„Ich glaube an das Gymnasium“

Es sind die ersten 100 Tage im Amt des neuen Tegernseer Bürgermeisters, Johannes Hagn. Lange genug, um sich mit vielen großen Themen auseinanderzusetzen.

Zeit also, Hagn nach seinen bisherigen Erfahrungen und Erkenntnissen im Amt des Gemeindeoberhaupts zu fragen. Ein Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Der Tegernseer Bürgermeister im Sommer-Interview.
Der Tegernseer Bürgermeister im Sommer-Interview.

Vor rund einem Jahr wurde Johannes Hagn Spitzenkandidat der Tegernseer CSU für das Bürgermeisteramt. Im März war es dann so weit: Mit gut 55 Prozent der Stimmen wurde er bei den Kommunalwahlen zum ersten Bürgermeister gewählt. Seit Amtsantritt sind 100 Tage vergangen. Jetzt steht Johannes Hagn auf dem Rathaus-Balkon. Er hat einen langen Tag hinter sich, kommt beim Blick auf “seine” Stadt und den Tegernsee dennoch ins Schwärmen. Zeit also, eine erste Bilanz zu ziehen. Im Sommerinterview verrät der „neue“ Bürgermeister, wie es bisher lief und was er noch vorhat.

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Tegernseer Stimme: Guten Tag, Herr Hagn. Wir treffen uns heute mit Ihnen, um über Ihre ersten 100 Tage im Amt des Tegernseer Bürgermeisters zu sprechen. Diese Woche gehen Sie in den Urlaub. Dringend notwendig oder haben Sie noch Energie?

Johannes Hagn: Natürlich habe ich noch Energie! Das ist einfach der Jahresurlaub, den ich mache – so wie in jedem Jahr. Und mein letzter Urlaub ist jetzt schon ein Jahr her.

Tegernseer Stimme: Haben Sie denn jetzt mehr Stress als in Ihrem alten Job?

Johannes Hagn: Man kann es nicht wirklich vergleichen. Bei meiner alten Arbeit beim Zoll war es so, dass ich das ja alles studiert und mich über die Jahrzehnte eingearbeitet hatte. Hier sind viele Sachen komplett neu, gerade was das Baurecht angeht. Da muss ich mich natürlich einarbeiten. Das gilt auch und gerade bei unseren kommunalen Eigenbetrieben. Da habe ich schon den Anspruch an mich, dass ich möglichst professionell und gut vorbereitet rangehe, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Tegernseer Stimme: Wenn Sie mal kurz auf Ihre ersten 100 Tage im Amt zurückblicken, wie zufrieden sind Sie dann? Haben Sie Ihr Soll erreicht oder gab es vertane Chancen?

Johannes Hagn: Ich komme natürlich nicht aus der Kommunalpolitik und bin hier absoluter Seiteneinsteiger. Insofern versuche ich schon ein bisschen, großzügig zu mir zu sein. Aber es ist doch so, dass es ein bisschen dauert, bis ich die Qualität meiner früheren Arbeit auch hier erreicht habe. Alles in allem bin ich aber zufrieden, wie es bis jetzt lief.

Streit um die Orthopädische Klinik?

Tegernseer Stimme: Eine der großen Baustellen ist die Orthopädische Klinik an der Point. Vor allem aus Rottach-Egern gibt es heftige Kritik und es wird mit rechtlichen Schritten gedroht. Wie positionieren Sie sich dazu?

Johannes Hagn: Nein. Das Thema wird auch ein bisschen hochgekocht. Wir sind als Stadt Tegernsee mit dem Stadtrat angetreten und haben gesagt: Wir wollen das auf die Sachebene zurückführen, wir wollen alles und jeden anhören, damit jeder auch wirklich seine Meinung kundtun kann. Wir sind erpicht darauf, uns neue Argumente anzuhören, die wir in unsere Entscheidungen miteinfließen lassen.

Tegernseer Stimme: Stellen Sie sich auf Streit mit den Nachbarn ein?

Johannes Hagn: Mit den Rottachern habe ich ein gutes Verhältnis. Es steht ihnen natürlich frei, sich zur Klinik zu äußern – das erwarte ich sogar. Inzwischen ist die Stellungnahme eingetroffen und ich habe sie mir durchgelesen. Sie ist fachlich fundiert und bringt Aspekte auf den Tisch, die ich durchaus nachvollziehen kann. Welche rechtlichen Auswirkungen das hat, steht aber wieder auf einem ganz anderen Papier. Aber das entscheidet dann das Landratsamt und nicht ich.

Tegernseer Stimme: Trotzdem gibt es viel Trubel um diese Klinik. Ist das alles den Ärger denn wert? Die Rede ist von 70 Millionen Euro für schlanke 20 zusätzliche Betten…

Johannes Hagn: Ich habe schon mal versucht, das auf eine fachlichere Ebene zu führen. Es geht nicht einfach um 20 neue Betten, sondern auch um ein Klinik- und Reha-Konzept. Das jetzige Reha-Konzept ist 50 Jahre alt. Plakativ gesagt: Damals sind die Patienten mit Krücken rein und ohne Krücken raus. Inzwischen ist es so, dass sie liegend reingebracht werden und gehend wieder rauskommen. Ich vermag nicht zu beurteilen, ob dieses Konzept das Richtige ist – aber so sehen die Pläne der Klinik aus.

Tegernseer Stimme: Trotzdem geht es für die Stadt in erster Linie um Arbeitsplätze und Übernachtungsgäste.

Johannes Hagn: Ich würde das gar nicht als Wertung sehen. Ich würde nicht hingehen wollen und sagen: zu Gunsten von 20 neuen Betten werden wir jetzt die Point zubetonieren. Es geht hier um eine Abwägung und dabei muss der Stadtrat die Entscheidung treffen: Wie viel ist uns das wert? Wir werden das Verfahren so sauber und gut wie möglich zu Ende führen. Dabei spielt der Informationsfluss eine entscheidende Rolle.

Tegernseer Stimme: Erst kürzlich hat der Stadtrat die Asphaltierung und Verschönerung des Point-Parkplatzes in die Wege geleitet. Besteht nicht die Gefahr, dass die nächsten Schritte der Orthopädischen Klinik die Parkplatz-Pläne wieder umwerfen?

Johannes Hagn: Nein, das sehe ich momentan nicht. Wir werden auf unserer Planungsgrundlage weiterarbeiten. Die ist so aufgestellt, dass der Baustellenverkehr auch über den neuen Parkplatz möglich ist. Wir werden jetzt auf keinen Fall einen Parkplatz für viel Geld herrichten, der durch welche Baumaßnahme auch immer wieder kaputt gemacht wird. Dennoch bedeutet der Point-Parkplatz einen Paradigmenwechsel. Wir holen da nicht das Maximum an Stellplätzen raus, sondern planen einen kleinen, aber feinen Parkplatz mit einem vernünftigen Verkehrskonzept. Und das war mehr als überfällig.

Optimismus beim Krankenhaus-Areal

Tegernseer Stimme: Ein anderes großes Thema ist das Krankenhaus-Areal, für das sich endlich ein Investor gefunden hat. Im März haben Sie sich noch kritisch gegenüber dem Ankauf seitens der Residenz-Gruppe geäußert. Inzwischen ist klar, dass der Investor den Wünschen der Stadt nachkommen will. Sind Sie jetzt also zufrieden?

Johannes Hagn: Mit dem Verlauf bin ich bis jetzt sehr zufrieden. Wir stehen in engem Kontakt mit dem Investor. Es sieht so aus, als ob wir eine Lösung bekommen, die allen gerecht wird. Wir bekommen ein Hotel, bezahlbaren Wohnraum und betreutes Wohnen, das ich für Tegernsee für sehr wichtig erachte. Die Mischung stimmt also.

Tegernseer Stimme: Wann können wir bei diesem Thema mit weiteren Neuigkeiten rechnen? Und überhaupt: Wann soll es losgehen?

Johannes Hagn: Der Investor möchte so schnell wie möglich bauen. Momentan wird der Planungskatalog für den Architektenwettbewerb ausgearbeitet. Dann werden die Entwürfe vorgestellt und prämiert. Alle Fraktionen werden von Anfang an mit eingebunden sein – darauf haben wir gedrängt. Ich denke, wir werden die Pläne noch in diesem Jahr der Öffentlichkeit vorstellen können.

Tegernseer Stimme: Ein Teil des Areals soll als Raum für Wohnungen fungieren. Dabei ist bekannt, dass auch und gerade in Tegernsee ein akuter Mangel an bezahlbaren Wohnungen herrscht. Inwiefern verschafft das Konzept des Investors hier Abhilfe?

Johannes Hagn: Das Krankenhaus-Konzept passt gut in unser Konzept für bezahlbaren Wohnraum. Alle Fraktionen haben gesagt: Wir müssen uns da jetzt reinhängen. Wobei bezahlbarer Wohnraum ja nicht Sozialwohnungsbau bedeutet. Vielmehr bedeutet das, für normale Leute hier in Tegernsee vernünftigen Wohnraum zu schaffen. Darüber hinaus sehen wir zu, dass wir uns weiteren Wohnraum sichern oder ihn schaffen. Aber das ist ein Projekt, das über die nächsten zehn Jahre angelegt werden muss, nachdem wir gerade angefangen haben, unsere bestehenden Wohnungen zu sanieren.

Tegernseer Stimme: Gehen wir mal zu einem anderen Großprojekt: Beim A-ja-Hotel in Tegernsee Süd gibt es Gerüchte, der Betreiber könnte den Standort wechseln. Was ist da dran?

Johannes Hagn: Davon weiß ich nichts. Momentan ist es so, dass wir nach dem Wechsel im März mit dem Betreiber gesprochen haben. Das alte Konzept war stark auf Kante genäht. Deshalb plant der Betreiber neu. Das ist mein aktueller Kenntnisstand. Auf jeden Fall wollen wir von der Bettenzahl runter, damit das Hotel nicht mehr ganz so groß wird.

Tegernseer Stimme: Wann wird es dort Neues geben? Wann startet der Architektenwettbewerb?

