„Ich wollte doch leben!“

von Rose Beyer

„Mir wird schon nichts passieren.“ Diesen Satz hört man oft von jungen Fahranfängern, wenn man sie bittet, im Straßenverkehr vorsichtig zu sein. Für Manche kommt der Tod dann schneller, als sie ihre Träume verwirklichen konnten.

"Ich wünsche euch, dass ihr nie davon betroffen seid": Schulleiter Stefan Ambrosi (2.v.li.) zu den Schülern der 10B sowie Vertretern von Elternbeirat, ADAC, der Gemeinde Gmund, der Unteren Verkehrsbehörde Miesbach und der Kreishandwerkerschaft.
„Ich wünsche euch, dass ihr nie davon betroffen seid“, wünscht Schulleiter Stefan Ambrosi (2.v.li.) den Schülern der 10B.

„Ich fühlte mich sicher.“ – „Ich habe mich überschätzt.“ – „Ich wurde übersehen.“ Diese Sprüche stehen auf den lebensgroßen geschwärzten Figuren in der Aula der Realschule Tegernseer Tal. Zutiefst betroffen machen sie einen – ganz besonders, wenn man weiß, dass die Schicksale, die auf den Aufstellern beschrieben sind, so wirklich passiert sind.

Da ist zum Beispiel die 24-jährige Jasmin. „Ich wurde übersehen.“ So steht es auf ihrem Schattenbild. Sie war auf dem Weg in die Arbeit, als ihr ein Lastwagen entgegenkam. Sie plante gerade ihre Hochzeit. Jetzt ist sie tot.

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So wie Jasmin standen alle sechs jungen Schatten-Menschen noch am Anfang ihres Lebens. Hatten die gleichen Hoffnungen und Träume wie jeder von uns. Doch der Tod war schneller. Sissi, Sarah, Sascha, Roccy, Benjamin und Jasmin. Jetzt stehen sie als Silhouetten dafür, andere junge Leute zu ermahnen, sich im Straßenverkehr umsichtig zu verhalten.

„Schatten – Ich wollte doch leben!“

So heißt die Wanderausstellung, die seit November 2009 bereits an 61 südbayerischen Schulen zu sehen war. Inzwischen tourt die Ausstellung auch durch Realschulen, Gymnasien und Berufsschulen in Nordbayern sowie Österreich. Initiiert hat sie der ADAC Südbayern.

In der Realschule Tegernseer Tal ist die Ausstellung wohl genau richtig platziert. Will der ADAC doch damit vor allem Jugendliche ansprechen, die in puncto Verkehrsunfall besonders gefährdet sind – also diejenigen jungen Frauen und Männer, die mit dem Gedanken „Führerschein“ spielen.

14.628 Verkehrsunfälle mit Personenschaden haben sich unter Beteiligung junger Fahranfänger zwischen 16 und 24 Jahren im Jahr 2014 ereignet. Dr. August Markl, Vorsitzender des ADAC Südbayern, trug die Zahl bei der Ausstellungseröffnung heute in der Realschule vor. 21.226 Jugendliche wurden dabei verletzt. 144 starben.

Jeder einzelne Tote ist zu viel.

So bekräftigte er es in seiner Eröffnungsrede. Oft genug passieren Unfälle auch im Tegernseer Tal. So ist erst heute Morgen ein 22-Jähriger mit seinem Wagen auf die Gegenfahrbahn geraten und gegen einen LKW geprallt. Der Unfall ging jedoch einigermaßen glimpflich aus. Nicht so viel Glück hatte eine ebenfalls 22-Jährige vergangenen Herbst in der Reithamer Kurve. Sie erlag ihren Verletzungen.

Junge Fahranfänger hätten ein dreimal so hohes Risiko, zu verunglücken als andere Verkehrsteilnehmer, weiß der Verkehrsexperte. Ziel der Ausstellung ist es daher, junge Auto- und Motorradfahrer für den Tod auf der Straße zu sensibilisieren.

Mitten aus dem Leben gerissen wurden die jungen Leute - mitten in der Aula stehen ihre Schatten
Mitten aus dem Leben gerissen wurden die jungen Leute – mitten in der Aula stehen ihre Schatten.

Die Schatten der sechs Toten aus der Ausstellung stehen mitten in der Aula der Realschule. Mitten aus dem Leben wurden die jungen Leute gerissen. Zurück bleiben die Angehörigen mit ihrer Betroffenheit und meist unendlichem Schmerz und unbeschreibbarer Trauer.

Wie betroffen man sein kann, wenn jemand aus der Mitte einer Gemeinschaft gerissen wird, und wie lange es anhalten kann, weiß auch Gmunds Vize-Bürgermeister Georg Rabl. Er erzählt von einem damals 21-jährigen Freund, der auf dem Nachhauseweg in Seeglas tödlich verunglückte. „Wir waren jung damals“, erinnerte sich Rabl. Noch heute frage er sich, wen man da verloren habe und wie er heute wohl wäre.

Seinen Arbeitsplatz hat jemand anders eingenommen. Sein Freundeskreis lebt weiter. Es kommt jemand anders dazu. Aber keiner ist ersetzbar. So ein Mensch fehlt einfach.

So zeigte Rabl seine kaum verblasste Erinnerung an den Freund. Man muss sich immer bewusst machen, was man mit technischen Mitteln wie dem Auto anfangen kann und wie man es betätigt, so dass keiner einen Schaden bekommt. Nach seiner langjährigen Erfahrung sei kein Auto so sicher, dass es verhindern könnte, dass jemand zu Tode kommt, so Rabl. Man müsse sich als Fahrer dessen bewusst sein und so handeln, dass man selbst sowie alle Mitfahrer sicher und gesund heimkommen.

Der Appell des Rektors

Auch Schulleiter Stefan Ambrosi begrüßte die Anwesenden bei seiner Eröffnungsrede mit gemischten Gefühlen. „Auf der einen Seite bin ich dankbar für die Unterstützung vom ADAC, auf der anderen Seite bewegt mich das Thema als Vater und macht mir auch Angst.“

Er hofft darauf, dass das Umfeld der Schule und deren Familien von Schicksalsschlägen verschont bleiben. Und dass die Ausstellung dazu beitragen kann, tragische Unglücke zu verhindern. „Schaut euch das an, redet drüber, sagt es weiter“, lautet der Appell des Schulleiters.

Bevor die Ausstellung weiterwandert, ist sie noch bis zum Freitag in der Realschul-Aula während der Schulzeiten zu sehen. Aufgestellt, um zum Nachdenken anzuregen oder Anlass für Gespräche zu geben.

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