Gestritten, geschlagen, versöhnt

Es herrscht mal wieder babylonische Sprachverwirrung am Amtsgericht Miesbach. Ein Afghane und ein Syrer stehen vor Gericht. Sie hatten sich in der Tegernseer Turnhalle geprügelt.

Mittlerweile sind die Flüchtlinge umgezogen. Archivbild
Mittlerweile sind die Flüchtlinge umgezogen. Archivbild

Schon lange ist die Tegernseer Turnhalle keine Sammelunterkunft mehr. Aber offensichtlich war die enge Unterbringung gewaltfördernd, denn es werden wohl noch Monate ins Land gehen, ehe all die kleineren und größeren Rangeleien gerichtlich abgearbeitet sind.

Das liegt auch daran, dass Polizei und Security seitens des Landratsamtes Miesbach dazu aufgefordert worden sind, jede Straftat zu verfolgen. Das soll dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung dienen und den Eindruck verhindern, Flüchtlinge würden bevorzugt behandelt werden.

Anzeige

Ein Analphabet und ein angehender Mediziner

Verfolgt wurde auch die Straftat zweier in der Tegernseer Turnhalle untergebrachten Asylbewerber, die gestern vor dem Miesbacher Amtsgericht standen. Anfangs war es problematisch, deren Personalien festzustellen.

Der Syrer war vor seiner Flucht zwölf Jahre zur Schule gegangen und hatte ein Medizinstudium begonnen. Der Afghane allerdings konnte nicht einmal benennen, wann er genau geboren wurde. Drei Jahre sei er in seinem Heimatland zur Schule gegangen, aber schreiben könne er nur in Paschtu. Lateinische Buchstaben könne er weder lesen noch schreiben.

Der Afghane und der Syrer hatten sich im Februar so sehr gestritten, dass es zu einer Rangelei mit Faustschlägen und Fußtritten kam. Laut Polizeiprotokoll hatte der damals 19-jährige Syrer den Afghanen zum Spaß immer wieder gefragt, ob er mit ihm kämpfen wolle.

Das sei anders gewesen, sagte der Syrer vor dem Miesbacher Amtsgericht aus. „Der Afghane war völlig betrunken, hat herumgeschrien“, erklärt der 20-Jährige durch seinen Dolmetscher. „Er hat mich betatscht und wollte eine Zigarette schnorren. Erst von mir, dann von meinem Freund.“

Kleine Schlägerei, schnelle Versöhnung

Als er ihm keine habe geben wolle, habe ihn der Mitangeklagte bei seinen Klamotten gepackt. Man habe miteinander gerangelt. Er selbst habe sich nur gewehrt.

Dann kam die Security und hat uns getrennt. Kurz darauf die Polizei. Dann waren wir wieder ruhig und am nächsten Morgen haben wir uns wieder vertragen.

Anders hatte es der Afghane in Erinnerung. Seine Aussage deckte sich völlig mit den Aussagen, die der Syrer kurz nach dem Vorfall der Polizei zu Protokoll gab. Richter Klaus-Jürgen Schmid hielt dem Syrer seine damalige Aussage vor, wo er zugab, selbst der Provokateur gewesen zu sein. Ein von der Polizei vernommener Sicherheitsmitarbeiter beruft sich auf seine schriftlichen Notizen:

Da waren so viele Vorfälle. Ich kann mich nicht mehr an die einzelnen Fälle erinnern.

Aber auch er hatte in seinem Bericht niedergelegt, dass der Syrer angefangen hatte. Jedenfalls waren sich alle einig, dass man sich danach schnell wieder vertragen habe. Außerdem sei keiner der beiden wirklich zu Schaden gekommen.

Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe schlug für die beiden Streithähne ein sozial-pädagogisches Wochenende vor. Als man den beiden Angeklagten das übersetzt, scheinen sie sich schon fast darauf zu freuen.

Der Afghane macht mittlerweile Deutschkurse, der Syrer ist als Flüchtling anerkannt. Er nimmt an einem Integrationskurs teil und hofft, bald sein Studium wieder aufnehmen zu können oder aber eine Ausbildung zu beginnen.

Erstmal jedoch verurteilte Richter Schmid die beiden – gemäß Forderung der Staatsanwältin – zu dem besagten Strafwochenende. Der Syrer muss zusätzlich 24 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner