Urteil gegen Pflegerin für Montag erwartet

„Sie wollte wirklich sterben!“ Pflegerin Andrea T. bestreitet nach wie vor, ihren Schützling – die 81-jährige Martha K. – mit einem Medikamentencocktail vergiftet zu haben. Die Demenzkranke soll Selbstmordgedanken gehabt haben. Davon wollen Freunde, die vor Gericht aussagten, nichts gewusst haben.

Auch der polnische Kollege der Krankenschwester wurde als Zeuge gehört. Er ist der Einzige, der in jener Mai-Nacht dabei war, als die Pflegerin die Tote fand. Doch vor Gericht verstrickte er sich in Widersprüche. Will er die Angeklagte schützen?

Seit dem 9. Januar sitzt die frühere Pflegerin Andrea T. vor dem Münchner Landgericht.
Seit dem 9. Januar sitzt die frühere Pflegerin eines Kreuther Altenheims vor dem Münchner Landgericht.

Am vergangenen Donnerstag begann das Verfahren gegen die 42-jährige Pflegerin am Münchner Landgericht. Sie muss sich für den vermeintlichen Giftmord an einer 81-jährigen Bewohnerin eines Kreuther Seniorenheims verantworten. Dabei handelt es sich um einen reinen Indizienprozess.

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Am ersten Verhandlungstag ging es hauptsächlich um die Angeklagte. Ihr bisheriges Leben, ihre Sicht auf die spätere Tote und das scheinbar gute Verhältnis zwischen der Pflegerin und ihrem Schützling. So richtig glauben wollten Staatsanwaltschaft und Richter Andrea T.s Aussagen allerdings nicht. Zu oft, so Staatsanwalt Florian Gliwitzky, hatte sie sich bereits im Vorfeld in Widersprüche verwickelt.

Ein Kollege mit widersprüchlichen Aussagen

Am zweiten Prozesstag wurde dann der polnische Kollege von Andrea T. vernommen. Anfangs schienen die Fragen für den 38-Jährigen noch einigermaßen klar zu sein. In der Mai-Nacht 2012, als die Altenpflegerin die Tote fand und mit dem Schrei kundtat: „Sie lebt nicht mehr“, hatte ihr Kollege Dienst. Er habe bereits viele Leblose gesehen, so der gebürtige Pole. Martha K. sah für ihn damals so aus, als habe die Rentnerin nur das Bewusstsein verloren, erinnert er sich.

Im Laufe der weiteren Fragen verfing sich der Zeuge dann allerdings in Widersprüche. Trotz Dolmetscherin schien er die einfachsten Fragen nicht zu verstehen. Besonders an gewisse Details im Umgang mit seiner Kollegin – die er damals der Polizei geschildert hatte – konnte er sich nun scheinbar nicht mehr erinnern.

Beispielsweise, ob er Andrea T. den Schlüssel zum Schwimmbad überreicht oder ob sie einen Brief auf den Tisch gelegt hatte. Genauso wie die Annahme, sie sei verärgert gewesen, weil er nach dem Tod den Pflegedienstleiter angerufen hatte. War er schlichtweg mit der Situation überfordert, oder wollte er die Angeklagte schützen? Staatsanwaltschaft und Richter nahmen wohl eher Zweiteres an.

Vermögend und großzügig

Am dritten Prozesstag ging es darum, eine möglichst genaue Beschreibung vom Leben der Rentnerin zu bekommen. Pflegerin Andrea T. behauptete bei ihrer Vernehmung am vergangenen Donnerstag, die 81-Jährige hätte über Monate hinweg Pläne geschmiedet, aus dem Leben zu scheiden. Doch davon weiß nur die gebürtige Ungarin. Anderen Personen aus dem Heim hatte sie sich nicht anvertraut. T. führt das Vertrauen auf die gegenseitige Freundschaft zurück.

Vor Gericht erschienen Zeugen, die die gebürtige Münchnerin als vermögende, großzügige Dame beschreiben. Ein Schreiner aus Seeshaupt sagte aus, er habe von ihr zu Lebzeiten ihren zwei Jahre alten Mercedes, 20.000 Euro sowie Schmuck bekommen. Damals war sie von München an den Starnberger See gezogen. Auch als die frühere Zahnärztin in das Heim nach Kreuth übergewechselt sei, blieb der 52-Jährige ihr gewogen.

Im Laufe der Verhandlung wurden auch viele Zeugen gehört.
Im Laufe der Verhandlung wurden auch viele Zeugen gehört.

Häufig besucht er sie mit seiner Ehefrau. „Wir haben uns gut verstanden“, berichtete der Mann. Das Paar unterstützte die Seniorin etwa bei handwerklichen Tätigkeiten oder bei Einkäufen. Man verstand sich, auch ohne viele Worte – so beschreibt der Schreiner die Beziehung. Zwar bemerkten die beiden Stimmungsschwankungen an der Freundin. Einmal sei sie sehr niedergeschlagen gewesen. Doch in den Monaten vor ihrem Tod hätte sie zufriedener gewirkt, hätte sich offenbar wohler gefühlt in Kreuth. Von Selbstmordgedanken bekam das Paar nichts mit.

Eine weitere Freundin bestätigte die Aussage des Mannes. Die 81-Jährige habe zufriedener gewirkt. „Sie war ruhig geworden und relativ glücklich“, so die 63-Jährige über ihre Freundin. Trotzdem räumte sie vor Gericht ein, vom immer wiederkehrenden Todeswunsch der früheren Zahnärztin gewusst zu haben. Die Todesnachricht sei dann aber trotzdem plötzlich gekommen. Davon erfahren habe sie – noch vor der Polizei – von der Angeklagten selbst.

Ermittler berichten

Ebenfalls ausgesagt haben mittlerweile Beamte der Miesbacher Kriminalpolizei. Den Verdacht zu einem Mord hatten die Ermittler demzufolge lange Zeit nicht. Zuerst, so eine Hauptkommissarin, sei man von einem natürlichen Tod ausgegangen, später ermittelten die Beamten dann in Richtung eines Suizids.

Erst durch den fehlenden Schmuck habe sich der Verdacht in Richtung der beiden Pfleger ergeben. Dabei gab sich vor allem die 41-jährige Andrea T. höchst verdächtig. Im Rahmen einer Telefonüberwachung bekamen die Ermittler unter anderem mit, wie sie und ihr ungarischer Freunde über das Gold sprachen, das sie bei der Frau mitgenommen hatte. Und auch zu den Aussagen, die man gegenüber der Polizei machen wollte, beratschlagten sich die beiden.

Für kommenden Montag, den 20. Januar, ist der voraussichtlich letzte Verhandlungstag angesetzt. Richter Martin Rieder will dann auch das Urteil sprechen.

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