Geplanter Mittelschul-Verbund: Ist unser 3-gliedriges Schulsystem ein Auslaufmodell?

Ergänzung vom 11. Februar / 10:51 Uhr
Wie in Tegernsee ist man auch im Kreuther Gemeinderat teilweise überzeugt davon, dass das dreigliedrige Schulsystem ein Auslaufmodell ist. Die sehr negative Entwicklung der Hauptschülerzahlen lasse keinen anderen Schluß zu. Darüberhinaus sei die Mittelschule ein “Etikettenschwindel, der nichts bringen wird” wie Martin Walch von der SPD in seinem ausführlichen Statement zum neuen Hauptschulverbund Tegernsee-Holzkirchen anmerkte:

Für mich sind die Bemühungen um die Mittelschule ein verzweifelter Versuch des Ministers das 3-gliedrige Schulsystem am Leben zu erhalten.

Im Rahmen der Diskussion wies Bürgermeister Josef Bierschneider darauf hin, dass jedoch der geplante Verbund die einzige und letzte Chance sei, wie die Hauptschüler den neuen Abschluß bekommen können. In seinem kurzen Plädoyer verteidigte er aber auch die Schulform:

Bei uns auf dem Land sind die Hauptschüler nicht schlechter. Die Schule in Rottach beispielsweise bietet alles an, was eine gute Schule haben muss. Und sie hat jetzt schon all die Angebote im Programm, die sie zukünftig für den M-Zug bereitstellen soll.

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Am Ende stimmten alle Gemeinderäte für den Beitritt zum Verbund. Allerdings nicht ohne klaren Hinweis, dass alles so bleiben soll wie bisher. Die Schule in Rottach muss bleiben und die Schüler dürfen nicht in Massen nach Holzkirchen gekarrt werden. Falls das Eintritt, werde man über die bereits enthaltene Ausstiegsklausel im Vertrag beraten.

Ursprünglicher Artikel vom 02. Februar:
Wie Gmund und Rottach-Egern wollte man gestern in Tegernsee über den Beitritt zum neuen Schulverbund Holzkirchen-Tegernsee abstimmen. Soviel vorab: Die Entscheidung fiel einstimmig für den Verbund aus. Viel interessanter war aber die Diskussion im Rahmen der Entscheidung. In dieser wies Peter Janssen einerseits auf die dringende Notwendigkeit des Verbundes hin (“Wenn wir hier eine Mittelschule haben wollen, dann bleibt uns ja nichts anderes übrig”) und ging andererseits auf die großen Probleme des dreigliedrigen Schulsystems ein:

Die Hauptschulen verlieren immer mehr Schüler zugunsten der Realschulen und der Gymnasien. Und wenn man das in der Form fortschreibt, dann wird die Hauptschule irgendwann keine Schüler mehr haben.

Für den Tegernseer Bürgermeister ist die Sache klar. Die Politik muss der Entwicklung Einhalt gebieten. Einer Entwicklung, die sehr stark von den Eltern und deren Kinder ausgeht. Dabei wird laut Janssen oft übersehen, dass unsere Gesellschaft nicht nur Akademiker braucht, sondern auch Facharbeiter und Handwerksmeister.

Ich verstehe es nicht, dass Eltern sich permanent dahinter klemmen, dass ihre Kinder auf eine weiterführende Schule gehen. Und wenn ich mir anschaue wieviel Vermögen ein Handwerksmeister nach einem abgeschlossenen Berufsleben aufgebaut hat im Vergleich zu einem Arzt oder Lehrer, dann muss man sagen: “Handwerk is es.”

Aber ist es tatsächlich so einfach? Geht die Entwicklung wirklich nur von den Eltern aus? Wie muss die zukünftige Entwicklung der Haupt-/Mittelschule aussehen, damit sie wieder eine größere Akzeptanz erfährt? Oder ist unser dreigliedriges Bildungssystem wirklich gescheitert, wie es Thomas Mandl von der SPD sieht?

Diese Fragen lassen sich natürlich nicht abschließend beantworten. Jedoch ist klar: Erfolgskritisch für den Weiterbestand des bisherigen Schulsystems sind die Standards der jeweiligen Schulen. Diese dürfen nicht aufgeweicht werden. Im Gegenteil, die Begabungen und Neigungen von Kindern müssen frühzeitig erkannt und entsprechend gefördert werden. Und dazu gehört gerade auch die Einteilung in verschiedene Schultypen mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen und Ausbildungszielen.

Von wem geht die negative Entwicklung aus?

Leider wird dabei oft übersehen, dass diese Selektion nicht etwa diskriminierend ist, sondern gerade die unterschiedlichen Veranlagungen der Menschen respektiert. Alle Kinder in eine Einheitsschule zu stecken, berücksichtigt nicht die Individualität und ist auch im Hinblick auf die spätere Verwendung auf dem Arbeitsmarkt schädlich.

Aber scheinbar sind – wie von Peter Janssen aufgezeigt – nicht nur einige Eltern fehlgeleitet in ihrer Vorstellung, dass ihr Kind unbedingt aufs Gymnasium gehen muss, obwohl es vielleicht für einen handwerklichen Beruf besser geeignet wäre. Mittlerweile verlangen leider auch viele Arbeitgeber selbst für relativ einfache oder manuelle Tätigkeiten einen guten Realschulabschluss oder sogar das Abitur. Damit verschärfen sie die Situation zusätzlich.

Dieses Problem versucht die Regierung unter anderem durch die neu entstandene Mittelschule zu lösen: Die Hauptschüler sollen durch vermehrte praktische Kenntnisse und langjährige Hinführung auf einen Ausbildungsberuf einen Vorsprung gegenüber Realschülern oder Abiturienten erhalten. Die Idee dahinter: Wenn Arbeitgeber merken, mit welchen Lehrlingen sie besser zurechtkommen, dann entscheiden sie sich auch für den mit einem niedrigeren Abschluss.

Hauptschüler sind keine Verlierer

Die Mittelschule ist somit im Endeffekt eine getarnte Imagekampagne für den Hauptschulabschluß. Nur ist es unerlässlich, dass für den Weiterbestand der Ruf und die Qualität besser werden müssen. Wer den qualifizierten Abschluß macht, ist kein Verlierer. Wenn die Gesellschaft das nicht versteht und die Politik es nicht schafft diesen Umstand zu kommunizieren, dann ist das Ende unausweichlich – es wird irgendwann keine Hauptschule mehr geben, weil es keine Hauptschüler mehr gibt.

Und spätestens dann wäre unser dreigliedriges Schulsystem am Ende.

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