Unterwegs mit den “Glücksbringern”

Lebensmittel gibt es bei uns im Überfluss. Eine Menge davon landet jedoch im Müll. Und das obwohl andererseits bei einigen Menschen Mangel herrscht.

Die Tafel verteilt um und bringt das Essen dahin, wo es gebraucht wird. „Glücksbringer“ – so steht es auf dem Lieferwagen der Holzkirchner Tafel. Das trifft es auf den Punkt.

Tomaten, Kürbisse, Trauben und mehr - gemeinsam mit Andreas Gams und Astrid Hawliczek steuern wir Märkte in Holzkirchen und Sauerlach an
Tomaten, Kürbisse, Trauben und mehr – gemeinsam mit Andreas Gams und Astrid Hawliczek steuern wir Märkte in Holzkirchen und Sauerlach an

Einmal im Monat tut Andreas Gams das, was er für wichtig hält. „Ich selbst hatte im Leben so viel Glück. Da will ich auch was davon weitergeben.“ Der ehemalige Postbote kennt sich aus in Holzkirchen. Und dieses Wissen nutzt er. Alle vier Wochen fährt der 70-Jährige mit dem Vereins-Lieferwagen Lebensmittel einholen. Er ist einer der rund 60 Ehrenamtlichen der Holzkirchner Tafel.

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Messer und Gabel sind die Symbole der Tafeln in Deutschland. Sie sagen auf einen Blick aus, um was sich diese Organisation kümmert: dass das Essen dort ankommt, wo es hingehört – im Bauch des Menschen.

Kunden statt Bittsteller

Erste Station ist der „Sauerlacher Markt“. Astrid Hawliczek, 1. Vorsitzende des Vereins, hatte vorher alle potentiellen Lebensmittellieferanten angerufen, ob sie an diesem Freitagnachmittag auch Ware für die Tafel haben. Die Verwaltungsarbeit der Organisation ist nicht unerheblich. Lieferanten, Mitglieder und Kunden müssen organisiert werden.

Wichtig ist, dass eine gewisse Anonymität der Kunden gewahrt bleibt, erklärt Hawliczek. Denn das schützt ihre Würde. „Wir wissen keine Einzelheiten, außer, dass sie berechtigt sind.“ Um von der Holzkirchner Tafel bedient zu werden, benötigen die etwa 34 bis 40 Abholer eine HolzkirchenCard der Kommune oder einen vom BRK Kleiderladen ausgestellten Sozialausweis. Insgesamt versorgt die Holzkirchner Tafel also, etwa 80 bis 100 Abnehmer mit Lebensmitteln, wenn man die Familienangehörigen dazuzählt.

Außerdem bezahlt jeder Abholer einen symbolischen Euro. Eine weitere Bestätigung dafür, dass man sich nicht unbedingt als „Bittsteller“ vorkommen muss, wenn man hierher kommt, so Hawliczek:

Wir behandeln unsere Abholer mit Respekt und erwarten das gleiche auch von ihnen.

Mit dem Lieferwagen kommen wir bei dem Geschäft an. Nachdem ein Mitarbeiter des Marktes die überschüssigen Lebensmittel in den Hof gefahren hat, beginnen wir damit, die Lebensmittel auszusortieren. „Die Arbeit ist nicht ohne“, hatte mich Hawliczek gewarnt. Deshalb sind sie zur Abholung immer zu dritt unterwegs.

Tomaten, Trauben, Paprika, Kürbisse, Birnen und mehr. Eine knappe Viertelstunde sind wir damit beschäftigt, die Früchte aus ihrer Plastik-Umverpackung zu schälen. Müll vermeiden heißt die Devise. Deshalb nehmen wir auch keine Holzkisten oder Pappkartons mit in die Tafel-Räume, sondern schichten alle Lebensmittel in die mitgebrachten, grünen Plastikboxen um.

Lebensmittel kostenlos verteilen statt vernichten

„Alles, was man seinen eigenen Kindern auch noch zu essen geben würde“. Nach diesem Motto trennen wir die essbaren Lebensmittel von denen, die schon angefault sind oder schimmeln. Diese lassen wir im Markt zurück.

Die Tafeln bemühen sich um Ausgleich. Sie sammeln Obst, Gemüse, Brot und anderes ein, um es an ihre „Kunden“ zu verteilen. Dabei können sie nur das geben, was sie kostenlos von anderen bekommen, erklärt die Vorsitzende.

