„Es geht mir nicht um Eitelkeiten“

Der Countdown läuft. Am 1. Mai startet die neue Legislaturperiode. Für Olaf von Löwis beginnt dann die Amtszeit als Holzkirchens Erster Bürgermeister. Ein Gespräch über große Gefühle im Wahlkampf, die verfahrensten Situationen im Ort und ob man Gemeinderatssitzungen zukünftig live von Zuhause aus anschauen kann.

"Zuhören ist wichtig" - Holzkirchens neuer Rathauschef Olaf von Löwis sucht das Gespräch mit den Bürgern.
“Zuhören ist wichtig” – Holzkirchens neuer Rathauschef Olaf von Löwis will das Gespräch mit den Bürgern suchen.

Holzkirchner Stimme: Herr von Loewis, hinter Ihnen liegen intensive Wahlkampf-Wochen. Wie fühlt sich so ein Wahlsieg eigentlich an?

Olaf von Löwis: Ganz toll. Es ist ein unheimlich schönes Gefühl. In diesem Moment fällt einem erst allmählich auf, was man sich da eigentlich so vorgenommen hat. Auch die Belastung fällt von einem ab. Vielleicht hatte ich das letzte Mal so ein Gefühl, als ich in der Schule meine Prüfungen bestanden habe – wenn es überhaupt reicht. Es geht mir seitdem wirklich sehr gut und ich freue mich unheimlich auf das neue Amt.

Anzeige

Holzkirchner Stimme: War Ihnen stets bewusst, dass hinter jeder Stimme, die auf dem anonymen Wahlzettel ja sehr abstrakt erscheint, ein ganzer Bürger steht?

Olaf von Löwis: Ja, das ist mir während des ganzen Wahlkampfs und vor allem in der Stichwahlphase sehr aufgefallen. In dieser Zeit sind die Sinne sehr geschärft und man schaut sich die Leute ganz genau an, fragt sich, wer steckt da wirklich dahinter, wie kann ich ihn überzeugen. Aber auch, wo habe ich noch nicht genug Überzeugungsarbeit geleistet. Also nein, ich habe überhaupt kein Problem damit, hinter jeder Stimme einen Menschen zu sehen und den auch weiterhin in mir zu haben. Das ist auch der Grund dafür, warum ich mich überhaupt dafür entschieden habe, eine politische Laufbahn einzuschlagen.

Holzkirchner Stimme: Sind Sie also politischer Idealist?

Olaf von Löwis: In gewisser Weise schon. Es geht mir nicht um die Position oder Eitelkeiten. Es geht mir darum, in einem kleinen Bereich wirklich etwas erreichen zu können. Etwas tun und bewegen zu können, das ist mir wichtig.

Holzkirchner Stimme: Der Wahlkampf war gerade in der letzten Phase nicht immer sachlich. Von gegnerischer Seite wurde Ihnen eine Nähe zum affärengeplagten Ex-Landrat Jakob Kreidl vorgeworfen. Sie selbst haben gesagt, dass Sie die Angriffe sehr getroffen haben. Ist die Hand zur Versöhnung ausgestreckt?

Olaf von Löwis: Was ich vermisse, ist eine ehrliche und persönliche Entschuldigung. Die ist bislang leider nur in der Presse abgedruckt und liegt nachträglich als Einschreibebrief vor. Eine gewisse Enttäuschung ist da. Die politische Gegnerin (Birgit Eibl, Anm. der Redaktion) hat dies als ganz normales Mittel für den Wahlkampf angesehen – das respektiere, aber akzeptiere ich nicht. Überhaupt nicht, für mich käme das nicht in Frage. Ich halte das auch im Nachhinein für den falschen Weg, wenn es ins Persönliche und Private geht. So etwas muss man auch einem politischen Gegner nicht zumuten.

“Zuhören ist so wichtig”

Holzkirchner Stimme: Sie waren früher einmal als Parteifreier auf der Liste der SPD. Muss man in diesem Landkreis in der “richtigen” Partei sein, um politisch etwas zu erreichen?

