Ein “Skytrain” gegen lange Staus?

Pendler- und Ausflugsverkehr. Lange Staus soweit das Auge reicht. Das kennt man nicht nur im Nordlandkreis, sondern im ganzen Oberland. Im Zuge der heiß diskutierten Südumgehung für Holzkirchen hat eine Bürgerinitiative nun ein neuartiges Verkehrskonzept erarbeitet. Ein Experte hat sie für die Holzkirchner Stimme genauer unter die Lupe genommen.

Wenn die Autobahn voll ist, verlagert sich der Verkehr auf die Straßen in unserer Region. Chaos herrscht an vielen Stellen. Der Ausbau des Bahnnetzes soll abhelfen.
Wenn die Autobahn voll ist, verlagert sich der Ausflugs- und Pendelverkehr auf die Bundesstraßen. Chaos herrscht an vielen Stellen. Der Ausbau des Bahnnetzes soll abhelfen.

„Notwendig wäre es, ein smartes und kreatives Gesamtverkehrskonzept für die Landkreise Miesbach und Bad Tölz in einer Verkehrsbeziehung mit München zu schaffen“, findet Helmut Neumüller von der Holzkirchner Bürgerinitiative „Stop-Südumgehung“. Ganz neudeutsch nennt er sein pfiffiges Konzept „Smart Traffic Oberland“. Neumüller hat viele Vorschläge: vom Ausbau der Bahn bis hin zu einem Tram- oder Elektrobusnetz kann er sich alles vorstellen. Sogar ein “Skytrain” ist Teil der Überlegungen.

Um dem Ausflugsverkehr Herr zu werden, setzt er besonders auf eine bessere Anbindung der Skigebiete an Bahn- und Busnetz. Heino Seeger, Geschäftsführer der Tegernsee-Bahn, hat sich mit Neumüllers Ideen vertraut gemacht und für die Holzkirchner Stimme Vor- und Nachteile abgewägt. Fest steht, nicht nur Holzkirchen hat ein Verkehrsproblem, sondern die gesamte Region. Der Grund: ständiger Ausflugsverkehr – tagtäglich gepaart mit Pendlern in sämtliche Himmelsrichtungen.

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Ausbau des Bahnnetzes als Schlüssel

Ein erster Schritt wäre für Neumüller, die BOB-Strecke zwischen Warngau und Reichersbeuern zweigleisig verlaufen zu lassen und einen extra Haltepunkt in Waakirchen einzurichten. Ein direktes Verbindungsgleis der Tegernsee-Bahn nach Warngau befürwortet er, um Fahrten zwischen Tegernsee und München „deutlich“ zu beschleunigen. Ein weiterer Haltepunkt für die BOB könnte dafür in Seeglas eingerichtet werden, zumal es da schon einen Pendlerparkplatz gibt, so Neumüller. Die Elektrifizierung des BOB-Gesamtnetzes fände er sinnvoll, um Lärm und Abgase zu reduzieren.

Dazu könnte laut Neumüller an den „sensiblen Stellen“ in Schliersee und Tegernsee der Bahnbetrieb auf Akkumulatoren umgestellt werden. „Das gab es vor 50 Jahren bereits zwischen Kreuzstraße und Giesing“, führt er am Beispiel des ETA 178 an. Sowohl im Nachbarlandkreis Bad Tölz als auch Miesbach müssten Parkflächen ausgebaut werden, um das Pendeln mit der Bahn attraktiver zu machen. Vor allem für Tegernsee hält Neumüller ein „E-Mobility“-Konzept für notwendig.

Nachhaltigkeit zukünftig großgeschrieben?

Neumüllers Vorschlag, die BOB-Strecke zwischen Warngau und Reichersbeuern zweigleisig einzurichten, hält der frühere BOB-Chef Heino Seeger grundsätzlich für „sinnvoll“. Die Zweigleisigkeit könnte bisherige Einschränkungen auflösen und wiederum die Leistungsfähigkeit der Strecke verbessern – auch im Störfall, so Seeger.

Ob nun die gesamte Strecke zweigleisig sein muss oder aus Kostengründen nur bestimmte Streckenabschnitte ausreichend sind, das entscheidet dann der Fahrplan.

Seeger führt in diesem Kontext vor allem den „ungeliebten Durchgangsverkehr“ auf der Straße in Waakirchen an. Würde die Gemeinde im Kerngebiet weiter wachsen, könnte die stark befahrene Hauptstraße durch eine mögliche Bahnhaltestelle entlastet werden. Auch dies müsste im zu erarbeitenden Fahrplankonzept berücksichtigt werden, so Seeger.

Eine schrittweise Elektrifizierung des Bahnnetzes könnte nachhaltig Erfolg bringen.
Eine schrittweise Elektrifizierung des Bahnnetzes könnte nachhaltig Erfolg bringen.

Aus Sicht des Tegernseer Tals wäre eine Direktverbindung nach Holzkirchen und München laut Seeger durchaus sinnvoll. Dennoch hält er die Umsetzung des Vorschlags für „unwahrscheinlich“. Denn Schaftlach würde so nicht mehr angefahren und die „Umgehungskurve“ wäre ingenieurstechnisch sehr aufwändig und somit teuer. Seeger erklärt den Grund:

Es gilt auf einer kurzen Distanz einen relativ großen Höhenunterschied zwischen beiden Streckenniveaus zu überwinden.

Von einem Haltepunkt der BOB in Seeglas hält Seeger ebenfalls wenig, da dieser nur tages- und wetterabhängig benutzt würde. Dafür begrüße er aber die schrittweise Elektrifizierung des Netzes. Ansetzen würde der Geschäftsführer der Tegernsee-Bahn hierfür zunächst auf der Strecke zwischen Holzkirchen und Bayrischzell, gefolgt von den Strecken nach Lenggries und Tegernsee. Auch auf Akkumulatorenbetrieb umzustellen, hält er daher für sinnvoll.

Der Bahnexperte und Neumüller sind sich einig: um die allgemeine Energiewende komme man ohnehin nicht herum, deshalb müsse man mehr elektrische Energie für die Mobilität nutzen. Laut Seeger mag dieser Weg zwar „lang und steinig“ sein, dennoch müsse man den ersten und gleichzeitig schwierigsten Schritt tun und “das doch naheliegende Thema“ an Bevölkerung und Politiker heran tragen.

Not macht erfinderisch

In Anbetracht der Kontroverse um eine „ortsnahe“ Variante der Südumgehung für Holzkirchen stellt sich Neumüller die Frage, wie man in Zukunft den Ausflugswünschen der Münchner gerecht werden will. Zudem müsse der zunehmende Pendlerverkehr in den Griff bekommen werden. Für Neumüller und die „Stop Südumgehung“ steht fest:

Das alles nur mit noch mehr Straßen in den Griff zu bekommen, ist deutlich zu kurz gesprungen.

Für Seeger ist Neumüller auf dem richtigen Weg, denn die Diskussion über die „Sicherstellung unserer Mobilität” müsste “auf nachhaltigem Wege“ beginnen. Mit seinem erarbeiteten Verkehrskonzept meint Neumüller es ernst. Die Bürgerinitiative „Stopp Südumgehung“ hat vor rund sieben Wochen die Vorschläge für den Bahnausbau den Tölzer und Miesbacher Landräten sowie dem Holzkirchner Bürgermeister zukommen lassen.

In Holzkirchen sollen demnächst ohnehin neutrale Verkehrsexperten ein Mobilitätskonzept erarbeiten – vielleicht findet so Neumüllers „Smart Traffic“-Konzept bald Gehör.

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