Ehrenamtliche Helferinnen vor der samstäglichen Essensausgabe
Ehrenamtliche Helferinnen vor der samstäglichen Essensausgabe

Dieses Prinzip war es, das die Holzkirchnerin animiert hatte, sich für die hiesige Organisation zu engagieren. „Man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits rettet man Lebensmittel, andererseits kann man Menschen helfen – und das auch noch direkt vor der eigenen Haustür.“

60 Mitglieder zählt der Holzkirchner Verein inzwischen. Nächstes Jahr wird 10-jähriges Jubiläum gefeiert. Unterstützung bekommen die Helfer nicht nur von der Kommune, die die Räume im Kindergarten in der Frühlingstraße kostenlos zur Verfügung stellt. Neben den Ehrenamtlichen, die freitags und samstags beim Einholen und Verteilen des Essens helfen, sind es vor allem die Märkte, die das Essen abgeben, die die Hilfsaktion überhaupt erst ermöglichen.

Nachdem wir den Sauerlacher Markt mit fünf Kisten Früchte verlassen haben, sind wir im Penny-Markt angekommen. Hier erwarten uns vor allem schwere Säcke an Kartoffeln, eine Vielzahl an Bananen und weiteres Gemüse. Das Prozedere ist dasselbe wie im vorigen Markt, nur dass das Gewicht – vor allem der Kartoffeln wegen – unseren Rücken merken lässt, wie viele Kisten wir da gerade umschichten.

Faire, gerechte Verteilung

Die Kunden der Tafel sind froh um jeden Beitrag an Lebensmitteln für ihre heimischen Küchen. Was zur Zeit besonders gern genommen werden, sind Paprika, Tomaten und Brot, erzählt Hawliczek. Das kommt aber auch drauf an, wer zur Abholung kommt. Vor allem sind es Familien, Alleinerziehende, aber auch Senioren, die sich samstagsnachmittags in den Kindergarten zur Abholung aufmachen. Menschen, denen trotz Sparen das Geld „hinten und vorne nicht reicht“. Auch einige Asylbewerber kommen in letzter Zeit.

Um eine faire und gerechte Verteilung zu gewährleisten, zieht jeder Berechtigte zwischen 13:50 und 14 Uhr eine Losnummer, die die Reihenfolge der Ausgabe an die Abholer bestimmt. Abholer, die erst nach 14 Uhr kommen, erhalten Lebensmittel, nachdem die Ausgabe den Losnummern nach abgeschlossen ist. Gehbehinderte, die ein ärztliches Zeugnis vorweisen, werden von den Tafelmitarbeitern zuhause beliefert. Den Initiatoren um Astrid Hawliczek ist es besonders wichtig, die Bezeichnung „Kunde“ zu verwenden. Nicht „hilfesuchend“ – und schon gar nicht „arm“.

Der Vorstand der Tafel (v.li.stehend): Kassierin Sigrun Hilger; Schriftführerin Christiane Freudenstein; Beisitzerin Karina Jaschner; (v.sitzend): 1. Vorsitzende Astrid Hawliczek; Vize Hans Sepperl
Der Vorstand der Tafel (v.li.stehend): Kassierin Sigrun Hilger; Schriftführerin Christiane Freudenstein; Beisitzerin Karina Jaschner; (v.sitzend): 1. Vorsitzende Astrid Hawliczek; Vize Hans Sepperl

Nachdem wir noch in den Holzkirchner Märkten „Penny“, „EDEKA“ und „Bio Terra“ waren, sind einige Kisten an Lebensmitteln zusammengekommen. Neben Obst und Gemüse gibt es auch Fertiggerichte, Süßigkeiten und Milchprodukte. Passend zu Kirchweih werden außerdem Tiefkühlgänse und –enten gespendet.

Am Wochenende wird sich nochmal ein Abholer-Team auf den Weg machen, um hauptsächlich Brot und Backwaren und Frischware abzuholen. Ab 13 Uhr werden die Helfer dann die Lebensmittel im Abholraum anrichten, damit die Kunden kommen können. Das Ziel ist klar: Die Menschen sollen mit einem Lächeln den Raum zu verlassen und wissen, dass sie gerüstet sind für eine ganze Woche.

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