Olaf von Löwis: Sieht fast so aus (lacht). Ich widerspreche nicht. Zumindest war es bisher so. Wir erleben hier aber einen Umbruch. Die Leute gehen heute mit viel mehr Wissen in die Wahl, die Menschen wählen bewusster, personenbezogener. Es wird viel weniger über Listenkreuze gewählt und die Parteien müssen sich an anspruchsvollere Wählerschaften anpassen. Wir müssen die Wähler mit Argumenten überzeugen und die Menschen mitnehmen. Zuhören ist so wichtig. Das gilt auch für die CSU: Wir haben im Gemeinderat die absolute Mehrheit verloren. Auch die CSU verspricht nicht mehr: Gehst du zu mir, wirst du was. Heute ist es anders. Die Politik besinnt sich, näher am Menschen zu sein.

Holzkirchner Stimme: Was bietet Ihnen die CSU, was Ihnen die SPD nicht bieten konnte?

Olaf von Löwis: Meine ersten kommunalpolitischen Schritte habe ich als Parteifreier auf der Liste der SPD gemacht. Ich habe dann schnell gemerkt, dass ich die Kommunalpolitik toll finde, die SPD aber nicht so richtig zu mir passt. Zum Beispiel ist mir das Thema Eigentum sehr wichtig, ich selbst bin eher konservativ. Da besteht einfach mehr Schnittmenge mit der CSU. Aber ich habe immer ein positives Verhältnis mit der SPD gepflegt.

Holzkirchner Stimme: Im Bund lassen sich die einzelnen Parteien inhaltlich ohnehin nicht mehr klar unterscheiden. Was bei den einen der Mindestlohn ist, ist bei den anderen die Lohnuntergrenze, um nur ein Beispiel zu nennen. Ist das Parteienprofil auf der Kommunalebene noch klarer und wenn ja, inwiefern?

Olaf von Löwis: Tatsächlich sind die Antworten, die die einzelnen Parteien auf Fragen geben, oft sehr ähnlich. Aber die Politik muss sich heute nicht mehr nur unterscheiden, es geht nicht mehr nur um die reflexartige Abgrenzung vom politischen Gegner. Oft dient diese lediglich dem Zweck des Wählerfangs. Man muss unabhängig davon, was der Gegner sagt, einen Standpunkt haben und den verteidigen. Und wenn der nun mal der gleiche ist, wie der von den anderen Parteien, dann ist er halt nun mal der gleiche. Die CSU muss nicht zwingend eine andere Meinung haben, nur um sich zu profilieren. Der Inhalt, den ich verspreche, muss glaubwürdig sein.

“Holzkirchen hat ein Potential für den Tourismus”

Holzkirchner Stimme: Sie sind mit einer modernen Kampagne aufgefallen. Sich selbst können Sie also gut verkaufen. Auch Holzkirchen stünde hier und dort ein besseres Image gut zu Gesicht. Wie wollen Sie den Ort – auch im Hinblick auf seine touristische Attraktivität – besser vermarkten?

Olaf von Löwis: Holzkirchen hat ein Potential für Tourismus. Es gibt den Tages- und Geschäftstourismus, aber auch der Ort selbst hat etwas zu bieten. Um dieses Potential zu nutzen, haben wir den Bereich Standortförderung entwickelt. Ich würde den Bereich gerne noch ausbauen, wir brauchen hier mehr Personal in der Gemeinde. Wenn die personellen Voraussetzungen geschaffen sind, werden wir auch im Tourismus weiterkommen. Ich möchte auch die neuen Synergien, die die geplante Tourismusfusion mit sich bringt, für den Norden anzapfen.

Holzkirchner Stimme: Sie sind also für die umstrittene Fusion?

Olaf von Löwis: Auf jeden Fall. Es gibt keine Alternative. Das ist absolut die Zukunft.

Holzkirchner Stimme: An welche tourismusfördernden Maßnahmen denken Sie konkret?

Olaf von Löwis: Ein neues Hotel ist denkbar, je zentrumsnäher desto besser. Ein Pluspunkt für Holzkirchen ist auch das Sportangebot: Hier werden einem nicht körperliche Höchstleistungen abverlangt, wir können einen sanften Tourismus bieten. So sind die Spaziergänge und Fahrradtouren hier auch weniger anstrengend – nicht jeder will den Wallberg hoch. Man könnte diese Spaziergänge mit attraktiven Stellen zu einem Wandernetz verbinden, zum Beispiel vorbei an schönen Bauernhöfen mit Hofladen oder einer Kapelle. Das alles könnte man in ein touristisches Konzept einbinden.