Johannes Hagn: Das ist alles nicht spruchreif. Es hängt vom Investor ab: Möchte er an dem Projekt festhalten? Möchte er umplanen? Und wenn ja, wie sehen dann die neuen Pläne aus?

Zuversicht beim Tegernseer Gymansium

Tegernseer Stimme: Das Tegernseer Gymnasium blickt in eine ungewisse Zukunft. Mal Hand aufs Herz: Glauben Sie, dass es trotz sinkender Anmeldungen fortbestehen kann?

Johannes Hagn: Ja, da glaube ich wirklich dran.

Tegernseer Stimme: Welche Maßnahmen ergreift die Stadt Tegernsee, um die Zukunft des Gymnasiums zu sichern?

Johannes Hagn: Zunächst unterstützen wir alle Aktivitäten des Gymnasiums. Da geht es um Projekte wie die Neugestaltung der Unterführung, die wir auch finanziell mittragen. Oder dass Schüler hier ins Rathaus kommen und wir uns entsprechend um sie kümmern. Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir hinter dem Gymnasium und den Schülern stehen. Nachdem wir als Stadt aber Sachaufwandsträger für die Grundschule sind, ist meine feste Überzeugung, dass wir möglichst viele Kinder möglichst früh an Tegernsee binden müssen – und das fängt schon in der Grundschule an.

Tegernseer Stimme: Was heißt das für die Schule?

Johannes Hagn: Die müssen wir so gut ausstatten wie möglich. Mit dem barrierefreien Zugang haben wir das geschafft. Dann müssen wir die Aktivitäten aus der Schule heraus optimieren – damit sich die Schule aus sich selbst heraus entwickeln kann. Dafür setzen wir auf einen ständigen Dialog. Dazu muss das Gymnasium auch die Möglichkeit bekommen, Wünsche zu artikulieren. Jeder von uns ist ein kleiner Experte, aber letztlich können nur die Verantwortlichen wissen, was gut für sie ist.

Tegernseer Stimme: Da sprechen Sie etwas an! Bekanntlich verderben zu viele Köche den Brei. Besteht diese Gefahr beim Gymnasium?

Johannes Hagn: Das glaube ich nicht, weil alle – egal wen man nimmt – am Fortbestand des Gymnasiums interessiert sind. Wir wollen alle Kräfte bündeln, alle Ideen sammeln und damit an das Gymnasium herantreten und unsere Unterstützung zusichern. Unterm Strich ist das Gymnasium eine sehr gute Schule, momentan fehlt es aus verschiedenen Gründen an Attraktivität. Dafür muss das Gymnasium tun, was nötig ist, aber es gibt Dinge, die kann man auch einfach nicht ändern.

Tegernseer Stimme: Was muss das Gymnasium denn selbst ändern?

Johannes Hagn: Ich bin kein Schulpolitiker. Was mir selbst aufgefallen ist, ist dass man den Kontakt mit den Eltern zu den Klassenlehrern wesentlich vereinfachen muss, damit sich dort eine Art Feedback-Kultur entwickeln kann. Das ist eine Maßnahme, die ich für relativ leicht umsetzbar halte und die auch eine entsprechende Außenwirkung hätte.

Seeuferweg? Aufgeschoben aber nicht ausgeschlossen.
Seeuferweg? Aufgeschoben, aber nicht ausgeschlossen.

Tegernseer Stimme: Lassen Sie uns noch kurz über das alte Thema Seeuferweg reden. Theoretisch steht ja noch der Ausbau bis nach Rottach im Raum. In der SZ haben Sie gesagt, dafür fehle das Geld. So wirklich ausgeschlossen haben Sie das aber dennoch nicht.

Johannes Hagn: Nein, ich schließe das natürlich nicht komplett aus. Ich habe ja im Wahlkampf schon gesagt, dass wir damals im CSU-Vorstand und heute auch im Stadtrat einen Seeuferweg von der Point zur Schwaighof-Anlage nicht auf der Agenda haben. Vor allem ist es finanziell kein Thema, wir können nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Ich habe nichts gegen den Seeuferweg, aber ich meine, dass die Schaffung von Wohnraum derzeit deutlich wichtiger ist.

Tegernseer Stimme: Die Zeit vergeht wie im Flug – das geht Ihnen als Bürgermeister vermutlich nicht anders. Was wollen Sie in diesem Jahr unbedingt noch anpacken?

Johannes Hagn: Es gibt auf jeden Fall zwei Dinge, die ich noch umsetzen will. Das sind aber Teile nichtöffentlicher Sitzungen. Dafür brauche ich erst noch das Feedback aus dem Stadtrat. Ich möchte nichts gegen Widerstände durchdrücken, sondern durch Argumente überzeugen. Dazu will ich jetzt nicht mit Ideen an die Öffentlichkeit gehen, die dann womöglich wie Seifenblasen zerplatzen. Auf jeden Fall möchte ich oben am Bahnhof noch den Co-Working-Space schaffen – das wäre mal wirklich etwas Neues, von dem ich sehr überzeugt bin, dass es unserem Standort hilft.

Tegernseer Stimme: Herr Hagn, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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