Freitag vor den Osterferien war der letzte Hort-Tag. Der Hort im Pius-Kinderhaus ist seitdem dicht, weil ihm die Fachkräfte fehlen: im März kündigten eine Hort-Erzieherin und eine Kinderpflegerin kurz hintereinander.
Der Freitag vor den Osterferien war der letzte Hort-Tag für 24 Kinder in Gmund. Nach den Osterferien ging es für sie in die Mittagsbetreuung, die in der Grundschule angeboten wird. Da sind schon 83 Kinder, mit dem Hort-Zuwachs werden damit über 100 Kinder betreut (107). Ausgelöst wurde das Betreuungsdesaster durch die Kündigung zweier Mitarbeiterinnen des Horts. Im März haben kurz hintereinander zwei Fachkräfte gekündigt. Erst eine Erzieherin, kurz darauf eine Kinderpflegerin. Sie wollten sich “beruflich neu-orientieren”, so steht es im Merkur. Im September kommen neue Erstklässler in die Schule, die die Situation nochmal verschärfen wird. Bürgermeister Alfons Besel versucht es mit Zuversicht: “Auch wenn ein Hortbetrieb derzeit nicht möglich ist, ist er nicht gänzlich vom Tisch. Es wird versucht, ihn wieder mit neuem Fachpersonal aufleben zu lassen. Das Personal in der Mittagsbetreuung wurde bereits aufgestockt und soll noch weiteren Zuwachs erfahren, damit allen Kindern ein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt werden kann.”
Unterschied Betreuungsintensität und Öffnungszeiten
Für berufstätige Eltern fehlt damit von heute auf morgen eine Stunde Betreuungszeit. Während die Kinder im Gmunder Hort bis 17.00 Uhr betreut wurden, ist jetzt um 16.00 Uhr Schluss. Im Hort ein Garten zum Toben, weil dieser mit dem Kindergarten in Gmund unter einem Dach ist; in der Mittagsbetreuung lediglich ein Pausenhof.
Grundsätzliche Unterschiede
Weitere grundsätzliche Unterschiede zwischen Hort und Mittagsbetreuung? Zum Beispiel die Kinderbetreuung: Hier erzieherisches Fachpersonal (Hort), da Aushilfen für die Mittagsbetreuung. Da das Bayerische Bildungs- und Erziehungsgesetz (Hort), dort eine warme Mahlzeit und viel Freispiel (Mittagsbetreuung). Im Hort gibt es eine Hausaufgabenbetreuung, in der Mittagsbetreuung eine freiwillige und – ginge es nach dem Gesetzgeber – gar keine. Hier eine weitgehend flächendeckende Ferienbetreuung (Hort), da keine Ferienbetreuung. Doch gerade die Ferien stellen erwerbsfähige Eltern vor Probleme.
Pädagogische Fachkräfte haben Auswahl – die Kommunen nicht
Dass die Fluktuation hoch ist, bestätigt auch Dr. Martin Weber, Pfarrer in Tegernsee. Er beobachtet die Entwicklung mit Sorge, für ihn ist klar, dass der Bedarf nach Betreuungsplätzen “weiter explodieren” wird. Und zwar unabhängig ob Krippe, Kindergarten oder Hort. Hellseherische Fähigkeiten braucht man dafür nicht und doch hat Weber vor 20 Jahren als erster im Tal eine Krippe in Betrieb genommen. Damals waren dort sechs Kinder untergebracht. 20 Jahre ist das jetzt her und der Bedarf ist seitdem gestiegen. “Aus einer Notwendigkeit heraus”, stellt Weber klar, “beide müssen arbeiten, um überleben zu können”. Zwar sind die Mietpreise im Tegernseer Tal von 2023 (26 €/ m²) zu 2024 (24 €/ m²) leicht gesunken; eine Vierköpfige-Familie zahlt im Tal zwischen 1.400 und 2.000 Euro (nach oben offen) für 80 m². Nebenkosten nicht eingerechnet. Alfons Besel versucht dieses Problem folgendermaßen zu lösen: “Unser Angebot ans pädagogische Personal lautet: soweit verfügbar wird Wohnraum zur Verfügung gestellt und zudem zahlen wir eine übertarifliche Arbeitsmarktzulage.”
Gmund: Betreuungspersonal dringend gesucht
Seit etwa zwei Jahren steht das Thema Kinderbetreuung regelmäßig auf der Tagesordnung der Gemeinderätinnen und -räte. Insgesamt 50 Kinderkrippenplätze und 25 Kindergartenplätze fehlen der Gemeinde für die kommenden Jahre (bis 2025); so die Zahlen aus der Gemeinderatssitzung im Februar 2023. Dass die bestehenden Räumlichkeiten nicht mehr reichen, ist allen klar – und das über alle Parteigrenzen hinweg. Nur über den Weg dahin wird diskutiert. Ein erster Beschluss, einen Neubau auf dem Dürnbacher Feld zu planen (Aufstellung eines Bebauungsplans) wurde bereits 2023 gefasst. Die Alternative in der Bichlmairstraße in Gmund, in der Kinderkrippe, Kindergarten und Hort untergebracht sind, wurde ebenfalls diskutiert, scheint aber wenige im Rat zu überzeugen (Zufahrtswege und Parkplätze sind bereits jetzt am Limit).
Kinder im Container
Im Februar musste dann eine schnelle Zwischenlösung her: ein Container mit vier Gruppenräumen sowie zusätzlichen Räumen soll auf der Fläche im südlichen Teil der Bichlmairstraße/Tölzer Straße entstehen. Auch eine Gruppe des Pius-Kinderhauses soll hier untergebracht werden, weil im Keller des Gebäudes ein Wasserschaden ist.
Randnotiz: Trübe Aussichten?
In zwei Jahren steht das Gesetz zu einem verpflichtenden Ganztagesanspruch auf der Türmatte aller Kommunen im Tal. Für die Kommunen eine zusätzliche Aufgabe, die von Fachkräftemangel (und Fluktuation derselbigen) und Mietpreise und Wohnungssituation regiert wird; und von der Trägheit der Politiker, die dem Thema Kinderbetreuung in den letzten 15 Jahren keine Priorität eingeräumt haben. Für Eltern bleibt der Teufelskreis: Wer bereits vor zehn Jahren händeringend einen Krippenplatz gesucht hat, erlebt eine unerbittliche Wiederkehr. Mit jedem Erziehungsabschnitt kommt die bange Frage nach der Betreuung auf. Gerade mit dem Einstieg in die Grundschule dreht sich das Blatt für viele, vor allem Mütter, zurück: Statt die Stunden aufzustocken, gehen sie zurück in Teilzeit (oder bleiben in Teilzeit).
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