Holzkirchen, du kannst so schläfrig sein

Holzkirchen muss keine Stadt sein, die niemals schläft. Das wäre für einen Vorort von München nicht nur ungewöhnlich, sondern auch unangenehm. Immerhin hat die ländliche Ruhe einiges für sich. Dennoch könnte der Ort abends die Augen ein wenig länger offen halten – so mancher Jugendliche hat nichts gegen dunkle Augenringe.

Im Markt geht es oft ruhig zu - zu ruhig für viele junge Leute.
Im Markt geht es oft ruhig zu – zu ruhig für viele junge Leute.

Ein Kommentar von Daniela Otto:
„Auf geht’s, ab geht’s, drei Tage wach, nächste Party kommt bestimmt, drei Tage wach“ – wer das gnadenlose Feiermotto der Band Lützenkirchen umsetzen will, kommt in Holzkirchen nicht weit.

„Verpeilt und verschallert“, wie es im Songtext heißt, kann man hier natürlich auch sein. Man kann sich zum Beispiel in einer der Bars – der Bar Centrale, dem Papst oder dem Minou – in Stimmung bringen. Aber so richtig „Druff, druff, druff“-hauen ist nicht: In Holzkirchen gibt es schlichtweg keinen Club.

Anzeige

Man kann nur mutmaßen, warum das „Prinzip Dorfdisko“ in Holzkirchen nicht funktioniert. In Rottach gab es jahrelang und mit Erfolg den Moonclub, das Moschner ist immer eine Option. Miesbach kann mit dem JJ1 aufwarten, in Tölz gibt es das Pride. Weggehen scheitert in Holzkirchen letztlich an der fehlenden Lokalität. Man ist halt doch überall zu schnell.

Das leidige Thema: “Club-Pendeln”

Und so kommt die alte Pendlerthematik wieder ins Spiel. Holzkirchen ist sicher keine reine Schlafstadt mehr, ein Image, das dem Ort lange anhaftete. Es gibt hier inzwischen zu viele Schulen, zu viele Jobs. Viele Menschen pendeln mittlerweile für ihre Tagesbeschäftigung ein und eben nicht mehr aus. Tagsüber, so lässt sich festhalten, ist dieser Ort hellwach. Allein, er schlummert in den Abendstunden zu selig ein.

Für das feierfreudige Jungvolk heißt das: Rein ins Auto oder die S-Bahn. Gependelt wird also weniger unter der Woche in die Arbeit oder die Schule, sondern an den Wochenenden in den Club.

Doch wer sich auf den öffentlichen Nahverkehr verlässt, wird auch hier enttäuscht: In München füllen sich die Diskotheken nicht vor Mitternacht. Um 2.24 Uhr jedoch geht die letzte S-Bahn vom Marienplatz. Eine durchgefeierte Nacht geht allerdings länger als zwei Stunden – “Krawall und Remmidemmi”, wie die Band Deichkind so schön sagt, will nun mal Weile haben.

Eine “Feier-Linie” wäre das Mindeste

Wenn man aber schon zum Feiern so weit fahren muss, dass die Taxikosten weh tun, dann sollte wenigstens das Pendeln ein Kinderspiel sein. Weitere S-Bahnen um drei und vier (und nicht erst um 5.28 Uhr) wären hilfreich. Man könnte auch sagen: Wenn es schon keinen gescheiten Club vor Ort gibt, wäre das das Mindeste.

Der Musiker Peter Fox singt über Deutschlands Hauptstadt: “Berlin, du kannst so hässlich sein.” Den Vorwurf der Hässlichkeit kann man Holzkirchen gewiss nicht machen. Schön ist es hier, ruhig und friedlich. Für manche halt nur einfach zu ruhig: Holzkirchen, du kannst so schläfrig sein.

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner