Erstmal stehen viele Gespräche an, doch eins ist jetzt schon klar: Eine Gesamtlösung dürfte es mit Schliersee nicht mehr geben. Dabei sind auch die Macher hinter dem Zusammenschluss mittlerweile in der Kritik. Vor allem aus dem Tal kommen klare Forderungen.
Es ist fast schon eine Ironie des Schicksals: Gestern debattierten die Wiesseer Gemeinderäte noch über die Tourismus-Fusion und ob sie ihre Abstimmung nicht noch aufschieben sollten. Ihre Sorge war klar: nicht, dass die Schlierseer Kollegen die Sache am Ende noch kippen. Letztlich wurde in Wiessee eine Entscheidung getroffen – auch um positive Signale nach Schliersee zu senden.
Doch nur wenige Stunden später kam der Paukenschlag: mit großer Mehrheit sprach sich der Schlierseer Gemeinderat schon vorzeitig gegen den Zusammenschluss aus. Damit ist die gesamte Fusion vom Tisch.
„Wir haben keinen Plan-B“
Die Reaktionen am Tag danach: irgendwo zwischen Ratlosigkeit und Entsetzen. TTT-Geschäftsführer Georg Overs bezeichnet das Ergebnis als „herben Rückschlag“. Überraschend sei gar nicht mal so sehr das Ergebnis, wohl aber der unerwartet frühe Zeitpunkt und die Deutlichkeit gewesen, mit der der Schlierseer Gemeinderat sich gegen das Projekt stellte. Ist der Zusammenschluss damit nun gestorben? „Das nicht“, meint Overs, „aber er liegt mindestens auf der Intensivstation.“
Und wie kann es jetzt weitergehen? Für den morgigen Donnerstag ist eine Krisensitzung im Landratsamt einberaumt. Dann wird über Alternativen gesprochen. Einen Plan-B gibt es aber nicht – jedenfalls nicht für den Landkreis, wie Overs sagt.
Die TTT ist aber nach wie vor gut aufgestellt. Für das Tegernseer Tal bedeutet das also nicht das Ende. Wir werden einen neuen Weg finden.
Ebensowenig möchte sein Kollege und Mitstreiter Harald Gmeiner jetzt die weiße Fahne schwenken. Der ATS-Geschäftsführer verspricht, dass sich ab morgen „intensiv mit der Sachlage und den Lösungen“ beschäftigt wird. Zumal die Alpenregion Tegernsee-Schliersee zumindest als Verein ja erstmal Bestand hat. „Der wird sich sicher nicht einfach von heute auf morgen auflösen.“
Die Weichen neu zu stellen, bedeutet für Gmeiner aber auch, Konsequenzen zu ziehen – schließlich wollen 16 von 17 Landkreis-Gemeinden die Fusion. „Schliersee hat dem Zusammenschluss eine klare Absage erteilt, damit ist die Sache aus unserer Sicht abgeschlossen. Mit Schliersee wird es also keine Landkreis-Lösung geben.“
Rzehak: „Kein gutes Zeichen“
Landrat Jakob Kreidl wandte sich in einem schriftlichen Statement an die Öffentlichkeit: „Das ist ein äußerst schmerzlicher Rückschritt auf dem langen Weg, den wir bereits gegangen sind“, bedauert Kreidl und meint ferner: „Unter diesen geänderten Bedingungen müssen wir uns neu orientieren und alle möglichen Alternativen ausloten.“
Ein Job, den schon bald Wolfgang Rzehak als neu gewählter Landrat übernehmen muss. Dass die Fusion gescheitert ist, sei „kein gutes Zeichen“, so Rzehak. Möglicherweise hätte der neue Schlierseer Gemeinderat anders entschieden, die Entscheidung müsse man dennoch akzeptieren. Wie dem auch sei – für Rzehak ist klar: „Für Schliersee wird es keine Extrawurst geben.“
Das Gespräch will er aber weiterhin suchen und eine Lösung mit Schliersee im Boot anstreben. „Ob so eine einsame Insel im Tourismusmeer überleben kann, halte ich für fraglich. Gut wäre es jedenfalls weder für Schliersee noch für den Landkreis“, so der designierte Landrat. Um jeden Preis wolle er die Lösung mit Schliersee aber nicht erzwingen – im Zweifelsfall wird der Landkreis einen anderen Weg gehen.
Kritik am Kurs der TTT
Im Rottacher Gemeinderat gehört Anastasia Stadler dem Tourismus-Ausschuss an. Sie hat die Fusion unterstützt, obwohl sie schon immer gewisse Zweifel in sich trug. Die Entscheidung von Schliersee findet sie „mutig“. Dass durch das Veto jetzt die gesamte Fusion hinfällig ist, glaubt sie aber nicht.
„Die drei Jahre Arbeit waren nicht umsonst. Wir müssen weiter machen und zusehen, dass wir endlich das fehlende Vertrauen aufbauen. Schließlich sind wir alle der Landkreis Miesbach – wir gehören zusammen.“ Besonders wichtig sei es jetzt, dass sich alle wieder auf die Tourismus-Arbeit im Tal konzentrieren.
Da haben wir in den drei Jahren viel versäumt. Und ich möchte auch, dass sich Herr Overs wieder dem Tal zuwendet. Dafür wird er bezahlt.
Andere Gastgeber üben noch deutlicher Kritik an der Rolle des TTT-Chefs. Namentlich will sich zwar keiner äußern, aber die „sinnlose Beschäftigung mit einer Fusion, die eigentlich keiner will“, kommt oft zur Sprache. Für die meisten zählt alleine der Tourismus am Tegernsee. Dabei gebe es noch genügend Baustellen bei der TTT. „Es war fahrlässig, die Verhandlungen zu starten, bevor man die bekannten Probleme nicht beseitigt hat,“ so die klare Meinung eines Wiesseer Vermieters.
Das sieht der Bürgermeister von Bad Wiessee, Peter Höß, ein wenig anders. Und auch die Entscheidung, dass gestern in seiner Gemeinde abgestimmt wurde, bereut er nicht. Ganz im Gegenteil: „Wir haben damit ein ganz deutliches, positives Signal gesendet.“ Höß ist stolz auf den „dynamischen Sitzungsablauf“ seines Gemeinderats und dass trotz einiger Vorbehalte einstimmig für die Tourismus-Fusion votiert wurde.
Wie es nun weitergeht, vermag aber auch er nicht zu sagen. Seine Devise lautet: Erstmal die anstehenden Gespräche abwarten und die Sache in Ruhe analysieren. Ob die beiden Hauptprotagonisten Georg Overs und Harald Gmeiner noch so viel Zeit bekommen, steht dabei auf einem anderen Blatt.
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