Fahrradstraße im Kreuzfeuer

Für das neue Schuljahr ist alles vorbereitet: Das Gebäude steht, die ersten Möbel sind da, die Schulleitung bezieht ihre Räume. Grob ist abgesteckt, wie die Schüler in die Schule kommen. Doch in der Praxis gibt es noch viele offene Fragen. Jetzt, kurz vor dem ersten Schultag, kommt der Vorschlag einer Fahrradstraße. Die Anlieger sind überrascht – und gespalten.

Noch gibt es keine Vorgaben von Gemeinde oder Landkreis, auf welchen Wegen die Schüler ins neue Gymnasium kommen werden.
Noch gibt es keine Vorgaben von Gemeinde oder Landkreis, auf welchen Wegen die Schüler ins neue Gymnasium kommen werden.

Der kürzeste Weg vom Bahnhof zum neuen Gymnasium führt durch die Siedler- und die Karl-Stieler-Straße. Zwar ist der Anteil der Fahrschüler nicht so hoch, wie der neue Schulleiter Axel Kisters berichtet, da um die 85 Prozent aus Holzkirchen und der direkten Umgebung kommen. Trotzdem werden zahlreiche der rund 300 Gymnasiasten diesen Weg nehmen. „Wir sehen die Entfernung von ein paar hundert Metern als zumutbar zum Laufen an“, sagt Kisters.

Die Fahrschüler wurden rechtzeitig mit alle wichtigen Informationen wie Fahrzeiten, Wege, Bushaltestellen versorgt, so Kisters. Auch Pressesprecher Gerhard Brandl vom Landratsamt Miesbach bestätigt, dass die BOB-Fahrzeiten den Unterrichtszeiten angepasst sind. Auch der RVO-Bus fahre zum Bahnhof und zu Stoßzeiten bis zu den Schulen. Fahrberechtigungen für Fahrschüler werden übrigens weiterhin vom Landratsamt übernommen.

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Nord-Anfahrt für Busse und Eltern

“Die Busanfahrt ist von Norden aus vorgesehen, so dass eine Ortsdurchfahrt vermieden werden kann“, erläutert Bürgermeister Olaf von Löwis (CSU). Das gleiche gilt für die Eltern, die ihre Zöglinge persönlich in die Schule bringen oder abholen möchten.

Dort befindet sich auch ein großzügiger Parkplatz mit rund 155 PKW-Stellplätzen. Der ist für die 30 Lehrer, aber auch Schüler und Personal der Fachoberschule (FOS) vorgesehen. „Das müsste erst mal reichen“, signalisiert Schulleiter Kisters. Da das Gymnasium mit den Klassen 5, 6 und 7 startet, besteht hier erst mal kein Bedarf von Schülerseite aus. Für die Radfahrer wurden 250 Stellplätze errichtet.

Der neue Parkplatz für Schüler und Lehrer
Der neue Parkplatz für Schüler und Lehrer

Aus Sicht der Gemeinde sind die „Planungen gut durchgecheckt“. Bürgermeister von Löwis rechnet mit „erheblichem Fußgänger- und Fahrradverkehr, für den ein technisches und rechtliches Instrumentarium“ geschaffen werden müsse. Auch er geht davon aus, dass die Kinder den direkten Weg „pulkartig und unabhängig davon, wie sicher er ist“ wählen. Deshalb wünscht er sich einen abgeschirmten Weg, eventuell mit Beschilderungen, sowie Schulhelfer für morgens und mittags.

Sicherheit für die Schüler

Im Gegensatz zu den Anliegern der künftigen Hauptverkehrsachse zwischen Bahnhof und Schule ist er schon länger in Überlegungen zu einer Fahrradstraße eingeweiht. Das Konzept einer bewussten Gestaltung des Verkehrs zwischen Erlkamer Straße und Erich-Kästner-Straße hat der Runde Tisch Rad seit Anfang des Jahres auf seiner Agenda.

Aber erst jetzt, zehn Tage vor Schulstart, erhielten die Anlieger der betroffenen Straßenzüge eine Einladung zu einem Informationsgespräch am 16. September. „Bei einer Fahrradstraße bekommt die ganze Fahrbahn die Funktion eines Radwegs“, erläutert Hartmut Romanski, der Radbeauftragte der Gemeinde Holzkirchen.

Die Straße kann von Fußgängern, Rad- und Autofahrern gleichberechtigt benutzt werden, Radler jedoch haben Vorrang. Ziel dahinter ist es, die Dominanz der Autofahrer einzuschränken. Anders gesagt: Es soll nicht der beliebteste Weg für den Hol- und Bringverkehr werden.

Fahrradstraße als Vorschlag

Das bedeutet, so von Löwis, dass auch „drei Radfahrer nebeneinander fahren dürfen“. Für Romanski hat sich das Konzept in mehreren Orten bewährt und biete nur Vorteile. Es sei ein „Mittelding zwischen Fußgängerzone und verkehrsberuhigtem Bereich“. Tempo 30 sei weiterhin erlaubt, für die Fußgänger seien die Gehwege vorgesehen.

Mit Einführung einer Fahrradstraße möchte der Runde Tisch Rad seine Vorreiterrolle als fahrradfreundliche Gemeinde ausbauen. „Aber natürlich nur, wenn die Bürger einverstanden sind, es ist nur ein Vorschlag“, versucht Romanski möglichem Gegenwind zuvorzukommen. Doch die Anlieger sind geteilter Meinung.

Theresia Widmair, aus der Siedlerstraße, lehnt das Konzept als reine „Prestigesache“ ab. Sie befürchtet, dass vor allem die jugendlichen Radfahrer der Verantwortung nicht gewachsen sind und ihre „Narrenfreiheit“ ausleben werden. Die Rentnerin sorgt sich um die Sicherheit der Fußgänger in der Karl-Stieler-Straße, an der kein Bürgersteig entlangführt.

Hier könnte die Fahrradstraße eingerichtet werden, wenn es nach den Vorstellungen vom Runden Tisch Rad ginge. Unklar ist der Fußgängerbereich, da der Fußweg hier endet.
Hier könnte die Fahrradstraße eingerichtet werden, wenn es nach den Vorstellungen vom Runden Tisch Rad ginge.

Im Prinzip befürwortet sie die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer, allerdings könnte sie sich z.B. eine Einbahnstraße vorstellen. Massiv kritisiert sie, dass die Anlieger so spät informiert wurden. Widmair hofft, dass sich viele Anwohner gegen den Vorschlag auflehnen.

Wenig Hoffnung auf Mitspracherecht

Salome Schrade, Bewohnerin der Südstraße, hingegen findet das Konzept “perfekt”. Sie würde es sogar auf die Nebenstraßen im Umkreis ausweiten, um den neuen Schulweg der Kinder noch sicherer zu gestalten. Auch, wenn die Schüler im Pulk fahren werden, sieht die junge Mutter auf die kurze Strecke keine Probleme „wenn die Fronten zwischen Autofahrern und Radfahrern geklärt sind“.

Franz Stubenrauch sieht das Streitthema gelassen: „Auch an eine Fahrradstraße werden wir uns gewöhnen“. Dass eine echte Chance auf Mitspracherecht bei dem geplanten Treffen besteht, glaubt der Anwohner jedoch nicht.

Die Rahmenbedingungen sind abgesteckt. Der Tenor bei den Verantwortlichen von Schule, Stadt und Landratsamt lautet: Erst mal abwarten und beobachten, dann schauen wir weiter. Aber manche Anlieger fühlen sich zu spät ins Boot geholt. Für sie heißt es: Abwarten, was der 16.September bringt.

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