Grenzpolizei am Limit

Jeden Tag strömen hunderte Flüchtlinge über unsere Grenzen. Während die Landkreisbewohner nur ahnen können, was sich abspielt, sieht sich die Bundespolizei Rosenheim tagtäglich damit konfrontiert: der Flüchtlingsstrom nimmt kein Ende – dabei kann die Schleusermafia ungehindert weiter”arbeiten”.

Brennpunkt Bahnhof: hunderte Flüchtlinge werden hier pro Woche aufgegriffen. Quelle: BP Rosenheim
Brennpunkt Bahnhof: Hunderte von Flüchtlinge werden hier pro Woche aufgegriffen. Quelle: BP Rosenheim

„Unsere Kapazitäten sind voll ausgelastet“, stellt Polizeihauptkommissar Rainer Scharf klar. Allein dieses Wochenende registrierten Beamte der Bundespolizei Rosenheim, die auch für das Tal zuständig sind, weit über 900 unerlaubt Einreisende am Rosenheimer Bahnhof. Mit der Regionalbahn aus Salzburg oder mit dem EuroCity aus Verona kommen sie hier täglich in Scharen über die deutsche Grenze – und das ohne Pässe oder Visa: Flüchtlinge aus Eritrea, Äthiopien, Syrien und dem Irak.

Bereits vergangenes Jahr ging die Tegernseer Stimme mit Beamten der Bundespolizeiinspektion Rosenheim auf Schleuserjagd quer durch den Landkreis. Die insgesamt rund 550 Mitarbeiter der Bundespolizei gehen vom Berchtesgadener Land bis zur Bodenseeregion gegen illegale Migration und Schleusungskriminalität vor und sind inzwischen rund um die Uhr im Einsatz.

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Besonders auf der A8 zwischen Holzkirchen und Salzburg, dem Zuständigkeitsbereich der Rosenheimer Wache, wo die „Brennerroute“ und die „Balkanroute“ zusammenlaufen, wie Rainer Scharf schon damals erklärte, wurde nach illegalen Flüchtlingsschleusungen gefahndet. Eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen, die deshalb heute in dieser Form nicht mehr betrieben werden kann, so Scharf durch die Blume:

Unsere Einsatzkräfte sind mit den derzeitigen Großaufgriffen am Bahnhof in Rosenheim voll ‚gebunden‘.

Eine verstärkte Hundertschaft der Bundesbereitschaftspolizei unterstützt inzwischen die Rosenheimer Beamten am Brennpunkt Bahnhof. „Anders ist es nicht mehr möglich“, gibt Scharf zu. Das tägliche Prozedere: je zwei Beamte kontrollieren jeweils von vorne und hinten stichpunktartig die internationalen Züge, die von Italien über Österreich nach Deutschland kommen. Man trifft sich in der Mitte. Mal sind es nur fünf – ein andermal knapp 150 Flüchtlinge pro Zug. Und der fährt stündlich ein.

Vom Bahnhof zur Wache der Bundespolizei „pendeln“ mittlerweile Polizei-Omnibusse, die bis zu 40 Flüchtlinge auf einmal abtransportieren können, erklärt der Polizeihauptkommissar. In der Sporthalle der Polizisten und in einem Nebengebäude werden die aufgegriffenen Flüchtlinge provisorisch unterbracht. Der Malteser Hilfsdienst versorgt die Neuankömmlinge und gibt vor Ort dreimal am Tag Essen aus, berichtet Scharf von der Vorgehensweise.

Alltag in der Turnhalle der Bundespolizei: rund meist 300 Flüchtlinge nächtigen hier.
Alltag in der Turnhalle der Bundespolizei: meist nächtigen hier rund 300 Flüchtlinge. Quelle: BP Rosenheim

„Aktuell waren heute Morgen 243 Flüchtlinge in unserer Turnhalle“, führt Scharf an. Alle, die nach 22 Uhr angekommen sind, hätten die Beamten kurzerhand selbst versorgt – mit Lebensmittel von einer nahgelegenen Tankstelle. Schwieriger hingegen gestaltet sich die medizinische Erstversorgung: Fiebermessen wäre Standard, um Seuchen auszuschließen. Andere Krankheiten jedoch könnten auf den ersten Blick nur festgestellt werden, wenn sie bereits sichtbar ausgebrochen sind, weiß Scharf.

Bevor die Flüchtlinge wieder – selbstständig – mit der Bahn zur zentralen Aufnahmestelle nach München fahren müssen, nehmen die Beamten ihre Personalien und Fingerabdrücke auf und gleichen sie mit dem europaweiten Datenbestand ab. Da so die diensthabenden Beamten mit den Menschenmassen derart „gebunden“ sind, können detaillierte Einzelbefragungen zur Schleusung durch die Grenzregion, wie sie noch vergangenen Herbst gang und gäbe waren, nicht mehr durchgeführt werden, zeigt Scharf auf.

Schleuserfahndung bleibt auf der Strecke

Nur, wenn eindeutige Anzeichen einer Schleusung oder einer Urkundenfälschung vorlägen, würde man, im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft, auch einzelne Flüchtlinge vernehmen. Ein zeitintensives Verfahren, zumal immer ein Dolmetscher helfen muss. Die traurige Folge: die Beamten sind derart mit dem Erfassen der Großgruppen beschäftigt, dass einem wichtigen Quell der Flüchtlingsproblematik inzwischen nicht mehr primär nachgegangen werden kann: den organisierten Schleusern, die aus dem Elend anderer Profit schlagen.

Während die Beamten im Juni noch etwa 70 Schleuser bei ihren Grenzfahndungen festnehmen konnten, waren es vergangenen Monat nicht einmal mehr 40, berichtet Scharf auf Nachfrage der TS. Nach seiner Einschätzung, wird sich dieser Trend weiterhin fortsetzen. Die polizeilichen Kapazitäten sind am Limit.

Vorerst wird sich die Lage nicht entspannen.

Das zeigen auch die nüchternen Zahlen: mit bisher rund 20.500 registrierten Fällen verzeichnete die Bundespolizei dieses Jahr alleine im deutsch-österreichischen Grenzgebiet mehr als doppelt so viele unerlaubte Einreisen wie im gesamten Jahr zuvor. Das heißt, dass sich die Kommunen im Landkreis auch künftig auf weitere Asylbewerber gefasst machen müssen. Noch lange ist kein Ende in Sicht – zumal die organisierten Schleuserbanden kaum an ihren kriminellen Machenschaften gehindert werden.

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