“Wir dachten zuerst es wäre Pyrotechnik”, erzählt Simon Weber über die erste Explosion am Stade de France. Der 22-jährige Holzkirchner war mit seinen Freunden im Stadion, um das Freundschaftsspiel Frankreich gegen Deutschland zu sehen. Die Gruppe hatte Plätze in den oberen Rängen, nah an der Außenwand. Die Detonationen seien dort regelrecht zu spüren gewesen.
“Nach der dritten Explosion, wussten wir, dass etwas nicht stimmt”, erzählt der junge Student. Seit anderthalb Jahren wohnt er schon in Paris. In der Zeit lernte er viele Menschen kennen, die inzwischen zu Freunden wurden. Gemeinsam mit einer Gruppe von eben diesen Freunden aus Luxemburg, Frankreich und auch Deutschland wollte man sich das Fußballspiel nicht entgehen lassen. Selfies, die die Gruppe im Stadion zeigten wurden bei Facebook gepostet.
Überraschende Wendung des Abends
Was als fröhlicher Abend begann, sollte ein anderes Ende nehmen. Das Fußballspiel wurde zunächst trotz deutlich spür- und hörbarer Explosionen fortgesetzt. Nähere Informationen durch Durchsagen gab es zunächst keine. “Vereinzelt haben wir Nachrichten empfangen. Aufgrund der Menschenmasse im Stadion, war das Netz allerdings, wie man es von Großveranstaltungen kennt, überlastet”.
Es kamen Infos von einer angeblichen Geiselnahme und von Schüssen im Zentrum bei der Gruppe ein. Das Netz reichte allerdings nicht aus, um genaueres in Erfahrung zu bringen. “Wir wurden auf einmal mit Storys überflutet. Jeder wusste irgendwas anderes. Aber keiner etwas Genaues”.
Als das Spiel schließlich beendet war, beschloss die Gruppe von acht Freunden, im Stadion zu verweilen. Eine gute Entscheidung, wie sich wenig später herausstellen sollte. “Plötzlich strömten alle zurück ins Stadion und auf das Spielfeld”, erzählt er. Ordner erklärten, dass das Stadion abgesichert wurde. Alle wurden gebeten sich auf dem Spielfeld zu sammeln. Langsam sickerten Gerüchte und Informationen an die Stadionbesucher. Nach einiger Zeit wurden die Menschen durch gesicherte Ausgänge nach draußen geleitet.
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Beim Verlassen des Stadions hieß es: “Geht nicht durch das Zentrum”. Da zu dem Zeitpunkt unklar war, ob öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden können, entschied sich die Gruppe sich zu Fuß auf den Weg nach Hause zu machen. Auf die Frage, ob er keine Angst gehabt hat, hat Simon keine klare Antwort:
Du hast das Gefühl durch das Adrenalin auf jede Kleinigkeit zu achten. Es ist ganz schwer zu beschreiben. Es ist eine Art unterschwellige Angst, die einem in die Knochen kriecht. Auch ohne direkte Gefahr für dich und dein Leben oder das deiner Freunde.
Simon wohnt im Westen von Paris. Das Stadion allerdings, liegt nördlich der Großstadt. Da die Freunde überall in Paris verteilt wohnen, entschied man sich gemeinsam in eine der Wohnungen zu “flüchten”. Auf dem Weg trafen sie überall Polizisten, Militärs und Sanitäter. Polizeibeamte berichteten der Gruppe immer wieder, welche Straßen sicher seien. Besonders bewegend waren jedoch vor allem die vielen Nachrichten die bei jedem Einzelnen der Gruppe eingingen.
Das letzte “Lebenszeichen” der Freunde war nämlich das bei Facebook gepostete Selfie aus dem Stadion. Danach war aufgrund des überlasteten Netzes kaum bis kein Kontakt mehr möglich. Alle Freunde und Bekannte wussten also, dass sich die Gruppe ganz in der Nähe der schrecklichen Anschläge befand, jedoch nicht, was danach geschah.
“Geht es dir gut”?
Als Simon und seine Begleiter langsam wieder Nachrichten empfangen konnten, wurden sie von einer Welle aus besorgten Fragen überrollt. Jeder wollte wissen ob es allen gut ginge. “Das hat uns alle sehr bewegt”, erklärt Simon. Als Nützlich erwies sich die kurzfristig eingeführte Facebook Funktion “als sicher markieren”. Dadurch konnte man schnell allen mitteilen, dass man sich in Sicherheit befindet, erklärte der 22-Jährige.
Nach einem langen Fußmarsch verbrachten die Freunde die Nacht gemeinsam in der Wohnung. Dort verfolgte man die Nachrichten und erfuhr mehr und mehr Einzelheiten über die Anschläge im und ums Zentrum der Stadt. “Wir schliefen dann zu acht auf dem Boden”. Am Samstag Morgen trennte sich die Gruppe schließlich.
“Das Leben muss weitergehen”
Simon fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu seiner Wohnung. Viele seiner Kommilitonen meiden die Busse und Bahnen seither. “Sie bilden Fahrgemeinschaften um die öffentlichen Verkehrsmittel zu umgehen”.
Zum Abschluss fragten wir Simon noch wie es nun für ihn weitergehe. “Ja, das Leben geht weiter. Muss es ja. Mein Studiengang fordert mich sehr, das lenkt auch ab”. An der Universität hängen Banner und Fahnen. Die ohnehin schon strengen Sicherheitskontrollen wurden verstärkt- Taschen und Studentenausweise werden kontrolliert.
Zu der Diskussion über in Frankreichs Farben eingefärbte Profilbilder in sozialen Netzwerken hat Simon abschließend klare Worte: “Wer meint, sich jetzt darüber aufzuregen, hat das Thema völlig missverstanden!”
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