Grüne Radpolitik – quo vadis?

Jung. Grün. Radfahrer. Die Rede ist von Karl Bär, der seit Mai im Gemeinderat sitzt. Auch wenn es sich wie ein Klischee anhört: Tatkräftig, lebendig und schwungvoll kommt der junge Grüne Politiker mit einem Faible für Verkehrspolitik in Holzkirchen daher. Sein Hauptanliegen: der Markt soll fahrradfreundlicher werden.

radeln bär holzkirchen

Grün ist auch sein Fahrrad. Genauer gesagt: froschgrün. Oft stehe es, so Bär, neben den überdachten Fahrradunterstellplätzen östlich vom Bahnhofsportal. Nicht unter den Ständern, sondern daneben. Und damit sind wir schon beim ersten Problem: Es gibt viel zu wenig Fahrrad-Parkplätze rund um den Bahnhof. Gerade für zahlreiche Pendler, die per Fahrrad zum Bahnhof oder vom Bahnhof zu ihrem Arbeitsplatz in der Marktgemeinde fahren, sehr wichtig.

„Wenn wir die Parkflächen Richtung Osten vergrößern, könnten wir viele Fahrräder unterbringen“, schlägt der 29-Jährige vor. Aber wohin mit den Autos, die zurzeit dort stehen? Da sieht Karl Bär kein Hindernis: Es gäbe andere Flächen im Umkreis des Bahnhofs, die als Pkw-Parkplätze genutzt werden könnten. Allerdings: Die Eigentumsverhältnisse müssten noch geklärt werden. Und das könnte sich ziehen, warnt er. Der Grüne blickt vom Bahnhof Richtung Osten.

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Da gibt es ein ausgelassenes Gütergleis, auf dem könnte man einen Fahrradweg bauen. Der Vorteil wäre, dass man so die vielbefahrene und für Radler nicht ganz ungefährliche Münchner Straße umgehen könnte.

Doch dieses Unterfangen stößt auf einige Hürden. Die Kommunikation mit der Bahn sei nicht ganz einfach. Voraussetzung sei natürlich auch, die Grundstücksanteile aufzukaufen. Die Kosten könnten kein Gegenargument sein, denn für den Bau eines Radweges falle nur rund ein Zehntel im Vergleich zur Erstellung einer Straße an.

„Politischer Wille“ habe gefehlt

Weniger langfristig sei der Plan, die Hälfte des jetzigen Parkplatzes an der Erlkamer Straße, auf der nördlichen Seite des Bahnhofs, in Unterstellplätze für Fahrräder und E-Bikes umzuwandeln. Das wäre ein großer Vorteil für die Radler unter den Anliegern und die Schüler des neuen Gymnasiums.

„Das Projekt ist prima, hätte aber schon vor 30 Jahren gemacht werden können“, kommentiert der junge Politiker, der seit drei Monaten die Grünen im Gemeinderat vertritt. Gefehlt habe aus seiner Sicht der „politische Wille“. Trotzdem:

Wir als Grüne freuen uns, dass es immerhin seit einigen Jahren vor dem Bahnhof mehr Fahrradständer gibt und dass die Beschilderung für Radfahrer dank des Engagements des Runden Tischs Rad jetzt abgeschlossen ist.

Aber der Weg zu einer fahrradfreundlichen Gemeinde sei noch weit. Dafür gäbe es noch zu viele kleine Lücken, die unbedingt geschlossen werden müssten. Als begeisterter Radfahrer, der sogar zu Kreissitzungen in Miesbach mit seinem Drahtesel fährt, findet er, dass auf Landkreisebene noch viel zu tun ist.

Münchner Straße als gefährlicher Engpass

Wir gehen weiter auf dem neu beschilderten Radrundweg und kommen zu dem Berg an der Münchner Straße. „Dieser Straßenabschnitt birgt eh schon ein hohes Risiko für Radler, aber für besonders gefährlich halte ich das Bergauffahren“, kritisiert Bär.

Da die Radler beim Bergaufstrampeln zwangsläufig langsamer werden, versuchen mehr Autos sie zu überholen als beim Bergabfahren. Sein Vorschlag, farblich markierte Schutzstreifen auf der Straße anzubringen, wird bereits in anderen Ländern wie den Niederlanden erfolgreich praktiziert. Dort werden diese rot bemalten Trassen für Radler reserviert. Kommen keine Radfahrer, können die Spuren von Pkws und Lkws benutzt werden. Eine andere Lösung sei eine kurz gestrichelte Linie mit kleinen Radsymbolen auf der Trasse.

