Ich muss gestehen, auch ich hatte Berührungsängste und war vor meinem ersten Treffen mit den Flüchtlingen in Holzkirchen etwas aufgeregt. Diese Menschen sind aus Not zu uns gekommen und seit spätestens letztem Jahr ein Teil unserer Gesellschaft. Das Thema ist nicht neu. Täglich liest oder hört man etwas zur Flüchtlingskrise. Dennoch habe ich bis jetzt noch keinen Flüchtling persönlich kennengelernt.
Maria Korell, Holzkirchens Integrationbeauftragte wartet schon am Eingang der Traglufthalle auf mich. Wir sind verabredet. Ich möchte mich mit den meist jungen Männern über ihren Umzug von Föching nach Holzkirchen unterhalten und einen Eindruck vom Leben in der neuen Unterkunft bekommen. Mit dem ersten Schritt in die Traglufthalle verfliegt auch meine anfängliche Nervosität.
Großes Hallo
Die jungen Männer kommen gerade aus einem Treffen mit den Integrationsbeauftragten und begrüßen mich freundlich, teils sogar auf deutsch. Ihr Blick ist offen und neugierig. Sofort wird mir ein Platz angeboten. Es ist heiß hier drin. Obwohl es bereits abends ist und die Sonne nicht mehr scheint, sind die Temperaturen immer noch recht ordentlich.
Als klar wird, dass ich für eine lokale Online-Zeitung schreibe, höre ich von allen Seiten aufgeregt „newspaper, newspaper“. Zuerst sitze ich mit Naeem, Rana und Nasham alleine am Tisch. Doch schon bald kommen immer mehr Leute dazu und schließlich sind wir zu fünfzehnt. Ich bin überrascht, wie gut einige schon deutsch sprechen.
Die meisten der Männer stammen aus Pakistan und sind erst seit einigen Monaten in Deutschland. Ich hatte meine Fragen auf englisch vorbereitet, doch das ist gar nicht nötig. Arslan und Abid übernehmen ab jetzt hauptsächlich das Gespräch mit mir. Ihr Deutsch ist am Besten und sie werden von der Gruppe als „Dolmetscher“ vorgeschickt.
Putzen macht müde Männer munter
Als ich frage, ob das Leben in der neuen Traglufthalle besser ist, als in der kleinen Turnhalle in Föching, bekomme ich eine überraschende Antwort. Arslan, Abid und auch alle anderen vermissen die Turnhalle. „Hier ist es sehr heiß“, findet Arslan. Doch für die meiste Diskussion sorgt der neue Putzplan, der gerade in der Versammlung besprochen wurde. Korell erklärt:
In Föching hat eine kleine Gruppe der Flüchtlinge das Putzen in Form eines 1-Euro-Jobs übernommen. Das hatte zur Folge, dass jeder sein Zeug liegen gelassen hat und die 1-Euro-Jobber alleine für alles verantwortlich waren.
Das soll am Moarhölzl anders werden. Im wöchentlichem Wechsel ist eine Gruppe von je neun Personen für die gesamte Anlage zuständig: Zimmer, Toiletten, Küchencontainer, Aufenthaltsräume, Innenbereich, Außenbereich. Das ist zwar einiges, aber Korell erklärt allen, dass jeder aufräumen müsse und dass das bei uns auch ganz normal sei.
Ordnung muss sein
Abid erklärt, er habe kein Problem damit sein Zimmer und seine eigenen Sachen aufzuräumen. Die komplette Halle sei jedoch zu viel. Und Arslan fügt hinzu:
Ich bin bis 13 Uhr in der Schule, dann Mittagessen, Hausaufgaben, einkaufen. Ich komme spät zurück. Habe eine Stunde bevor ich ins Bett gehe. Wie soll ich in einer Stunde alles putzen?
Doch die Jungs wollen sich nicht beschweren. Abid ist seit zehn Monaten in Deutschland und ist froh, dass er hier ist: „My future ist here better than in Pakistan“, sagt er. Außerdem gefällt der Gruppe um Arslan und Abid die deutsche Mentalität, vor allem die Verlässlichkeit. Arslan erzählt:
Wenn Leute sagen, dass Büro von 8 bis 17 Uhr geöffnet hat, weiß ich, dass wirklich jemand da ist. Und das die ganze Zeit. Das ist gut.
Außerdem seien die Deutschen bis jetzt sehr nett zu ihnen gewesen und sie hätten durchwegs nur positive Erfahrungen gemacht. „Leute hier sehr sehr nett“, bestätigt Abid.
Auf Augenhöhe begegnen
Arslan, Abid, Naeem, Wiki und alle anderen finden vor allem Gefallen an der großen Wiese um das Moarhölzl. Jeden Mittwoch wird zukünftig Volleyball gespielt. Der Freitag ist für Fussball reserviert. So bald das Wetter schön ist, schnappt sich die Gruppe selbst gebastelte Cricket-Schläger. Cricket ist in Pakistan Volkssport und sehr beliebt.
Als ich mich verabschiede, bedanken sich Abid und Arslan bei mir für meinen Besuch und das Interesse an ihrer Geschichte. Sie begleiten mich höflich bis zur Tür, die mir gleich von mehreren Männern gleichzeitig aufgehalten wird.
Dabei bin ich es, die sich bedanken muss: Abid, Arslan, Naeem und alle anderen haben mir von Anfang an mit ihrer Neugierde, Höflichkeit, Freundlichkeit und ihrem Interesse das Gefühl gegeben, dass ich in ihrem neuen Zuhause willkommen bin. Das sollten wir in der aktuellen Diskussion um Integration im Kopf behalten. Denn wenn man sich gegenseitig mit Offenheit und Respekt begegnet, ist doch eigentlich alles ganz einfach.
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