Holzkirchner Stimme: Bis auf den Altwirt in Hartpenning gibt es kein wirkliches Hotel, das als Touristenmagnet dienen kann …

Olaf von Löwis: Die Alte Post sehe ich auf Augenhöge mit dem Altwirt. Das Alpinplus ist noch so ein kleiner Geheimtipp.

Holzkirchner Stimme: Würden Sie für ein Hotel auch eine Wiese zubauen?

Olaf von Löwis: An der richtigen Lage bin ich dabei. Aber natürlich muss man sich das gut überlegen. Das muss sich auf jeden Fall rentieren. Und es muss sich optisch in die Landschaft und Umgebung einfügen. Es gibt wunderbare Möglichkeiten, wie man einfühlsam bauen kann.

Holzkirchner Stimme: Also kein Hotel Überfahrt?

Olaf von Löwis: Auf keinen Fall, nein.

“Der Verkehr bremst Visionen aus”

Holzkirchner Stimme: Wie würden Sie Holzkirchens Image in drei Adjektiven beschreiben?

Olaf von Löwis: Attraktiv – von der Lage her.
Fortschrittlich – im Hinblick auf die Industrie und das Gewerbe.
Liebenswürdig – es gibt hier viele Vereine, man wird mit Offenheit empfangen.

Holzkirchner Stimme: Die Ortsgestaltung lässt hier und dort – vor allem im Zentrum Holzkirchens – zu wünschen übrig. Manche Partei träumt von einer Art Fußgängerzone im Ortskern. Wie sieht Ihre Version von der perfekten Gemeinde aus?

Olaf von Löwis: Eine Fußgängerzone halte ich nicht für realistisch, aber sie ist eine Vision. Eine Flaniermöglichkeit zwischen dem Bahnhof, dem Marktplatz, dem Postbräu-Areal bis hin zum Kogl wäre eine spannende Möglichkeit. Aber der Verkehr ist immer im Weg, der zerschneidet Holzkirchen.

Holzkirchner Stimme: Gutes Stichwort. Verkehr ist ein Brennpunktthema im Ort. Wie sieht Ihre Lösung aus?

Olaf von Löwis: Der Weg muss sein, dass wir uns mit Experten zusammensetzen und über den Rand hinausschauen. Wir brauchen ein Konzept, das alles miteinbezieht. Unser Ziel muss sein: So wenig Verkehr wie möglich, aber wir müssen auch an die Geschäftsleute denken, deren Geschäfte angefahren werden müssen. Wenn wir den Verkehr in den Griff kriegen, ist die Umsetzung von Visionen möglich.

Mit den aufmuckenden Hartpenningern hat von Löwis bereits Bekanntschaft gemacht.
Mit den aufmuckenden Hartpenningern hat von Löwis bereits Bekanntschaft gemacht.

Holzkirchner Stimme: Was sagen Sie zur Umgehungsstraße? Auch die beiden neuen Korridore kommen nicht überall gut an. Die Hartpenninger mucken zum Beispiel ordentlich auf.

Olaf von Löwis: Ich finde es begrüßenswert, dass die Hartpenninger aufmucken. Ich will ja nicht die Straße als Selbstzweck, die soll den Menschen helfen. Die Westumfahrung bei Hartpenning halte ich für nicht durchsetzbar, es gäbe hier erhebliche Landschaftseingriffe. Die ortsnahe Umgehung ist an und für sich gut, aber Hartpenning würde mehr belastet werden und die ersticken jetzt schon im Verkehr.

Holzkirchner Stimme: Ein unlösbares Dilemma also?

Olaf von Löwis: Die ursprünglich geplante erste Trasse wäre sicher die beste Lösung gewesen, aber die ist vom Tisch. Wir müssen jetzt erst nochmal Fachleute fragen, offen über eine Gesamtlösung sprechen. Eine Verkehrsentlastung des Gemeindegebietes kann eventuell auch durch Maßnahmen außerhalb von Holzkirchen erzielt werden. Wir müssen uns an einen Runden Tisch setzen, ich möchte da auch die Bürgermeister der Nachbargemeinden dabei haben, denn auch die sind betroffen.

Der Bürger hat das letzte Wort

Holzkirchner Stimme: Was halten Sie von einem Bürgerentscheid zu dem Thema?

Olaf von Löwis: Dem muss sich der Gemeinderat wirklich stellen. Ich bin dafür.

Holzkirchner Stimme: Und der Bürger hat dann wirklich das letzte Wort?

