„Ich dachte alles ist korrekt“

Im Wiesseer Medical Park wurden von 2011 bis 2014 diverse Angestellte als Freiberufler geführt. Das Miesbacher Amtsgericht ist der Meinung: das war illegal und verurteilte am Freitag den Geschäftsführer. Danach gab dieser der TS ein exklusives Interview.

Immer wieder hängen schwarze Wolken über dem Medical Park in Bad Wiessee. Dieser Fall ist abgeschlossen. In Sachen Abrechnungsbetrug steht die Verhandlung noch aus.
Immer wieder hängen schwarze Wolken über dem Medical Park in Bad Wiessee. Dieser Fall ist abgeschlossen. In Sachen Abrechnungsbetrug steht die Verhandlung noch aus.

Wie berichtet wurde nach dem Geständnis des Medical Park Chefs vor dem Miesbacher Amtsgericht am Freitag ein Urteil gesprochen. Der Geschäftsführer wurde des „vermeidbaren Irrtums“ für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 200 Euro verurteilt. Damit gilt er weiterhin als nicht vorbestraft. Die TS hat mit dem Mann nach der Verhandlung ein exklusives Interview geführt.

Tegernseer Stimme: Wie fühlen Sie sich heute?

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Besser. Seit Anfang 2014 liefen die Ermittlungen. Damals war ich noch fest davon überzeugt, dass alles seine Richtigkeit hat und korrekt ist. Daher habe ich die Ermittlungen des Zolls auch gern und so umfangreich unterstützt. Als ich dann merkte, dass die Ermittlungen nicht eingestellt werden – das war so ab Anfang 2015 klar – ging es mir zunehmend schlechter.

Tegernseer Stimme: Sind Sie zufrieden mit dem Urteil?

Ich bin erleichtert, weil mir das Gericht nur einen „vermeidbaren Irrtum“ vorwirft. Das hätte jedem anderen in meiner Position auch passieren können. Ein Irrtum ist eben keine Absicht. Zufrieden bin ich aber nicht. Sie müssen wissen, dass wir im fraglichen Zeitraum zwei Prüfungen durch die zuständige Institution, die Deutsche Rentenversicherung, hatten. Eine 2011 und eine Anfang 2014. Die letztere betraf genau den fraglichen Zeitraum. Bei beiden Prüfungen wurde nichts beanstandet.

Tegernseer Stimme: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der Miesbacher SQLap?

Es ist sehr schwierig im Tegernseer Tal qualifiziertes Pflegepersonal zu finden. Wir haben da alles versucht. Online-Werbung, Anzeigen. Haben mit Leasing-Firmen kooperiert. Besonders schwierig war es kurzfristige Engpässe abzudecken. Da kam die Firma SQLap mit Ihrem Geschäftsmodell der Vermittlung freiberuflicher Arbeitskräfte und war sehr überzeugend. Und der Rechtsanwalt, der dabei war, ebenfalls.

Tegernseer Stimme: Wie war das bevor sie 2011 als Geschäftsführer angefangen haben?

Wildwuchs. Wir haben auch da schon mit Freiberuflern gearbeitet. Auch mit Leasing-Firmen. Mit der SQLap wollte ich ordentliche Strukturen und Rechtssicherheit für das Unternehmen schaffen. Deshalb war mir auch die Bestätigung des Anwaltes der Firma so wichtig.

Tegernseer Stimme: Haben Sie denn durch die Nutzung von den Freiberuflern Geld gespart?

Ganz im Gegenteil. Wie der Richter in seiner Urteilsbegründung ja schon erklärte, habe ich persönlich davon gar nichts gehabt. Und als Medical Park haben wir ganz erhebliche Provisionen für die Vermittlung der angeblichen Freiberufler gezahlt. Deutlich mehr als wir für Festangestellte bezahlt hätten. Das war auch ein Grund, warum ich gar nicht auf die Idee kam, das könnte rechtlich nicht einwandfrei sein. Medical Park hat davon finanziell nicht profitiert und ich schon gar nicht.

Tegernseer Stimme: Sie haben nun die Zahlungen an die DRV bereitgestellt. Um welchen Betrag handelt es sich?

Die Staatsanwaltschaft ist ja in der Anklage von 200.000 Euro ausgegangen, aber die DRV hat noch einmal nachgerechnet und dann den Betrag so gut, wie halbiert. Der ist in der Tat bereits bei der Versicherung unwiderruflich bereitgestellt. Aber sehen Sie diese Summe bitte auch im Verhältnis. Unsere Lohnkosten belaufen sich im Jahr auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Wir reden von einem Zeitraum von vier Jahren, in dem der Medical Park einen mittleren zweistelligen Millionen Betrag an Lohnkosten und Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt hat. Damit bewegen wir uns bei der fraglichen Summe im unteren Promillebereich unserer Gesamtlohnkosten.

Tegernseer Stimme: Sie haben die Zusammenarbeit mit SQLap ja dann 2014 eingestellt. Wie kommen Sie heute an ihre Arbeitskräfte?

Es ist weiterhin mühsam. Viel Online-Werbung, Anzeigen.

Tegernseer Stimme: In der Verhandlung war von spanischen Arbeitskräften die Rede.

Wir kooperieren mit der Universität in Granada, die Pflegekräfte und Therapeuten ausbildet. Die spanische Ausbildung ist besser als ihr Ruf. Der Medical Park bietet in Spanien eine Sprachausbildung für Deutsch an. Zurzeit beschäftigen wir so in Bayern 28 Personen aus Spanien.

Tegernseer Stimme: Wie sieht es generell mit Arbeitskräften im Tal aus?

Es wird zunehmend schwieriger. Für Pflege und Therapie haben wir ein sehr gutes und festes Team. Natürlich gibt es auch hier bei 600 Mitarbeitern Fluktuation. In den Bereichen Service- und Housekeeping beschäftigen wir zunehmend Ost- und Südeuropäer. Auch hier unterstützen wir bei der Sprachausbildung, die dann allerdings hier erfolgt.

Tegernseer Stimme: Wie sehen Sie aus heutiger Sicht die Situation für Freiberufler in der Pflege?

Es herrscht große Rechtsunsicherheit, die Lage ist unübersichtlich. Die Unternehmen verabschieden sich von den Freiberuflern. Ich halte die Situation auch für politisch gewollt: Man will für die Rentenversicherung reinholen, was geht. Die Regelung ist bundesweit auch nicht einheitlich. Sie treffen überall auf unterschiedliche Entscheider.

Tegernseer Stimme: Wie hat Ihr Umfeld auf den Fall reagiert?

Ich hatte da meine Befürchtungen, da es in der öffentlichen Meinung schnell zu einer Vorverurteilung kommt – ohne dass man alle Hintergründe kennt. Aber die Reaktionen vor allem im beruflichen Umfeld haben mir Mut gemacht. Viele Mitarbeiter sind auf mich zugekommen und haben ihr Mitgefühl ausgedrückt. Auch das soziale Umfeld hat mich unterstützt. Und vor allem bin ich dem Vorstand und dem Aufsichtsrat vom Medical Park sehr dankbar. Sie haben mir ihr Vertrauen ausgesprochen und während der Untersuchungen von Anfang an den Rücken gestärkt.

Wir danken für das Gespräch.

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