Kaivan Roshan kennt fast jeder. Er ist der Zeitungsmann fürs Tal und bringt seit 30 Jahren verschiedene Printausgaben in die Lokale und Hotels am Tegernsee. Wir haben ihn einmal auf seiner Tour begleitet und ihn nach den Gründen gefragt, warum er noch immer jeden Abend unterwegs ist. Denn: Roshan ist selbst längst ein erfolgreicher Unternehmer.
„Aaabendzeitung“
„Die Steuertricks der Superreichen“ titelt die Abendzeitung am Donnerstagabend. Kaivan Roshan bringt diese Information in die Bars und Lokale rund um den See. Jeden Tag von 19 bis 23 Uhr ist er unterwegs. Fährt mit seinem roten Auto 40 Orte ab. Jeder kennt ihn. Seit 30 Jahren. Er ist der „Zeitungsmann vom Tegernsee“.
„Aaabendzeitung!“ Sitzt man abends in einem der Restaurants in den Talgemeinden und hört diesen Ruf, dann weiß man, wer gerade zur Tür hereingekommen ist. Es ist der kleine, wendige Perser mit dem roten Jäckchen und der Aufschrift der Abendzeitung. Einen Stapel von Zeitungen – darunter auch die „Süddeutsche“ und „Die Zeit“ – hat er im Arm.
Wir treffen ihn um 21 Uhr im „Monte Lago“. Zwei Exemplare verkauft er hier. Das war’s dann mit SZ für heute Abend. Alles weg. An die 80 Zeitungen wechseln den Besitzer. Seit 30 Jahren schon. Er holt sie am Münchner Ostbahnhof ab und fährt sie dann an den See. Dabei macht er das vollkommen freiwillig. „Ich bin mein eigener Chef“, sagt er stolz.
„Ich liebe die Leute im Tal“
Den Zusatzjob müsste Kaivan Roshan eigentlich gar nicht machen. Denn eigentlich ist er Autohändler und Inhaber einer Reinigung und einer Änderungsschneiderei, die er gemeinsam mit seiner Frau in München betreibt. Roshan macht seine Tätigkeit aus reiner Verbundenheit mit dem Tegernseer Tal. „Ich bin mit den Leuten hier zusammengewachsen und liebe sie“, erzählt er. Es macht ihm Freude, die gedruckten Blätter in die Gaststätten und Bars zu bringen. Teilweise kennt er deren Betreiber schon, seit sie jung waren.
Der Zeitungsverkäufer kennt jeden Winkel im Tal. Und seine Kunden? „Ich weiß, was sie wollen“, erklärt er, als wir ihn fragen, ob er den Gesichtern von Gästen zuordnen könne, welches Medium sie gleich kaufen werden.
Er kennt sie – und sie kennen ihn: den freundlichen, diskreten, kleinen Mann mit den dunklen Haaren und dem sonnengegerbten Gesicht. Schier konserviert wirkt der inzwischen 66-Jährige. Ein kurzer Kaffee an der Bar, und es geht weiter in seinem weinroten Golf mit Münchner Kennzeichen.
In der Seestraße halten wir erst bei den „Kirschner Stuben“ von Franz Maier. Auch ihn kennt der Zeitungsmann bereits seit Jahrzehnten. Vom Kellner gibt es ein kleines Trinkgeld. Ein paar freundliche Worte und ein alkoholfreies Bier, wie immer stehend an der Bar getrunken. „Damit bekommst du frischen Wind“, lacht der Kellner. Zweimal „AZ“ findet den Weg auf die Esstische. Und wir den Weg nach draußen.
Immer auf Achse
„Hast du ein neues Auto?“ Ein Leverkusener Gast vom Hotel „Bachmaier am See“ erkundigt sich bei Roshan. Er raucht draußen und nimmt auch gleich eine Zeitung an sich. Münzen werden getauscht – und ein Lächeln. Hier hat der Zeitungsmann einiges zu tun. Die Bar ist voll. „Die Steuertricks der Reichen“ gehen gut weg. Auch etliche Aufsteller befüllt er noch mit den Zeitungen.
Jetzt können wir zu Fuß in die neue Enothek von Max Kölbl rübergehen. Die Bedienung steht draußen und raucht. Auch sie kennt den Zeitungsmann seit Jahrzehnten.
Eine Frage interessiert uns noch, bevor wir ihn in die Nacht entlassen – ob er seine Zeitungen auch selber liest? „Fast immer“, so Roshans höfliche Antwort. Wir wünschen weiter gute Fahrt. Schade eigentlich, dass es die Tegernseer Stimme nicht in gedruckter Form gibt, bei ihm wäre sie in guten Händen …
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