenarchitektin Susanne Goll sicher, die die Umbauten im Hotel Concordia begleitet hat. „Dabei kennt Wohnkomfort kein Alter“, meint sie. Denn auch junge Leute könnten zeitweise körperlich eingeschränkt sein – beeinträchtigt beispielsweise durch einen Sportunfall oder Ähnliches. Und in solchen Situationen will man weiter mobil bleiben.

Derzeit besteht nur bei öffentlichen Neubauten die Pflicht, diese komplett barrierefrei zu gestalten. Die Bayerische Bauordnung wird an die Anforderungen der DIN 18040 angepasst und gilt damit als verbindliche technische Baubestimmung.

Während in öffentlichen Gebäuden DIN-Vorschriften zu beachten sind, muss man sich im Privatbereich lediglich an die vorgegebenen Maße anlehnen, da laut Fachplanerin meist nicht allzu große Flächen vorhanden sind.

Goll achtet bereits zu Anfang der Planungen – sobald sie einen Grundriss in der Hand hat – darauf, dass notwendige Räume wie Bad, Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche und Toilette im Erdgeschoss untergebracht werden könnten.

Gewendelte Treppen, zu enge Türbreiten

Barrierefreie und zukunftsweisende Hausplanung beinhaltet vor allem das Badezimmer. Ob dieses mit bodengleicher Dusche oder Badewanne ausgestattet ist, obliegt der individuellen Entscheidung. In jedem Fall sollte beides gut erreichbar sein und keine Verletzungsgefahr durch Ausrutschen beinhalten.

Deshalb ist es wichtig, dass geeignete Griffe in den richtigen Höhen und an den richtigen Stellen vorhanden sind. Wo genau diese sich befinden, ist eine Einzelfallentscheidung. Die Toilette sollte von einer Seite frei zugänglich sein, damit sie eventuell später mit dem Rollstuhl anfahrbar ist.

Ein barrierefreies Bad / Quelle: www.nullbarriere.de

Auch Anton Grafwallner, der Behindertenbeauftragte im Landkreis, weiß naturgemäß um die grundlegenden Planungsprinzipien bei Häusern beziehungsweise Wohnungen: Türbreiten sollten 90 Zentimeter nicht unterschreiten, damit sie uneingeschränkt passiert werden können.

Treppen sollten in der Regel geradlinig verlaufen. Auf gewendelte Treppen sollte verzichtet werden, weil sie ungleiche Auftrittstiefen haben. Lichtschalter, Türdrücker und andere Bedienelemente sollten auf eine Höhe von 85 Zentimeter montiert werden. Kontrastreiche Lichtschalter sind für sehbehinderte Personen und bei diffusem Licht eine Erleichterung.

“In Tegernsee lässt sich gut alt werden!” – so das Fazit aus dem Tegernseer Rathaus, als man die Seniorenbefragung im Jahr 2010 ausgezählt hatte. Die Mehrheit der Älteren, die ihren Fragebogen abgegeben hatten, hatte sich damals mit ihren Lebensbedingungen zufrieden gezeigt.

196 der auskunftsfreudigen Senioren gehörten allerdings zur Altersgruppe der 65- bis 75-Jährigen – also der noch als aktiv und gesund Geltenden. Wie seniorengerecht ein Zuhause ist, wird sich offenbar erst herausstellen, wenn man am eigenen Leib spürt, wie leicht (oder schwer) es sich darin mit körperlichen Beeinträchtigungen lebt.

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