Betrunken geradelt oder geschoben?

Ein Münchner fährt nachts mit dem Auto durch Kreuth. Dabei beobachtet er, wie ein Mann am Straßenrand liegt. Als die Polizei kommt, stellt sich heraus, dass dieser betrunken ist und mit dem Fahrrad unterwegs war. Gestern stand der Kreuther als Angeklagter vor dem Amtsgericht in Miesbach.

Wurde das Fahrrad geschoben oder gefahren? Ein wichtiges Detail, wenn man mit 1,98 Promille unterwegs ist / Foto nachgestellt

Es war gegen 22 Uhr an einem Septemberabend als der Münchner Besitzer einer Diskothek die Bundesstraße bei Bad Wiessee entlang fuhr. Plötzlich sah er einen Mann im Straßengraben liegen. Der junge Autofahrer hielt an, leistete Erste Hilfe und verständigte den Notruf.

Als die Polizeibeamten am Unfallort ankamen, stellten sie schnell fest, dass der Verletzte, ein 57-jähriger Mann aus Kreuth, getrunken hatte und mit dem Fahrrad unterwegs war. Eine Blutprobe ergab später einen Wert von 1,98 Promille. So landete der Unfall gestern vor dem Miesbacher Amtsgericht. Geklärt werden musste, ob der Kreuther sein Fahrrad gefahren oder geschoben hatte. Richter Walter Leitner:

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Betrunken Radfahren ist verboten, betrunken schieben ist erlaubt.

Der Angeklagte wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern und so wurde der Münchner Ersthelfer befragt. Allerdings fehlte dem Mann weitestgehend die Erinnerung an den Vorfall. Weder konnte er sich erinnern, wo genau alles stattgefunden hatte, noch war er sich sicher, ob der Kreuther gefahren war oder geschoben hatte.

Genausowenig wusste er, wo genau das Fahrrad gelegen hatte. „Sie müssen sich hier mehr Mühe geben“, mahnte die Staatsanwältin. „Sie sind verpflichtet, die Wahrheit zu sagen.“

Zeuge weicht von erster Aussage ab

Am Abend des Unfalls hatte der Münchner zunächst erklärt, gesehen zu haben, dass der Radfahrer gefahren sei. Ein paar Wochen später, als er zu einer schriftlichen Aussage aufgefordert wurde, widerrief er diese Aussage. Und auch gestern vor Gericht gab er an, den Radler erst am Boden liegend gesehen zu haben. Den eigentlichen Sturz, geschweige denn die Momente davor, hatte er nicht beobachtet.

Der ebenfalls als Zeuge geladene Polizeibeamte hatte die Aussage des Zeugen ganz anders in Erinnerung. „Er hat uns ruhig und detailliert beschrieben, wie der Angeklagte immer weiter nach rechts fuhr – wohl um Autos vorbeizulassen.“, wiederholte der Beamte dessen Aussage in der Nacht des Vorfalls. „Dann sei er gegen den Randstein gefahren und gestürzt.“

Der Polizist gab an, sich da ganz sicher zu sein und ausdrücklich gefragt zu haben, ob der Unfall-Radler geschoben habe oder gefahren sei:

Davon hängt ja dann unsere ganze weitere Vorgehensweise ab.

Die Staatsanwältin schenkte der Aussage des Polizisten Glauben und wunderte sich über die geänderte Aussage des Münchners. Für den Angeklagten forderte sie eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 80 Euro. Dessen Anwalt plädierte aufgrund der unterschiedlichen Zeugenaussagen dagegen auf Freispruch.

Richter Leitner folgte dem Antrag der Verteidigung und sprach den Kreuther frei: „Ein Zeuge hat ein Recht darauf, sich zu besinnen und seine Aussage zu ändern“, erklärte er. „Heute ist Stichtag und wenn der Zeuge heute sagt, er habe den Angeklagten nicht fahren sehen, dann glaube ich ihm das.“

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