Olaf von Löwis: Ja. Allerdings schließt das nicht aus, dass das Projekt zu späterer Zeit noch einmal angegangen werden kann. Ein solcher Bürgerentscheid ist für zwei Jahre bindend.

Holzkirchner Stimme: Viele Bürger beunruhigt auch das Thema Strahlenbelastung. Stichwort Handymasten und Tetrafunk. Ist ein Sendemasten für Holzkirchen tatsächlich vom Tisch?

Olaf von Löwis: Ja, ein Tetrafunkmasten in Holzkirchen selbst ist vom Tisch. Allerdings erfolgt die Strahlung nach Holzkirchen genauso, wenn der Masten in Valley steht, das sollte man immer bedenken. Holzkirchen muss mit Tetrafunk abgedeckt sein, aber natürlich verstehe ich solche Ängste. In Holzkirchen gibt es ja schon einige Mobilfunk-Masten. Tetrafunk ist ausschließlich für Notfalleinrichtungen wie die Polizei, die Feuerwehr und das Rote Kreuz o.ä. gedacht. Mich interessiert insbesondere auch, was die Strahlung für den unmittelbar betroffenen Feuerwehrmann bedeutet.

Holzkirchner Stimme: Die Notwendigkeit eines Mobilfukmastens leuchtet vielen Menschen vermutlich besser ein als der von Tetrafunk. Von den Empfangsbalken am eigenen Handy profitiert man – zumindest gefühlt – im ersten Moment mehr als von ausgebautem “Behördennetz”.

Olaf von Löwis: Sicher war hier der Aufklärungsfluss nicht ausreichend, man hätte viel mehr in die Öffentlichkeit gehen und erklären können, warum das notwendig ist. Wie gesagt, die Bevölkerung muss mitgenommen werden. Die Angst ist verständlich. Denn wenn ich nicht weiß, was es ist, entwickele ich Ängste.

Liveübertragung nur einstimmig möglich

Holzkirchner Stimme: Wie lässt sich denn eine solche Kommunikation zwischen Politikern und Bürgern ihrer Meinung nach verbessern?

Olaf von Löwis: Natürlich sind die Medien hierfür wichtig. Aber über die Medien erreicht man nicht alle Bürger. Wie informiert man die anderen? Das ist eine wichtige Frage. Ich könnte mir zum Beispiel einen Infopoint am Rathaus vorstellen.

Live-Übertragungen aus dem Stadtrat - hier das Beispiel aus Pfaffenhofen.
Live-Übertragungen aus dem Stadtrat – hier das Beispiel aus Pfaffenhofen.

Holzkirchner Stimme: Wäre eine Liveübertragung aus den Gemeinderatssitzungen nicht auch förderlich?

Olaf von Löwis: Sicher, aber soweit sind wir noch nicht. Viele Mitglieder des Rathauses lehnen das aus Gründen des Datenschutzes beziehungsweise der Persönlichkeitsrechte ab. Der Beschluss muss hier einstimmig erfolgen.

Holzkirchner Stimme: Aber ist das nicht inkonsequent? Wenn die Bürger jemanden als Volksvertreter wählen, warum sollen dann die geführten Debatten nicht so transparent wie möglich gestaltet werden?

Olaf von Löwis: Nein, das ist nicht inkonsequent. Wir haben einen Zuschauerraum, die Bürger können an den öffentlichen Sitzungen teilhaben. Bei brisanten Themen wie der Nordumfahrung waren viele Leute da. Wir haben auch schon einmal eine Sitzung in den Oberbräu-Saal verlegt, um möglichst viele Besucher teilhaben zu lassen. Wir können also auch auf diese Art viel Transparenz schaffen.

Holzkirchner Stimme: Dennoch, die Zukunft ist das Internet und nicht jeder will abends aus dem Haus, um die Gemeinderatssitzung vor Ort zu besuchen. Mit dem Laptop auf der Couch ist es einfach bequemer. Man könnte sagen: Die Politik verpasst eine Chance, den Bürger buchstäblich „daheim“ abzuholen. Da Sie dem Ganzen nicht abgeneigt sind, wann wäre ein solcher Livestream realistisch?

Olaf von Löwis: Ich denke, das ist ein Prozess. Aber in dieser Legislaturperiode rechne ich nicht damit.

Holzkirchner Stimme: Herr von Löwis, wir danken Ihnen für das Gespräch.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein