Hundenase voraus: Von der Couchkugel zum Spurenscout

Immer der Nase nach: Mit ihrem brillanten Riechorgan finden Hunde nahezu alles. Mittlerweile entdecken zudem auch viele private Frauchen und Herrchen das “Mantrailing”.

Eignen sich alle Hunde für das Mantrailing? Quelle: Adobe Stock, von o_lypa

Mantrailing (man = „Mensch“ und trail = „verfolgen“) ist wohl eine der anspruchsvollsten Nasenarbeiten für Hunde. Früher wurde der exzellente Geruchssinn von Hunden nur von Profis für die Personensuche genutzt, etwa von der Polizei. Denn mit dieser außergewöhnlichen Geruchsfähigkeit können Hunde zum Beispiel vermisste Kinder oder Demenzkranke, die orientierungslos umherirren, wieder finden.  

Mantrailing fordert und nutzt den stärksten Sinn des Hundes: den Geruchssinn. Mit über 220 Millionen Rezeptoren in der Nase und einem zehnfachen Anteil an Hirnvolumen, das allein der Auswertung von Geruchsstoffen dient, sowie der Fähigkeit, dreidimensional zu riechen, ist die Hundenase der Menschennase um ein Vielfaches überlegen. Was ein Hund bei einem Trail leistet, können wir uns nicht einmal in unseren kühnsten Träumen vorstellen. Denn der Hund muss unter den vielen anderen Gerüchen, die auf seinem Pfad ebenfalls zu finden sind, nur den Geruch der Suchperson identifizieren. Ob andere Menschen, Hunde, Katzen oder Tauben dort gelaufen sind, oder jemand eine leckere Wurst oder ein Stück Pizza weggeworfen hat, all das blendet der Hund bei seiner Sucharbeit aus. Er ist absolut fokussiert. Er ist im Arbeitsmodus. Dementsprechend ist er auch müde, wenn er seine „Arbeit“ erledigt hat. Hunde sind dann zwar geistig erschöpft, aber absolut zufrieden.

Aber wie funktioniert Mantrailing?

Der Hund verfolgt den Individualgeruch eines Menschen. Jeder Mensch verliert etwa 40.000 Hautschuppen mit seinem individuellen Mikrobiom pro Minute. Aufgrund der eigenen Körperwärme steigen diese nach oben und verteilen sich in der Umgebung. Und dabei spielt es keine Rolle, ob man im Sommer leicht bekleidet oder im Winter dick eingepackt unterwegs ist. Die Laufspur der Versteckperson stimmt häufig nicht mit der Laufspur des Hundes überein. Das liegt daran, dass Wind und Thermik die Hautschuppen an andere „Stellen“ tragen oder manchmal für ein paar Meter auch ganz „verschwinden“ lassen: Ein Luftzug kann zum Beispiel – wie in einem Kamin – den Geruch mitnehmen und der Hund ist für eine kurze Zeit im geruchlosen Nirwana. 

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Aber damit der Hund überhaupt weiß, wen oder besser gesagt, was er suchen soll, ist ein Geruchsartikel von der zu suchenden Person erforderlich. Alles, mit dem diese Person in Kontakt gekommen ist, kann genutzt werden: Taschentuch, Schlüssel, Kleidungsstücke oder auch Haare. Sogar der Türgriff des Autos oder ein Schneeball, den die Versteckperson angefasst hat, reichen für den Hund aus. Wichtig ist nur, dass die Person diesen Gegenstand eindeutig als letzter berührt hat.

Teamarbeit ist das A und O

Hektik, Druck und Geschwindigkeit spielen beim Mantrailing überhaupt keine Rolle. Ganz im Gegenteil. In der Ruhe liegt die Kraft. Hund und Mensch arbeiten als Team zusammen. Ist der Hund sich einmal unsicher, müssen wir strategisch (mit)denken und unseren Hund bei der Suche unterstützen. Dazu kann man an eine Stelle zurückgehen, bei der sich der Hund noch sicher war, oder eine große Fläche systematisch von links nach rechts erarbeiten. Wir müssen also genauso konzentriert bei der Sache sein wie der Hund – nur eben auf unsere Möglichkeiten „beschränkt“. Die Kommunikation zwischen Mensch und Hund ist eine der wichtigsten Grundlagen: Müssen wir doch die feinen Körpersignale des Hundes erkennen und richtig einordnen. Daher ist das „Lesenlernen“ des eigenen Hundes für viele eine schwierige Disziplin.

Unsere Hunde haben einen riesigen Vorteil: Ihnen wurde das Trailen quasi in die Wiege gelegt. Denn der erste Trail ist immer der zur Zitze der Mutterhündin. Daher erklärt sich auch, dass der Hund das Trailen nicht verlernt: hat er einmal den Dreh raus, ist das wie Fahrradfahren bei uns. 

Für wen ist Mantrailing geeignet?

Eine verbreitete, aber falsche Annahme ist, dass nur wenige Hunderassen gute Suchhunde sind: Fast jeder Hund ist für Mantrailing geeignet. Selbst das Alter, ob zehn Wochen oder zehn Jahre, hat kaum Einfluss auf Spaß und Leistung. Auch Hunde mit Behinderungen wie Taub- oder Blindheit oder Dreibeiner können hervorragend trailen. Denn alles, was sie dazu brauchen, ist ihre Nase. Die Unterschiede zeigen sich nur in der Ausdauer, mit der sich ein Hund der Spur widmen kann.

Die positiven Wirkungen des Mantrailings sind noch vielfältiger: Unsichere Hunde gewinnen an Selbstsicherheit, jagdfreudige Hunde konzentrieren ihre Passion auf Trail-Trainingsstunden und die Bindung zwischen Hund und Halter wächst. Hunde genießen es, im Team zu arbeiten und achten mehr auf den Teampartner Mensch als je zuvor.

Ein wunderbares Schauspiel ist auch die Verhaltensänderung seines eigenen Hundes während eines Trails zu sehen: Da schaltet ein quirliger Treibauf wie aus dem Nichts auf den Typ “konzentrierter Duftnoten-Beamter” um. Eine schläfrige Couchkugel wird zum drahtigen Spurenscout und selbst rauflustige Hunde nehmen während eines Trails nichts anderes mehr wahr als den Individualgeruch der Versteckperson. Daher ist Mantrailing eine der interessantesten – wenn nicht sogar intelligentesten -, spannendsten und herausforderndsten Beschäftigung für Hunde und ihre Menschen.

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