Mit ihrem Buch „Der Duft vom Heu“ entsprach die Waller Autorin Christl Fitz dem Wunsch ihrer Enkel, ihre Kindheitserlebnisse aufzuschreiben. Das Buch aber ist für jedermann in unserer Zeit eine empfehlenswerte Lektüre, zeigt es doch auf, worauf es im Leben ankommt.
Schon in ihren Büchern „Herzenswärmer“ und „Glück sammeln“ hatte Christl Fitz, illustriert mit ihren Aquarellen, Erinnerungen aus ihrer Kindheit veröffentlicht. Jetzt aber legt sie in ihrem Buch, das im kleineheimat Verlag von Daniel L. Glasl erschien, einen umfassenden Erinnerungsbericht vor.
Die Schriftstellerin, die mit ihrem Mann, dem verstorbenen Schauspieler Gerd Fitz und ihrer Familie auf einem Bauernhof bei Wall lebt, fokussiert sich dabei auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, baut aber auch Geschehnisse aus früheren und späteren Zeiten mit ein.
So startet ihr Rückblick im Jahr 1927 als der Großvater, bedingt durch die schwierigen Verhältnisse in München, entschied, einen Hof auf dem Land zu kaufen. Dieser Hof steht im Zentrum, denn er sammelte die vielen traurigen und auch schönen Geschichten seiner zahlreichen Bewohner.
Eigene Erlebnisse und Zeitgeschehen
Immer wieder baut Christl Fitz in ihre Erinnerungen Lokalbezug ein, so schreibt sie über die Waakirchner Sänger und Riederinger Sängerinnen ebenso wie über Olaf Gulbransson und heimische Handwerkerfamilien.
Ihre eigenen Erlebnisse verknüpft die Wallerin mit den Zeitgeschehnissen. So schreibt sie etwa über die Nazizeit: „Darüber schwieg man.“ Hitlers Schreckensherrschaft indes thematisiert sie in aller Deutlichkeit.
Der Schwerpunkt des Buches aber liegt bei den Geschichten, die die kleine Christl nach dem Krieg erlebte. Sie war neun Jahre alt als der zweite Weltkrieg, nachdem sie am roten Himmel sehen musste, wie München brennt, endlich vorbei war. Der geliebte Vater kehrte schwerkrank aus Russland zurück und übernahm dennoch die Führung des Hofes.
Viele Menschen, wenig Lebensmittel
Es brach eine gesetzlose Zeit an, geprägt von Hunger, Not, Gewalt und von unzähligen Flüchtlingen, Heimatvertriebenen, Ausgebombten, die in das Oberland strömten. Eine Wohnungskommission entschied die Zuweisung auf die einzelnen Häuser und so füllte sich der Hof. Problem dabei, es gab für die vielen Menschen nur eine Toilette, das hieß anstehen.
Problem war aber auch die Knappheit an Lebensmitteln. Hier war die Köchin Betty gefragt, in deren warmen Küche sich die gesamte Gesellschaft des Hofes sammelte, ratschte und stritt. Vor allem aber war es die Menschlichkeit der Mutter, die es immer wieder verstand, Frieden im Hof zu stiften und für jeden ein gutes Wort zu haben.
Christl Fitz schreibt in einer lebendigen und humorvollen Weise über eine Zeit voller Entbehrungen, in der es trotz allem frohe Momente gab und in der die starken Personen, wie ihre Eltern und Betty das Leben gestalteten. Für die heutige Generation undenkbar, dass das warme Spülwasser anschließend in die Zinkbadewanne gefüllt wurde zum Baden. Undenkbar, dass es Katzen als Weihnachtsbraten gab und dass der Käse trotz der wimmelnden Maden gegessen wurde.
Eine wichtige Rolle im Leben von Christl spielte ihr Freund Kurti, mit dem sie nicht nur verlobt war, sondern auch lustige Streiche ausheckte.
Interessant zu lesen ist, dass zu damaliger Zeit eine Querverbindung der Autobahn von Irschenberg über Wall, Waakirchen nach Bad Tölz im Gespräch war, zu deren Bau es glücklicherweise nicht kam.
„Was du der Natur nimmst, das musst du ihr zurückgeben“
Die Autorin streut immer wieder Tagebuchaufzeichnungen ihres Vaters ein, der jeden Tag genau vermerkte, was auf dem Hof geschah. Er hatte mit großen Schwierigkeiten und einem schweren Nierenleiden zu kämpfen, an dem er früh starb. Aber er gab nicht auf und sein Motto „Was du der Natur nimmst, das musst du ihr zurückgeben“ klingt äußerst modern.
Beschreibungen eines Waschtages klingen in Zeiten von Waschmaschine und energieintensivem Trockner wie aus der Steinzeit.
Aber auch wenn die Lebensbedingungen ausgesprochen dürftig waren, die Arbeit auf dem Hof schwer, die Beschaffung von Lebensmitteln schwierig, der Zusammenhalt der Familie lässt Christl Fitz dennoch eine Kindheit voller glücklicher Momente erleben, neben Schicksalsschlägen, Hunger und kratzigen Wollstrümpfen, die an Leibchen befestigt wurden.
„Werther“ gegen Eier
Eine Zeit, in der Goethes „Werther“ gegen ein paar Eier eingetauscht wurde, in der es keine gescheiten Schuhe gab und der Schwarzmarkt mit windigen Händlern blühte, in der knatternde Holzvergaser fuhren, war doch voller kleiner Erlebnisse, die das Leben der Autorin kostbar machten. Sie hat sie wahrgenommen und das macht das Besondere des Buches aus.
Es ist damit nicht nur ein Vermächtnis für die Enkel sondern eine Aufforderung an alle Lesenden, die Glücksmomente zu sammeln.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Online-Magazin KulturVision am 18.12.2023 | Ein Beitrag von Monika Ziegler.
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