Wenn Mädchen in Männerberufe schnuppern

von Rose Beyer

Erzieherinnen werden immer nur Mädchen und Mechaniker immer nur Jungs!? Viele Berufe sind immer noch mit geschlechtsspezifischen Vorurteilen behaftet. Doch die Initiative des „Girls’ Day“ und „Boys’ Day“ soll das ändern.

Am heutigen „Girls’ Day“ haben alle Mädchen ab der 5. Klasse die Möglichkeit, in eher männerorientierte Berufe hineinzuschnuppern. So auch Emma, die herausfinden möchte, ob Konditorin der passende Beruf für sie ist. Wir haben sie bei ihrem Schnuppertag im Gasthof Kreuzstraße begleitet.

Emma und Chefin Ursula Seitz beim Teigrühren.

Schülerinnen wie Emma können ihre handwerklichen Stärken vor Ort in Betrieben, Organisationen und Forschungszentren praktisch erproben. Die ursprüngliche Intention des „Girls’ Day“ gilt auch heute noch. Seit zwölf Jahren gibt es die Aktion bereits. Pressesprecherin Katharina Kristen von der Rosenheimer Agentur für Arbeit berichtet, dass es wichtig sei, eine stärkere Geschlechter-Durchmischung zu erreichen. Diese solle durch diesen Tag erreicht werden.

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„Girls’ Day“ als Mädchen-Zukunftstag

Gerade im technischen Bereich fehlten Mädchen. Im pädagogischen Bereich sei es dagegen umgekehrt. Junge Männer entschieden sich zu selten für das Berufsbild des Erziehers oder Lehrers. Auch der pflegerische Bereich sei häufig fest in weiblicher Hand. Besonders beliebt seien medizinische Berufe. Jedoch werden hier im Landkreis recht wenige Ausbildungsstellen angeboten.

Die genauen Zahlen zum Ausbildungsmarkt kann Kristen noch nicht nennen. Diese werden erst zum 1. April veröffentlicht. Kristen erwartet jedoch ähnliche Zahlen wie im vergangenen Jahr. Also kann man davon ausgehen, dass es im Landkreis wieder etwa 17 Ausbildungsstellen im medizinischen Bereich geben wird. Die beste Auswahl haben die Jugendlichen bei Berufen im Verkauf/Handel/Einzelhandel (67 Stellen), in Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufen (insgesamt 24 Stellen, davon 17 Kfz-Mechatroniker), im Hotel- und Gaststättengewerbe (64 Stellen) sowie als Koch/Köchin (30 Stellen).

Mehr Studenten – weniger Auszubildende

Insgesamt halte der Trend weiter an, dass sich mehr Schulabgänger dazu entschieden, auf eine weiterführende Schule zu gehen, um später zu studieren. Etliche Lehrstellen werden wohl auch heuer deshalb unbesetzt bleiben. Kristen geht auch hier von den Zahlen des vergangenen Jahres aus.

Demnach haben sich zu Beginn des Berufsberatungsjahres wieder um die 380 Mädchen und Jungen aus dem Landkreis für einen Ausbildungsplatz vormerken lassen. Im vergangenen Jahr suchten noch 210 eine Stelle für den Ausbildungsbeginn im Herbst. Im vergangenen Jahr hatten die Landkreis-Betriebe insgesamt 520 Ausbildungsstellen bei der Agentur gemeldet.

Emma schnuppert als Konditorin

Emma, derzeit in der 8. Klasse, kann sich durchaus vorstellen, Konditorin zu werden. Seit 9 Uhr morgens ist sie Teil des Teams im Gmunder Gasthof Kreuzstraße. Nicht nur Köche und Kellner arbeiten hier. Seit Ursula und Werner Seitz das Traditionsunternehmen vor mehr als 30 Jahren übernommen haben, betreiben sie auch eine eigene Konditorei. Ursula Seitz ist selbst Konditorin und möchte Emma zeigen, warum sie ihren Beruf auch nach so vielen Jahren immer noch gern ausübt.

Süße Dekoration aus hauchdünn ausgerolltem Marzipan – da ist Fingerspitzengefühl gefordert.

Hauchdünn rollt Seitz die Marzipanrohmasse aus, aus der Emmas geschickte Händen sogleich zarte Rosen formen. Die 14-Jährige gestaltet genauso kunstvoll wie die Chefin. Danach geht es daran, Nougatherzen anzufertigen. Auch Spritzübungen mit der Tülle beherrscht die Realschülerin bereits nach ein paar Versuchen. Die Mandelhörnchen im Ofen duften verführerisch. Doch bevor sie ganz fertig sind und herausgezogen werden sollten, muss erst noch der Teig für die Ostkuchen gerührt werden.

Der Beruf des Konditors ist vielseitig. Von Süßem bis zu Pikantem, von Torten bis Canapees, von Weihnachtsgebäck bis zu Schokoladeneiern reicht das Angebot. Wem der Titel „Konditor“ noch nicht reicht, der kann aufstocken auf das Berufsbild des „Patissiers“, der meist die höhere Kunst des „Zuckerbäckers“ in Hotels übernimmt. Der Konditor ist zwar kein klassischer Männerberuf. Dadurch, dass er jedoch meist als gekoppelter Ausbildungsberuf des „Bäckers/Konditors“ angeboten wird, ist der Männeranteil doch recht hoch.

„Boys’ Day“ – neue Wege für Jungs

Und was machen die jungen Männer? Ebenfalls am heutigen Donnerstag, den 27. März, laden bundesweit Einrichtungen, Organisationen, Schulen und Hochschulen sowie Unternehmen Schüler ab der 5. Klasse zum sogenannten „Boys’ Day“, dem nicht so bekannten 3. Jungen-Zukunftstag, ein.

Jungen haben zwar unterschiedliche Interessen und Kompetenzen, doch findet ihre Berufsplanung häufig in tradierten Bahnen statt. Mehr als die Hälfte der männlichen Auszubildenden entscheidet sich für einen von 20 „jungentypischen“ Berufen, nur wenige für den sozialen, erzieherischen oder pflegerischen Bereich.

Gleichzeitig werden aber in diesen Berufen mehr männliche Fachkräfte benötigt und es herrscht dort ein deutlicher Bedarf an Nachwuchskräften. Deshalb sollen die Jungen am „Boys’ Day“ Kindergärten, Senioren- oder Behinderteneinrichtungen kennenlernen. Wie beim „Girls’ Day“ läuft die Vermittlung über das Internet. Unternehmen sowie Schulen und „Boys’-Day“-Initiativen tragen ihre Angebote auf der Aktionslandkarte ein – die Jugendlichen melden sich darauf. Zusätzlich gibt es einen Extrabereich mit vielen spannenden Infos zur Berufs- und Lebensplanung. Auch Eltern erfahren alles Wichtige rund um den Aktionstag.

Wer weiß – vielleicht kommt auch Emma durch den „Girls’ Day“ auf ihren Beruf. Was ihr am Job des Konditors gut gefällt? „Alles!“, bestätigt sie, als sie sich – nach dem Anfertigen ihrer allerersten eigenen Schoko-Crossies – um 15 Uhr vom Gasthof Kreuzstraße aus auf den Nachhauseweg macht.

Geschafft – die Vitrine ist gefüllt – die Kunden können kommen.

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