“Ich sehe die Wasserentnahme kritisch”

Der Streit ums Wasser spitzt sich zu. Die Stadtwerke München fordern in den nördlichen Gemeindegebieten mehr Schutzfläche für sich und berufen sich dabei auf über hundert Jahre alte Rechte. Überholt? Unfair? Weltfremd? Die Gemüter sind jedenfalls erhitzt. Hoffnungen setzen viele Betroffene nun in den ersten Grünen Landrat. Doch was sagt Wolfgang Rzehak selbst dazu?

Landrat Wolfgang Rzehak zeigte sich offen für die Anliegen der Gemeinden.
Landrat Wolfgang Rzehak zeigte sich offen für die Anliegen der Gemeinden.

Der Ärger vieler Anlieger ist groß. Schon seit 50 Jahren existiert ein Verein der Wasserschutzzonengeschädigten. Und auch die betroffenen Gemeinden wollen die Ausweisung neuer Wasserschutzgebiete nicht einfach so hinnehmen. Daher haben sie schon vor zwei Monaten einen gemeinsamen Protest abgesegnet und sich vor Kurzem mit Landrat Wolfgang Rzehak beraten. Von dessen Seite kommt nun erste Unterstützung.

Holzkirchner Stimme: Laut neuester Statistik soll München bis 2032 um 400.000 Bürger wachsen. Das bedeutet, die Landeshauptstadt wird auch mehr Wasser verbrauchen. Eine Entwicklung, die die betroffenen Kommunen in Wasserschutzzonen mit Sorge sehen. Ist diese Sorge berechtigt?

Anzeige

Wolfgang Rzehak: Die Münchner Entnahme von Wasser, das aus dem Landkreis Miesbach gewonnen wird, ist auf den wasserrechtlich genehmigten Umfang beschränkt. Für bestimmte Wasserfassungen sind die in einem Verfahren erteilten wasserrechtlichen Gestattungen die Grundlage, ansonsten die sog. Altrechte. In beiden Fällen ist aber die maximale Entnahmemenge festgeschrieben.(**siehe unten)

Darüber hinausgehende Entnahmen wären zu beantragen und müssten in einem förmlichen Verfahren durch das Landratsamt genehmigt werden. Ich nehme die Ängste der Bevölkerung sehr ernst und bin mir darin auch mit meinen beiden Stellvertretern, Ingrid Pongratz und Klaus Thurnhuber, einig. Dass die Befürchtungen der Menschen begründet sind, hat das Einschreiten des Landesamt für Wasserschutz bei der Erweiterung der Saftpresse Gotzing bewiesen. Ich und meine Stellvertreter werden alles dafür tun, Schaden von den Landkreisbürgerinnen und -bürgern abzuwenden.

Holzkirchner Stimme: Die Stadtwerke München haben immer wieder eine Erweiterung des Wasserschutzgebietes in der Region um Valley angestrebt. Für fast zehn Jahre war das Verfahren nu aber ausgesetzt. Betroffene Bürger beklagen, das Landratsamt Miesbach hätte sich vor der Verantwortung gedrückt. Wie sieht ihre Agenda als „grüner“ Landrat zu diesem Problem aus?

Wolfgang Rzehak: Aktuell läuft das Verfahren zur Neuausweisung des Schutzgebietes Thalham-Reisach-Gotzing beim Landratsamt Miesbach, dass das Valleyer Gemeindegebiet aber nur minimal berührt. Betroffenheit besteht dort vor allem durch die WSG-Verordnung „Mühlthaler Hangquellen“, die aber bereits vor längerer Zeit erlassen wurde und Bestand hat.

Wunderschön und heiß begehrt - das Valleyer Wasser.
Wunderschön und heiß begehrt – das Valleyer Wasser.

Die Aussetzung des Verfahrens begründete sich v.a. damit, dass im Sinne einer möglichst geringen Belastung nach einer Lösung für die betroffenen Miesbacher Landkreisbürger gesucht werden sollte. Das Landratsamt hat sich nicht „zu Lasten hier betroffener Bürger gedrückt“.

Holzkirchner Stimme: München beruft sich ja noch immer auf die sogenannten „Altrechte“ von 1852. Werden Sie die Gegner in ihrer Klage dagegen unterstützen und ein „Machtwort“ sprechen?

Wolfgang Rzehak: Die nötigen Altrechte zur Entnahme des Trinkwassers vom Beginn des 20. Jahrhunderts liegen nach Aussage unserer zuständigen bayerischen Oberbehörden zweifelsfrei vor. Ein „Machtwort“ hinsichtlich einer abweichenden rechtlichen Feststellung durch den Landrat (Organ der das Verfahren führenden Staatsbehörde) im Verfahren ist deshalb nicht möglich. Rechtliche Schritte vor allem bezüglich des Erlasses der Trinkwasserschutzverordnung bleiben in einem möglichen Normenkontrollverfahren klagebefugten Gegnern vorbehalten.

Natürlich bewerte ich es als Kommunalpolitiker äußerst kritisch, dass die Wasserentnehme nach Altrechten möglich sein soll. Ich bin dafür, dass die Stadtwerke München ein Verfahren zur Erlangung der Wasserrechte nach derzeitig geltenden Gesetzen und Verordnungen durchführt.

Holzkirchner Stimme: Eine weitere Ausweisung von neuem Schutzgebiet würde für die Bauern ein weiteres Korsett bedeuten. Und in gewisser Weise auch eine massive Einschränkung für ihre Arbeit. Gibt es da eine Lösung? Eventuell Entschädigungen?

Wolfgang Rzehak: Nur in räumlich ausgeweiteten Bereichen, vor allem im Westen des geplanten Schutzgebietes kämen „neue Einschränkungen“ auf Landwirte zu. Im bisher schon existierenden Schutzgebiet verändern sich hingegen die Anforderungen. In weiten Bereichen des bisherigen und des künftigen Schutzgebietes haben die Stadtwerke auch bereits freiwillige vertragliche Vereinbarungen mit den Landwirten über die Bewirtschaftung im Sinne einer „Lösung“ gefunden.

Im Übrigen sieht das Wasserhaushaltsgesetz für unzumutbare Eigentumsbeschränkungen beziehungsweise ausdrücklich für erhöhte Anforderungen bei der ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung gesetzlicherseits Entschädigungen vor. Ich strebe an, die Stadtwerke dazu zu bewegen, ihre freiwilligen Leistungen auszuweiten.

Holzkirchner Stimme: Den Durst der Landeshauptstadt, davon sind die Gegner überzeugt, könnten die SWM woanders stillen. Wird es Alternativlösungen geben?

Wolfgang Rzehak: Im Rahmen des anhängigen Schutzgebietsverfahrens ist explizit der Punkt zu prüfen, ob für die Trinkwassergewinnung auch alternativ zumutbare Lösungen in Frage kommen.

** Maximale Entnahmemengen:

Gotzinger Hangquellfassungen, erbaut 1893 – 1901, maximal dort mögliche Ableitungsmenge 1720 l/s, unbefristetes Recht

Reisacher Grundwasserfassung, erschlossen um die Wende 19./20 Jahrhundert, maximal dort mögliche Entnahmemenge 3600 l/s, Entnahmerecht bestätigt durch Beschluss des Königlichen Verwaltungsgerichtshofes v. 29.12.1910

Für andere Gewinnungen, die nach dem 01.01.1908 entstanden sind, bestehen nachfolgende behördliche Gestattungsakte:

Tiefbrunnen Thalham-Süd, Brunnen 1 – 3, unbefristete Erlaubnis vom 20.01.1954, max. gestattete Entnahmemenge 500 l/s

Tiefbrunnen Thalham-Nord, Brunnen 1 – 3, Bewilligungsbescheid vom 26.07.1985, befristet bis 31.12.2014, maximal gestattete Entnahmemenge 680 l/s

SOCIAL MEDIA SEITEN

Anzeige
Aktuelles Allgemein

Diskutieren Sie mit uns
Melden Sie sich an und teilen Sie
Ihre Meinung.
Wählen Sie dazu unten den Button
„Kommentare anzeigen“ aus

banner