Wer tschilpt denn da?
Gimpel, Grünfink, Gartenchaos

Singvögel lieben es unordentlich. Auch dies ist ein Faktor, warum viele Vögel in die Stadt ausreisen und unsere heimisch-gestriegelten Gärten verlassen.

Hausrotschwanz, bitte einmal ein Kuckucksei ausbrüten. Wird dieses Jahr nix. Foto: LBV: Frank Derer

Der Grauschnäpper ist ein Akrobat unter den Singvögeln. Um an eine Hummel zu kommen, übt er aufwendige Flugmanöver und schnappt zu. Doch, wo keine Insekten, da auch kein Schnapper. Wolfgang Hiller, vom Landesbund für Vogel und Naturschutz (LBV) Miesbach, hat den Grauschnäpper früher im Garten beobachten können, jetzt sieht er ihn kaum noch: “Unsere Gärten sind nicht einladend, sie werden mit Automaten gemäht und kurz gehalten. Da haben Insekten keine Chance.” Der Grauschnäpper sitzt konsequenterweise auch schon auf der Vorwarnliste des Naturschutzbundes (NABU), damit werden Vogelarten gekennzeichnet, die zurückgegangen sind. Auf die Rote Liste kommen die Vögel, die vom Aussterben bedroht sind oder bereits weg sind. Das Tegernseer Tal ist bekannt für eine Vielzahl von Vogelarten. Noch. Dazu zählen das Rotkehlchen, der Zaunkönig, der Zilpzalp, der Gartenbaumläufer, der Kleiber, die Amsel sowie am See die Bachstelze, die Gebirgsstelze und die Wasseramsel. Doch ihre Anwesenheit fluktuiert immer mehr, so Wolfgang Hiller. Da sammeln sich an einem Tag mal 70 Erlenzeisige in der Baumkrone, die von den Bergen herunterkommen. Am nächsten Tag ziehen sie weiter. Und viele Vögel zieht es in die Stadt. Etwa in die Münchner Parks oder auf Friedhöfe, wo möglichst wenig gemäht wird und viel Raum ist.

Lebe lieber chaotisch

Bienenfreundliche, wilde und blühende Gärten wünschen sich die heimischen Singvögel. Weil dann das Insektenvolk Party macht. “Ein Garten, wie ein typisch deutsches Wohnzimmer, ist für die Natur uninteressant”, ergänzt Hiller. Wer Pflanzen auch mal verblühen lässt oder sich in der heimischen Gärtnerei in puncto Bienenfreundlichkeit beraten lässt, hat gute Karten, ein paar gefiederte Freunde zu gewinnen. Den Aufräumdrang also dahin packen, wo er sich austoben kann. Garage aufräumen? Denn als Hauptursachen für weniger Tschilperei in den Gärten gilt der Verlust von Lebensräumen. Sprich: Nichts zu verstecken, nichts zum Nisten und keine Nahrung für das Vogelpaar. Zudem sind Pestizide und andere Chemikalien im Gartenbau eine Bedrohung für viele Vogelarten. Also auch nochmal den Dünger für die Petunien checken und Finger weg vom Rosendünger: “Es gibt die Ewiggestrigen, die die Rosen bei den ersten Läusen spritzen und sich dann wundern, wenn die Meisen im Nistkasten sterben”, echauffiert sich Gerhard Kinshofer, Vorsitzender des LBV Miesbach. Er empfiehlt sogar, die Vögel durchzufüttern. “Weil die Singvögel wenig Insekten finden und die geben sie allen den Jungen. Die Haferflocken essen dann sie.” Und eine kleine wilde Ecke wäre fein. Ja, auch und gerade mit Brennnesseln. Wer sie stehen lässt, kann mit Raupen und Schmetterlingen rechnen und sorgt für seine Brutvögel. Und ein paar Nistkästen in verschiedenen Größen, freut die werdenden Vogel-Eltern.

Aus kalt wird warm

Ein weiterer Faktor ist die Veränderung des Klimas. So sind in den vergangenen Jahren Brutvögel aus dem Mittelmeergebiet nach Bayern eingewandert. Etwa der Bienenfresser, der in Deutschland als ausgestorben galt. Besonders hart trifft es den Kuckuck, der im April nach seiner Afrikareise zum Brüten vorbeikommt. Als sogenannter Brutparasit ist er auf seine bevorzugten Zielobjekte angewiesen. Der Hausrotschwanz und auch die Bachstelze haben dann bereits zum Brüten angefangen. Da kann er kein Ei mehr loswerden. Sie kann nur noch auf den Teichrohrsänger hoffen. Der fliegt nämlich jetzt auch später los. Auch haben die Bergfinken und Erlenzeisige ihren Flug verschoben, die normalerweise längst unterwegs in die Tundra sind. Sie überwintern nämlich hier bei uns. Schaut man über den regionalen Tellerrand, etwa nach Island, sieht man, dass jede kleine Veränderung im Klima ihre Auswirkungen hat. So hat hier etwa das Odinshühnchen, eine ziemlich putzige Gesellin (tatsächlich verteidigen hier die Weibchen das Revier) schlechte Karten. Weil hier die Mückenschwärme früher schlüpfen, hat die Odin-Familie Schwierigkeiten Nahrung zu finden. Was also das Klima für die heimischen Singvögel bedeutet, wird sich somit erst zeigen.

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