Ein neuralgischer Punkt ist die Münchner Straße für Radler, die dann oft auf den Gehweg ausweichen müssen.
Ein neuralgischer Punkt ist die Münchner Straße für Radler, die dann oft auf den Gehweg ausweichen müssen.

„Ein solcher Schutzstreifen ist gar nicht teuer, der Autoverkehr würde sich verlangsamen – und die Anlieger müssten weniger unter Lärm und Abgasen leiden“, meint Bär, der bereits 2002 zur Grünen Jugend kam. Und der Stau? Den gäbe es ohnehin.

Obwohl jung hat er in seiner politischen Laufbahn schon einiges über politische Machbarkeit verinnerlicht. Die Erfahrung zeige, dass vor den Änderungen eine Vielzahl von Gesetzen und Regelungen stehe. Oft komme es auf “superexakte Formulierungen” an. Dann verweist er auf die geplanten Kanalbauarbeiten in der Münchner Straße: Das sei doch eine gute Gelegenheit über einen Sicherheitsstreifen nachzudenken, regt Bär an.

Mobilität: weg vom Auto – hin zum Rad

Froh ist der studierte Agrarwissenschaftler, der als Referent für Agrarpolitik im Umweltinstitut in München tätig ist, dass mittlerweile ernsthaft über die Verkehrssituation in der Gemeinde nachgedacht werde. Denn früher sei argumentiert worden, dass der Verkehr zwischen München, Bad Tölz und der Marktgemeinde die Hauptursache des Übels sei.

Nun, nachdem die Südtangente so gut wie abgelehnt sei, nicht zuletzt mangels finanzieller Unterstützung vom Bund, komme zumindest eine Diskussion in Gang, dass innerorts etwas verändert werden müsse. Für den begeisterten Radler ist klar, dass das Mobilitätskonzept in Holzkirchen weg vom Auto auf andere Verkehrsmittel hin umgeplant werden muss. Sinnvolle Alternative für Bär: das Fahrrad.

Gleichzeitig sieht er, dass die Gemeinde als Einzelkämpfer nicht alle Ziele erreichen kann. „Ein Gesamtkonzept muss her – und zwar für zwei Landkreise“, plädiert er. Gemeint sind die Landkreise Miesbach und Bad Tölz. Nachdem die Verbreiterung der B 318 auf vier Spuren beschlossene Sache sei, müsse das Autofahren im Zentrum von Holzkirchen für den Durchgangsverkehr so erschwert werden, dass sämtliche Routen besser sind als eine Ortsdurchfahrt, so seine Anregung.

Marktplatz als „Shared Space“

Wie könnte ein verkehrsberuhigtes Zentrum für Bär, der sich nach seinen studienbedingten Lehr- und Wanderjahren in Berlin und Istanbul wieder in Holzkirchen angesiedelt hat, aussehen? „Shared Space“ lautet die knappe Antwort. Idee dieses Konzeptes ist die gemeinsame Nutzung eines Straßenraums durch alle Verkehrsteilnehmer bei geringen Geschwindigkeiten von 20 bis 30 km/h, so der Ansatz der Holzkirchner Grünen-Fraktion.

Oder anders gesagt: Der Starke nimmt auf den Schwachen Rücksicht. Ein Konzept, das sich laut Bär schon in anderen Ländern bewährt hat. Noch ein Vorteil: Die Bürger können sich aktiv beteiligen, um ihre Städte lebendig und lebenswert mitzugestalten.

Shared Space in Holzkirchen?
Shared Space in Holzkirchen?

Karl Bär, ein junger Wilder mit Visionen? Vielleicht. Vor allem aber ein junger Lokalpolitiker, der das große Ganze als Ziel sieht ohne die Politik der kleinen Schritte zu vernachlässigen.

Als ersten kleinen Schritt, um das Klima in Holzkirchen vor Ort radlfreundlicher zu gestalten, könne er sich vorstellen, dass der neue Bürgermeister mit gutem Beispiel vorgeht und selbst in die Pedale tritt – so wie Bärs Parteigenosse Hans-Christian Ströbele – aber natürlich ohne roten Schal.

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